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Kleine Schlepper sind Zeugen einer vergangenen Epoche

Oldtimerfahrzeuge – so sagt man – sind historische Zeugen. Einen historischen Bezug lässt sich schon herstellen, wenn Fahrzeuge sich einer bestimmten Zeit mit ihren typischen Zeiterscheinungen zuordnen lassen. Ganz besonders interessant wird der historische Bezug wenn sich zusätzlich auch noch Zusammenhänge zu bestimmten sozialen Gruppen und/oder Regionen in der Landschaft erkennen lassen.

Der westlich von Bonn beginnende und sich ca. 50 km nach NNW erstreckende Höhenzug der Ville bietet uns hier eine hochinteressante Beobachtungsmöglichkeit: Nur der Osthang der Ville trägt den Namen Vorgebirge (... mehr zur Namensentstehung). Es fällt auf, dass dieser Osthang sehr viel dichter besiedelt ist als der Westhang oder die Hochfläche der Ville. Die Gründe hierfür stehen teilweise in einem Zusammenhang mit der Art der später hier zu findenden Ackerschlepper. Man muss sich nur die Mühe machen, allen Kausalitäten und Zusammenhängen auf den Grund zu gehen. So findet sich alles menschliche Handeln und Verhalten zunächst in einer ursprünglichen Abhängigkeit von der Natur und den Bedingungen, die sie dem Menschen zum Leben setzt. Im Vorgebirge sind es einerseits ideale Bedingungen für die Landwirtschaft, die sich sowohl aus der Qualität des Bodens als auch aus einem im Verhältnis zur Umgebung klimatischen Vorteil ergibt(... mehr zur Vorgebirgsnatur).

Als weiterer wichtiger ökonomischer und soziokultureller Entwicklungsfaktor sind die Grundbesitzverhältnisse und die über Jahrhunderte praktizierten Erbsitten zu beachten. Hier war es vor allen Dingen die Realteilungssitte, wonach die Erbmasse zu gleichen Teilen auf alle Erben verteilt wurde. Diese führte zu kleinen Ackerflächen und damit zur Notwendigkeit, die Landwirschaft intensiv zu betreiben, damit die relativ kleinen Flächen den Eigentümerfamilien Unterhalt bieten konnten(... mehr zu Grundbesitz und Erbsitten). Dieses war hinwiederum nur möglich, da die natürlichen Bedingungen für die intensive Bewirtschaftung nahezu ideal waren.


Köln um 1900, Vorgebirgsbauern bieten feil
Foto aus: Kreis-Obst und Gemüseversteigerung „Vorgebirge“ e.G.m.b.H. Roisdorf: Das fruchtbare Vorgebirge. Düren 1970

Der ertragreiche Weinbau des Vorgebirges wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jh. vom Gemüsebau abgelöst. Insbesondere Köln, aber auch Bonn nahm mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die Zahl der Einwohner sehr rasch zu und es entstanden Märkte für frisches Gemüse und Obst. Zudem hatte inzwischen der Bau der Eisenbahn es ermöglicht, dass qualitativ besserer Wein aus dem sonnigeren Süden im Rheinland zu erschwinglichen Preisen erworben werden konnte. Als schließlich zwischen 1863 und 1878 die aus Amerika eingeschleppte Reblaus den gesamten europäischen Weinbau quasi vernichtet hatte, wurden im Vorgebirge nur noch wenige Flächen neu mit Wein bepflanzt. Die Erträge hieraus waren schließlich so gering, dass der Weinbau nur wenige Jahrzehnte später gänzlich verschwand, in Roisdorf war die letzte Weinlese des kommerziellen Anbaus im Jahre 1912.

Die Bahnstrecke über Bonn nach Köln und der Haltepunkt in Roisdorf bewirkte, dass sich dort in den 1920er Jahren eine Obst- und Gemüseversteigerung gründete, die in den 1960er Jahren schon zur größten Deutschlands gehörte.

Ende der Tradition der Nebenerwerbslandwirtschaft und der Wandel des Landschafts- und Siedlungsbildes

Der Blick in die Geschichte zeigt, dass also bereits vor Napoleon das Vorgebirge von einer Art Nebenerwerbslandwirtschaft geprägt war, indem viele Tagelöhner sich ihren Haupterwerb beim Halfen (... mehr zum Begriff Halfen) verdienten.

