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Walter Netterscheid
Moto-Cross auf höchstem Niveau


Walter Netterscheid und sein Beifahrer Jürgen Hassold im Sommer 1988 beim deutschen Weltmeisterschaftslauf in Holzgerlingen. In dem Jahr wurden die beiden Vizeweltmeister und erkämpften auch noch den Titel in der Deutschen Meisterschaft. Für Walter Netterscheid war das der vierte Deutsche Meistertitel von insgesamt sechs
Foto: Axel Koenigsbeck ©

In und um Buschhoven

Der Mann, der jeden Morgen und jeden Abend mit seinem Hund eine Runde entlang des Ortsrandes von Buschhoven und den angrenzenden Wald dreht, ist ein richtiger „Buschhovener Junge“. Er wohnt schon immer in Buschhoven, kennt deshalb alle Alteingesessenen und die Mehrzahl der Neubürger, die in den letzten vierzig Jahren wegen der Nähe zu Bonn hierhin gezogen sind und die mit dazu beitrugen, dass sich die Einwohnerzahl Buschhovens seit seiner Geburt 1953 verdreifachte. Das kam auch ihm zugute, denn einen Großteil der Häuser von Buschhoven kennt er mittlerweile auch von innen und hier insbesondere die Heizungsanlagen. