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Mehr als Worte sagen können – aus der Fotosammlung Knübben


Nachwuchsförderung etwa um 1963: Offenbar hatte ein Vater – es muss der Herr im dunklen Hemd sein, der seinen rechten Fuß auf dem Boden des Beiwagens abgestellt hat - für seine Söhne eine NSU Max mit kleinem Steib-Beiwagen zum Motocross-Gespann umgebaut. An Mini-Gespanne dachte damals noch niemand. Eine 250er tat es dann für den Nachwuchs aber auch und in jenen Jahren waren diese für kleines Geld zu bekommen, weil die Deutsche sich inzwischen ihr erstes Auto leisten konnten. Die beiden Söhne, etwa 12 und 10 Jahre alt, durften womöglich im Rahmen einer Cross-Veranstaltung damit einmal die Start- und Ziel-Gerade hochfahren oder vielleicht gar eine ganze Runde über die Rennstrecke drehen. Der Steckensprecher machte die entsprechende Ansage und nach der Runde blieben die beiden für die gleichaltrigen Jungs im Fahrerlager die Attraktion. Während die Erwachsenen schon den Blick zum nächsten Programmpunkt des Rennens gewendet haben, starren die Jungs weiterhin gebannt aufs Max-Gespann und ihre jugendlichen Fahrer. Gerne hätten sie auch so ein Gespann und in ihren Gedanken fahren sie schon damit. Die beiden Fahrer sind sich indessen ihrer Mittelpunktrolle bewusst und genießen sie. … . Eine Geschichte aus dem Leben 1963


Es ist Sonntag, wie man unschwer an der Kleidung der Zuschauer erkennen kann. Zum Sonntagsstaat gehörten bis in die 1970er Jahre noch der Sonntagsanzug, weißes Hemd und Krawatte. Das trug man auch, wenn man zum Motocross ging. Motocross gab und gibt es nicht in großen Städten, sondern nur dort, nur wo es „ländlich“ ist und die Orte dörflichen Charakter haben. Karneval gibt es dort einen Umzug der örtlichen Vereine, Kirmes und Schützenfeste zählten zu den gut besuchten „Hochfesten im Jahreskreis“. In den 1950er und 1960er Jahren gab es zunächst nur ein und später zwei Fernsehprogramme und an Smartphones war kein Denken. Das „Motocross“ des örtlichen Clubs gesellte sich zu den Hochfesten des Dorfes. Die meisten Besucher kamen aus den nächstgelegenen Orten. Motocross war ein neuer Höhepunkt, der mit seiner Renn-Atmosphäre, alle Sinne reizte: Die Motorengeräusche und der Streckensprecher war für die Ohren, schnelle Fahrer und Positionskämpfe waren für die Augen und der eigentümliche Geruch von in Zweitaktern verbranntem Castrol R war für die Nase. Es gab noch keine Umweltschutzorganisationen, die den Staub der Strecke zu ungesundem Feinstaub erklären; Hemd und Hals mussten ohnehin gewaschen werden.

Im Jahr 2015 besteht die Mehrzahl der Motocross-Besucher aus Insidern, die selbst einmal Rennen fuhren oder deren Freunde und Verwandte diesen Sport betreiben.


Funktionäre trugen bis Anfang der 1970er Jahre noch weiße Kittel. So waren sie von jedem sofort als wichtig zu erkennen. Konrad Knübben hatte hier 1964 mit seiner Zweizylinder-Norton bei einem Solo-Rennen erfolgreich mit dem zweiten Platz abgeschnitten


Siegerehrung in der 250er Klasse etwa 1965 in Satzvey. Man achte einmal mehr auf die Kleidung und die Zuschauermassen im Hintergrund


Bunt bedruckte Sponsorenkleidung kannten die Fahrer noch nicht. Wenn überhaupt, trug man ein simples Club-Hemd mit Emblem auf der linken Brust. Pokale wurden nur wenige vergeben. Der Erstplatzierte erhielt meistens einen Kranz und die Zweit- und Drittplatzieren erhielte einen Blumenstrauß mit einer Schleife, die einen Aufdruck mit der Platzierung trug. Pokale hatten noch Seltenheitswert.
Hans Pohl (1) war erfolgreich in der Klasse bis 50 ccm und bewährte sich auch hervorragend als Beifahrer in der Gespannklasse. Sein Chauffeur hieß damals Adolf Gymnich, der mit Konrad Knübben zu den Gespann-Pionieren zählte. Pohl und Gymnich leben heute schon nicht mehr.


Spannende Verfolgungsjagden fesselten die Zuschauer. Konrad Knübben (rechts) 1965 in einer für ihn typischen Sitzhaltung auf dem Gespann


Die Ergonomie des Beiwagens war wohl ursprünglich für einen kleineren Beifahrer gedacht. Für Perfektionisten gab es 1963 noch sehr viel Entwicklungspotenzial


Eine Geschichte des Motocross könnte man durchaus auch als eine Geschichte vom Springen mit Motorrädern bezeichnen. Beim Sprung mit diesem nur wenig umgebauten Zündapp KS 601-Gespann (Grüner Elefant, über 300 kg schwer und ca. 30 PS stark) etwa 1960 mangelte es den Piloten keineswegs an tollkühnem Mut


Von den Zuschauerzahlen in den 1950er und 1960er Jahren, die bereits bei relativ unbedeutenden Motocross-Rennen damals die Regel waren, träumen heute die Veranstalter von WM-Läufen. 1961 wurde Konrad Knübbens Gespann noch von einem leistungsstarken Norton Manx-Motor angetrieben. Einem Triebwerk, das sich damals im Straßenrennsport für Privatfahrer bestens etabliert hatte. Der nur flach erscheinende Sprunghügel war für die Fahrwerks- und Fahrtechnik in der Pionierzeit schon eine Herausforderung


Entspannte Landung nach einem Sprung, etwa 1967. Es war noch die Zeit der Eigenbauten im Motocross-Gespannsport. Als Basis diente hier eine Norton Atlas, die bis 1968 gebaut wurde und dann durch die Commando abgelöst wurde. Sie hatte serienmäßig 750 ccm mit 49 PS bei 6.800 U/Min


Europameisterliche Erdbewegung 1974 mit Präzision, Beherrschung und Akrobatik: Konrad Knübben mit dem belgischen Beifahrer Philemon Paredaens


Familienangelegenheit etwa 1972. Ein herrliches Foto! Motocross in dem Umfang, wie die Knübbens diesen Sport betrieben, ging nur, wenn die ganze Familie auch mitmachte. Von April bis Oktober fand das Familienleben wochenends in Wohnwagen, Zelten und Fahrerlagern statt. Im Fahrerlager kannte man einander gut und die Kinder fanden ihre Spielgefährten. Das Gemeinschaftsgefühl im Fahrerlager war allerdings intensiver als etwa bei der Nachbarschaft am Wohnort. Der Sport war im Fahrerlager das Verbindende. Gegnerschaft gab es nur während des Rennens auf der Piste. Zu Hause am Wohnort wurde jede freie Minuten fürs Herrichten und Optimieren des Gespanns gebraucht. Wenn dann der Sonntag siegreich war, gab es auch ein Foto der Sieger mit den Familienmitgliedern.
Den ersten Platz belegte damals Konrad Knübbens Mitstreiter Artur Nytz aus Belgien

Nach dieser Einstimmung geht es hier weiter zu ausgesuchten Bildern aus dem umfangreichen Fotoalbum Konrad Knübbens

Fotos können bei genauer Betrachtung der intensiv Geschichte erzählen, und zwar in einer Weise, wie es geschriebene Worte oft nicht hinbekommen. Die meisten Fotos wurden von Mitgliedern der Familie Knübben gemacht. Die Ereignisse von damals kommen darin unverfälscht authentisch zum Ausdruck.

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Swisttal, im Dezember 2015

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Archiv Knübben

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