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Wolfgang Kamradt - der Motorradspezialist

Dreiundzwanzig Jahre Motorradtechnik in Perscheids Werkstatt

In den Jahren 1965 und 1966 musste Wolfgang Kamradt seine Fahraktivitäten wegen familiärer Verpflichtungen etwas einschränken und auch seine Berufstätigkeiten forderten mehr Zeiteinsatz. Für die Wege zur Arbeit und ggf. zu den Baustellen hatte Wolfgang Kamradt sich da ein Puch-Moped zugelegt. 1966 schloss er schließlich einen Arbeitsvertrag mit Hans Perscheid, bei dem er fortan in der Werkstadt arbeitete. Unkonventionell waren indessen die Umstände, wie Hans Perscheid auf die Idee kam, Wolfgang Kamradt als Mitarbeiter für seine Werkstatt einzustellen. Zuvor wurde schon von dem Treffpunkt geschrieben, der sich vor Perscheids Laden eingestellt hatte. Außer dem Umstand des Motorradgeschäftes an sich mögen noch Hans Perscheids Rennsport-Engagement in jenen Jahren und seine Exponate aus dieser Zeit, seine journalistischen Aktivitäten und die Tatsache, dass man mit Perscheid immer einfach und gut reden konnte zur Entstehung des Treffpunktes beigetragen haben. Dabei trafen sich die jungen Leute nicht nur zu Gesprächen, es wurde dort auch schon mal kurzerhand der Zylinder vom Motor genommen um diesen den Spezialisten zu zeigen und um zu hören, wo noch etwa ein Strich gefeilt werden könnte. "Dem Hans Perscheid war dabei offenbar aufgefallen, dass solche Schrauberaktionen mir am leichtesten von der Hand gingen und die Motoren anschließend auch problemlos wieder liefen, was bei den anderen, die dort auch vor der Tür schraubten, noch längst nicht immer der Fall war", berichtet Wolfgang Kamradt schmunzelnd.

1966 war ein Jahr wo nach der schlechten Zeit in der ersten Hälfte der 1960er Jahre die Nachfrage nach Motorrädern erstmals wieder etwas anzog. In der damals kleinen Werkstadt in der Ahrstraße war für Wolfgang Kamradt schon kein Platz mehr, deshalb wurde kurzerhand in der Nähe eine Doppelgarage angemietet und Kamradts Arbeitsplatz darin eingerichtet, mit einer Hebevorrichtung an der Decke, die Perscheid unter Einbeziehung der Freilaufnabe eines Fahrrades selbst konstruiert hatte. Die meisten Motorräder, die zu der Zeit in die Werkstatt gelangten, waren kleine 50 ccm Maschinen und dann hin und wieder auch 100er oder 125er von Hercules, Zündapp oder Maico. Deren relativ geringen Gewichte wurde Perscheids selbst konstruierte Hebevorrichtung problemlos und sicher fertig.


Vor der Tür von Hans Perscheids Verkaufsgeschäft in
Wesseling-Keldenich um 1970

Hans Perscheid hatte bald schon die Vertretungen von Honda und Yamaha übernommen. Arbeit gab es damit immer genug, aber die Platzverhältnisse in der Ahrstraße wurden zu gering, sodass zunächst seine Arbeitsstelle nach Keldenich in eine großzügiges Wohn- und Geschäftshaus verlegt wurde. Dort kam dann auch noch die BMW-Vertretung dazu. Mit dem einsetzenden Motorradboom in den 1970er Jahren stellt Perscheid einen Monteur nach dem anderen ein, um mit seinem Unternehmen die Nachfragen der Kunden bedienen zu können. Kamradt arbeitete da noch fleißig in der Werkstatt mit. Als schließlich sechs Monteure in der Werkstatt angestellt waren, wurde Wolfgang Kamradt die Leitung der Werkstatt übertragen. In den Geschäftsräumen in Keldenich wurde es für das Unternehmen auch schon nach wenigen Jahren wieder zu eng, sodass Perscheid mit seinem Unternehmen im Gewerbegebiet in Berzdorf zunächst nur mit der Werkstatt das großzügige "Servicezentrum" bezog und schließlich auch noch die Verkaufsräume von Keldenich nach Berzdorf verlegte.