Eine erneute Ausprägung erhielt die Nebenerwerbslandwirtschaft mit der Industrialisierung indem viele kleine Vorgebirgsbauern ihren Haupterwerb in Fabriken oder bei der Bahn fanden, dort gerne im Schichtdienst arbeiteten um noch einen Teil des hellichten Tages im eigenen Gartenbaubetrieb wirtschaften zu können, wo die Ehefrau ohnehin den ganzen Tag über schon beschäftigt war.


Abbildung 2: Versteigerung Roisdorf um 1920
Foto aus: Kreis-Obst und Gemüseversteigerung „Vorgebirge“ e.G.m.b.H. Roisdorf: A.a.O.

Feldarbeit in Bornheim im Jahre 1954. Auf vielen Äckern kommt immer noch – wie schon vor 4.000 Jahren - ausschließlich Muskelkraft zum Einsatz. Noch bis in die 1960er Jahre sind Ackerpferde regelmäßig zu finden. Die meisten Pferde werden jedoch im Lauf der 1950er Jahre durch Traktoren ersetzt.
Foto: Stadtarchiv Bornheim




 Versteigerung Roisdorf 1969
Foto aus: Kreis-Obst und Gemüseversteigerung „Vorgebirge“ e.G.m.b.H. Roisdorf: A.a.O.

Ab den 1980er Jahren werden rentable Erträge im Gemüsebau nur noch über die effiziente Produktion und die Vermarktung großer Massen bewirkt.

Als Ursachen ist hier Vermarktungssituation der Vorgebirgsbauern anzuführen, indem die Anzahl der Händler, die heute etwa beim Centralmarkt Roisdorf die Produkte der Bauern aufkauft nur einen geringen Bruchteil von denen ausmacht, die 1970 noch Produkte ersteigerten. Die wenigen verbliebenen Händler gehören teilweise großen Einkaufsketten an, die – wie mir ein Bauer in den 1980er Jahren schon entsetzt erzählte - „den Verkaufsprospekt schon mit niedrigen Preisangabenen dann der Druckerei in Druck geben, wenn die angebotenen Produkte noch gar nicht vom Erzeuger gekauft wurden“.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in vielen traditionell bäuerlichen Familien die Landwirtschaft seit den 1980er Jahren eingestellt bzw. nicht mehr fortgesetzt wird. Geld lässt sich unter angenehmeren Bedingungen auch anderweitig verdienen. Zudem sind wegen der Nähe der Arbeitszentren Köln, Brühl, Wesseling und Bonn im Vorgebirge Baugrundstücke gesucht und deshalb gut bezahlt. Die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe im vor 50 Jahren noch so bäuerlich geprägten Brenig lässt sich im Jahre 2006 an nur 2 Händen abzählen.

Das Vorgebirge ist heute keine Bauernlandschaft mehr. Zwar lassen sich die Grundformen der in der Regel schon im 7. und 8. Jahrhundert angelegten Dörfer noch erkennen, die historischen Dorfkerne sind noch von vielen alten Bauernhöfen geprägt und auch um die Dörfer herum finden sich noch viele bewirtschaftete Äcker, weniger optimale Ackerflächen werden jedoch zunehmend brach oder als Weiden für Freizeitpferde genutzt. Das Vorgebirge befindet sich heute in einem Prozess, den die Geographen Suburbanisierung nennen. Funktional ist das Vorgebirge heute mehr denn je mit den Kernstädten Köln, Bonn, Brühl und Wesseling verbunden. Vom Vorgebirge aus pendelt heute der größte Teil der Einwohner in diese Kernstädte zum Broterwerb. Die urspünglich landwirtschaftliche Funktion des Raumes tritt immer mehr zu Gunsten einer reinen Wohnfunktion zurück. Die Landwirtschaft dominiert noch das Landschaftsbild, im Siedlungsbild ist sie indessen sehr gut sichtbar auf dem Rückzug. Der ehemals landwirtschaftlich genutzte und geprägte Raum wird zunehmend zersiedelt und droht seinen ursprünglichen Charakter zu verlieren, denn reine Wohnstädte in Flensburg sind kaum noch von solchen um Dortmund oder um Stuttgart herum zu unterscheiden.




Kleinanlieferer, die 1969 selbst mit Handwagen oder Holderkarre durch die „Versteigerungs-Uhr“ in Roisdorf fuhren.
Foto aus: Kreis-Obst und Gemüseversteigerung „Vorgebirge“ e.G.m.b.H. Roisdorf: Das fruchtbare Vorgebirge. A.a.O.

