Es
ist Sonntag, wie man
unschwer an der Kleidung der Zuschauer erkennen kann. Zum
Sonntagsstaat gehörten bis in die 1970er Jahre noch der
Sonntagsanzug, weißes Hemd und Krawatte. Das trug man auch,
wenn man zum Motocross ging. Motocross gab und gibt es nicht in
großen Städten, sondern nur dort, nur wo es „ländlich“
ist und die Orte dörflichen Charakter haben. Karneval gibt
es dort einen Umzug der örtlichen Vereine, Kirmes und
Schützenfeste zählten zu den gut besuchten „Hochfesten
im Jahreskreis“. In den 1950er und 1960er Jahren gab es
zunächst nur ein und später zwei Fernsehprogramme und
an Smartphones war kein Denken. Das „Motocross“ des
örtlichen Clubs gesellte sich zu den Hochfesten des Dorfes.
Die meisten Besucher kamen aus den nächstgelegenen Orten.
Motocross war ein neuer Höhepunkt, der mit seiner
Renn-Atmosphäre, alle Sinne reizte: Die Motorengeräusche
und der Streckensprecher war für die Ohren, schnelle Fahrer
und Positionskämpfe waren für die Augen und der
eigentümliche Geruch von in Zweitaktern verbranntem Castrol
R war für die Nase. Es gab noch keine
Umweltschutzorganisationen, die den Staub der Strecke zu
ungesundem Feinstaub erklären; Hemd und Hals mussten ohnehin
gewaschen werden.
Im
Jahr 2015 besteht die Mehrzahl der Motocross-Besucher aus
Insidern, die selbst einmal Rennen fuhren oder deren Freunde und
Verwandte diesen Sport betreiben.
|
Funktionäre
trugen bis Anfang der
1970er Jahre noch weiße Kittel. So waren sie von jedem
sofort als wichtig zu erkennen. Konrad Knübben hatte hier
1964 mit seiner Zweizylinder-Norton bei einem Solo-Rennen
erfolgreich mit dem zweiten Platz abgeschnitten
|
Siegerehrung
in der 250er Klasse etwa 1965 in Satzvey. Man achte einmal mehr
auf die Kleidung und die Zuschauermassen im Hintergrund
|
Bunt
bedruckte Sponsorenkleidung kannten
die Fahrer noch nicht. Wenn überhaupt, trug man ein simples
Club-Hemd mit Emblem auf der linken Brust. Pokale wurden nur
wenige vergeben. Der Erstplatzierte erhielt meistens einen Kranz
und die Zweit- und Drittplatzieren erhielte einen Blumenstrauß
mit einer Schleife, die einen Aufdruck mit der Platzierung trug.
Pokale hatten noch Seltenheitswert. Hans Pohl (1) war
erfolgreich in der Klasse bis 50 ccm und bewährte sich auch
hervorragend als Beifahrer in der Gespannklasse. Sein Chauffeur
hieß damals Adolf Gymnich, der mit Konrad Knübben zu
den Gespann-Pionieren zählte. Pohl und Gymnich leben heute
schon nicht mehr.
|
Spannende
Verfolgungsjagden fesselten
die Zuschauer. Konrad Knübben (rechts) 1965 in einer für
ihn typischen Sitzhaltung auf dem Gespann
|
Die
Ergonomie des Beiwagens
war wohl ursprünglich für einen kleineren Beifahrer
gedacht. Für Perfektionisten gab es 1963 noch sehr viel
Entwicklungspotenzial
|
Eine
Geschichte des Motocross könnte man durchaus auch als eine
Geschichte vom Springen mit Motorrädern
bezeichnen. Beim Sprung mit diesem nur wenig umgebauten
Zündapp KS 601-Gespann (Grüner Elefant, über 300
kg schwer und ca. 30 PS stark) etwa 1960 mangelte es den Piloten
keineswegs an tollkühnem Mut
|
Von
den Zuschauerzahlen in
den 1950er und 1960er Jahren, die bereits bei relativ
unbedeutenden Motocross-Rennen damals die Regel waren, träumen
heute die Veranstalter von WM-Läufen. 1961 wurde Konrad
Knübbens Gespann noch von einem leistungsstarken Norton
Manx-Motor angetrieben. Einem Triebwerk, das sich damals im
Straßenrennsport für Privatfahrer bestens etabliert
hatte. Der nur flach erscheinende Sprunghügel war für
die Fahrwerks- und Fahrtechnik in der Pionierzeit schon eine
Herausforderung
|
Entspannte
Landung nach einem Sprung, etwa 1967. Es war noch die Zeit der
Eigenbauten im Motocross-Gespannsport. Als Basis diente hier eine
Norton Atlas, die bis 1968 gebaut wurde und dann durch die
Commando abgelöst wurde. Sie hatte serienmäßig
750 ccm mit 49 PS bei 6.800 U/Min
|
Europameisterliche
Erdbewegung 1974 mit Präzision, Beherrschung und Akrobatik:
Konrad Knübben mit dem belgischen Beifahrer Philemon
Paredaens
|
Familienangelegenheit
etwa 1972. Ein herrliches
Foto! Motocross in dem Umfang, wie die Knübbens diesen Sport
betrieben, ging nur, wenn die ganze Familie auch mitmachte. Von
April bis Oktober fand das Familienleben wochenends in Wohnwagen,
Zelten und Fahrerlagern statt. Im Fahrerlager kannte man einander
gut und die Kinder fanden ihre Spielgefährten. Das
Gemeinschaftsgefühl im Fahrerlager war allerdings intensiver
als etwa bei der Nachbarschaft am Wohnort. Der Sport war im
Fahrerlager das Verbindende. Gegnerschaft gab es nur während
des Rennens auf der Piste. Zu Hause am Wohnort wurde jede freie
Minuten fürs Herrichten und Optimieren des Gespanns
gebraucht. Wenn dann der Sonntag siegreich war, gab es auch ein
Foto der Sieger mit den Familienmitgliedern. Den ersten Platz
belegte damals Konrad Knübbens Mitstreiter Artur Nytz aus
Belgien
|
Nach
dieser Einstimmung geht es hier weiter
zu ausgesuchten Bildern aus dem umfangreichen Fotoalbum
Konrad Knübbens
Fotos
können bei genauer Betrachtung der intensiv Geschichte
erzählen, und zwar in einer Weise, wie es geschriebene Worte
oft nicht hinbekommen. Die meisten Fotos wurden von Mitgliedern
der Familie Knübben gemacht. Die Ereignisse von damals
kommen darin unverfälscht authentisch zum Ausdruck.
|
Zurück
|
Nach
oben
|
Zum
Navigator
|
Weiter
|