Mit der Anstellung bei Perscheid sah Wolfgang Kamradt die Zeit gekommen, sich sein erstes großes Motorrad zu leisten, wenngleich sein Job ihm nicht die freie Zeit ließ, die Kilometerleistungen der früheren Jahre abzuspulen. Dafür machte er seinen neuen Job sehr gerne. Hatte er doch nun alle Tage ausschließlich mit Motorrädern zu tun und bei Perscheid konnte er sehr viel lernen. Zwar hatte Kamradt 1965 vorübergehend einmal eine DKW RT 200, eine NSU Lux und auch eine NSU Max gefahren, aber als er sich1966 eine Honda CB 72 mit 250 ccm Hubraum leistete, da war die mit ihrem damals hypermodernen Zweizylinder Viertakt-ohc-Motor wie ein Fahrzeug aus einer anderen und neuen Welt. "Das war mein erstes richtiges großes Motorrad!", stellt Kamradt heute rückblickend nicht zum ersten Mal fest. Im Grunde nutzte Kamradt diese Maschine als reines Freizeitvergnügen. Während die Honda in der Woche über bei seinem Freund Hubert Daniel in einem Schuppen in Berzdorf parkte, fuhr Kamradt mit einer Hercules K 100 regelmäßig Brötchenholen. Die Hercules wurde fast ausschließlich mit Restbenzin und mit Altöl aus der Werkstatt betrieben. Nachdem das Benzin "gesiebt" und Öl in der passenden Menge etwa "aus dem Getriebe einer Yamaha" beigemischt worden war, konnte es problemlos von der Hercules verwertet werden.

Mit der Honda fuhr er in knapp zwei Jahren über 50.000 km, bis sie in dem Schuppen seines Freundes eines schönen Tages verbrannte.
Weitere Touren führten ihn mit der Honda oft ins benachbarte Ausland. 1968 fuhr er mit Freunden zur Insel Man, um den TT-Races beizuwohnen. Auf dem Rückweg tourte man noch eine Woche durch England bzw. über die britische Hauptinsel.




Perscheids neue Werkstatt im Gewerbegebiet Berzdorf bot ideale Arbeitsbedingungen.
Heute wird der Standort von Perscheids Sohn Christoph betrieben


Das Team Perscheid vor einem Eingang zum neuen Betriebsgebäude in Berzdorf ca. 1976

Hans Perscheid hatte sein Unternehmen gut aufgestellt und eingerichtet. Die Werkstatt verfügte sogar über eine eigene Zylinderbohrmaschine, die es nicht mehr erforderlich machte, Zylinder zum Überholen an einen Subunternehmer weiterzugeben. Die Qualität dieser Arbeiten lag somit vollumfänglich in den eigenen Händen und Wolfgang Kamradt war es, der für die Qualität verantwortlich war, sowohl bei der Ablauforganisation als auch bei der Prüfung der Ergebnisse. Hans Perscheid machte in den "ruhigen Wintermonaten" Sonderangebote für Motorüberholungen, damit im Frühjahr mit frischer Kraft in die neue Motorradsaison gestartet werden konnte. Solche Angebote sorgten für eine Auslastung der betrieblichen Kapazitäten und waren für die Rentabilität des Unternehmens wichtig. Die Qualität und die Preise des Zylinderbohrens und Schleifens machten rasch die Runde und wussten fachkundige und zugleich kritisches Klientel zu überzeugen. So zählten bald viele andere Motorradwerkstätten zu Perscheids Kunden, wenn es um die Überholung der Zylinder ging.

Die ganze Geschichte seines Unternehmens schildert Hans Perscheid selbst hier. Wolfgang Kamradt hatte davon dreiundzwanzig Jahre aktiv miterlebt. Wir wollen diese deshalb an dieser Stelle nicht wiederholen.

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Swisttal, im Dezember 2012

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Archiv Wolfgang Kamradt und Hans Peter Schneider

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