Spurensuche

Sucht man heute nach den Merkmalen von diesen Lebensverhältnissen, die das Land und die Leute des Vorgebirges über Jahrhunderte hinweg prägten, dann muss man schon ganz genau hinschauen:

Seit den 1970er Jahren verschwinden die kleinen anderthalbgeschossigen Tagelöhnerhäuschen aus Fachwerk mehr und mehr, da die Vorstellung von modernem Wohnen sich für viele nicht mit diesen vereinbaren lässt.

Glücklicherweise haben sich in der 1980er und 1990er Jahren viele junge Leute gefunden, die zumindest in den größeren alten Fachwerk-Bauernhäusern leben möchten und haben sich diese mit viel Geld und noch mehr Mühe und Liebe so hergerichtet, dass der ursprüngliche Charakter zu mindest nach außen hin erhalten blieb. Wir sollen diesen Leuten dankbar sein, die damit nicht nur ein Stück der Geschichte konservieren. Sie geben zugleich den vielen Neubürgern im Vorgebirge die Möglichkeit, in dem Dorf in das sie gezogen sind, charakteristische und historisch gewachsene Architektur zu erkennen und sich mit ihrem neuen „Heimatort“ in einer Weise zu identifizieren wie dieses mit dem modernen Wohnungsbau in Neubaugebieten oder mit „städtebaulichen Akzenten“, die in historisch gewachsenen Dörfern ohnehin nichts zu suchen haben, kaum möglich ist.

Ein weiteres Merkmal der Kulturlandschaft des Vorgebirges sind die Ackerflurflächen selbst. Bei einem Blick in die Flurkarte fällt heute noch die relativ geringe Größe und die relativ große Anzahl der einzelnen Parzellen auf. Vor den Flurbereinigungsverfahren, die in den 1960er bis Anfang der 1980er Jahre abliefen, waren diese Flächen noch erheblich kleiner. Aus der Sicht der Grundstückseigentümer, die von diesem Grundbesitz ja leben und deshalb damit wirtschaften mussten, war dieser sehr zersplittert und die einzelnen Parzellen lagen so weit in der Umgebung verstreut dass man länger zu diesen Parzellen unterwegs war als dass man darauf arbeiten musste.




Hemmerich: Pützgasse. Das bis heute erhalten gebliebene Wohnhaus des ehemaligen Kreuzhofes. Über der Hofeinfahrt ist noch ein Kreuz auf einem Wappenschild zu finden. Bis zur napolionischen Landreform gehörte der Hof dem Kreuzherren-Stift, war also in geistlicher Hand und mit einem Halfen als Pächter besetzt.


Hemmerich, nur ca. 100 Meter weiter bergabwärts: Ehemalige „Tagelöhnerhäuschen“. Derartige geschichtsträchtige Gebäude verschwinden mehr und mehr, da sie den heutigen Anforderungen an die Wohnraumgröße nicht mehr entsprechen. Größere Fachwerkhäuser finden seit den 1980er Jahren gottlob wieder Eigentümer, die darin und mit der Geschichte dieser Häuser wohnen wollen.

Allgemeiner Hinweis zu den Fotos und den Bauernhöfen:
Auch wenn die Gebäude meist aus de, 19. oder frühen 20. Jahrhundert stammen, so reichen bei vielen alten Bauernhöfen die Hofstellen, die in der Regel mit dem Gebäudegrundriss identisch sind, bis ins späte Mittelalter zurück.

Mobile Zeugen

Transportleistungen und Ackerarbeiten wurden bis Anfang der 1950er Jahre in der Regel mit Muskelleistungen erbracht, bei größeren Betrieben mit der Muskelleistung von Pferden und vereinzelt auch Eseln und Rindern und bei kleinen und Nebenerwerbsbetrieben durch menschliche Muskelleistung.

Die Schlepper, die zunächst die Pferde ersetzen sollten waren bei größeren Betrieben Traktoren mit weniger als 20 PS Leistung, in außergewöhnlich großer Relation jedoch auch Einachsschlepper, allen anderen voran Einachsschlepper der Marke Holder. Mit diesen konnte gepflügt (gebaut) und geeggt werden, es gab Spritzfässer für den Pflanzenschutz. Mit einem Karren ausgerüstet, konnten auch mit dem Einachsschlepper sämtlich Transportleistungen erbracht werden, von der Fahrt zum Acker bis hin zum Verbringen der Ernte zur „Versteigerung“ nach Roisdorf. Er hatte einen Einzylinder Zweitakt-Dieselmotor, leistete 8 bis 12 PS, war sparsam und quasi unverwüstlich.

Auch viele Haupterwerbsbetriebe begannen zunächst mit dem großen Holder Einachsschlepper, der die erste Zeit noch zusammen mit dem Pferd im Einsatz war und nicht selten kam noch ein zweiter Holder hinzu, bevor sich schließlich ein richtiger Traktor von Lanz, Fendt, Deutz, Fahr usw. angeschafft wurde.


 Walberberg, Dominikanerstraße
Innenansicht eines eines ehemaligen Bauernhofes mit Wirtschaftsgebäudeteil aus dem 19. Jahrhundert.
Im 20. Jahrhundert wurde hier Landwirtschaft überwiegend im Nebenerwerb betrieben. Der Haupterwerb der Hofbesitzer erfolgte durch einen Getränkehandel, worauf das große Schild über dem Schiebetor noch hinweist. Hinten links der zuletzt genutzte (rote) Schlepper des Hofbesitzers.

Heute wird der Hof aus Altersgründen und mangels Rentabilität nicht mehr bewirtschaftet. Der Hof selbst einschließlich dem verbliebenen Schlepper dienen heute den Hobbies bzw. dem Sammeln weiterer alter Schlepper.

Im Vordergrund
unser Schlepperfreund
Hans-Peter Schiebahn.


 Die Stammtischfreunde A-L-F-T-E-R aus Alfter widmen sich den typischen Vorgebirgsschleppern.
Hier machen sie gerade eine Rast auf ihrer gemeinsamen Fahrt zum Schlepperfest nach Kirchheim im Jahre 2005
Foto: Tobias Parkitny

Viele Nebenerwerbslandwirte begannen indessen mit den kleineren Einachschleppern von Agria oder Holder, die auch Fräse genannt wurden, von einem Benzin-Zweitaktmotor angetrieben wurden und ähnlich einsatzfähig waren wie der große Holder. Wegen des geringeren Gewichtes und Leistungen zwischen 4 und 7 PS mussten jedoch alle Zusatzgeräte eben auch kleiner ausfallen und das zu bearbeitende Grundstück sollte es sein.

In der Zeit, als die Haupterwerbsbauern vom Holder auf den Traktor umstiegen, taten dieses viele Nebenerwerbsbauern von der „Fräse“ auf den großen „Holder“. Die einmal im Unternehmen vorhandenen Holder oder Fräsen wurden jedoch nicht abgeschafft, denn je nach zu verrichtender Arbeit taten diese bessere Dienste als als die großen weniger gelenken Traktoren, etwa wenn es um Fräßarbeiten auf schlecht zugänglichen Parzellen ging.

Auch die heute noch aktiven Vollerwerbslandwirte haben nach wie vor Verwendung für die alten wendigen Einachsgeräte. Jedoch sind im Hinblick auf die geringe Gesamtzahl der Betriebe nur noch wenige im regelmäßigen professionellen Einsatz.

Freunde historischer Schlepper

Heute sind Einachsschlepper schlechthin Zeugen einer nicht mehr im vorhandenen Nebenerwerbskultur der Landwirtschaft im Vorgebirge, die dort über Jahrhunderte hinweg Bestand hatte.

Zum Glück gibt es im Vorgebirge viele Schlepperfreunde zu finden, die der Nachwelt zeigen, wie das so mit der Arbeit zum Ende der Nebenerwerbslandwirtschaft in den 1970er Jahren so war.

Wenn sie denn mit ihren alten Schleppern loslegen,
wenn die großen Einzylinder-Zweitakt-Diesel ihr Stackato donnern,
wenn die kleinen Benzin-Zweitakter mit Rauchentwicklung scheppernd zur Arbeit ziehen,
wenn die Bedienung der Fahrzeuge über merkwürdige Handgriffe, viele Hebel und lange Führungsholme erfolgt, dann können die Zuschauer wieder ein wenig Ahnung von der alten Zeit bekommen.

Die Arbeit damals war indessen alles andere als romantisch. Dafür war sie einfach zu schweißtreibend und musste bei jedem Wetter getan werden.

 


Brenig: Oldtimerveranstaltung des MVC-Brenig, unter anderem mit Traktoren.
Foto: Willi Schaub

Link
Theo Schoddel aus Lückerath bei Mechernich hat sich in einem sehr lesenswerten Aufsatz ebenfalls mit dem Thema befasst
http://www.fewo-schoddel.de




Text: Hans Peter Schneider
Fotos ohne weiteren Angaben von Hans Peter Schneider

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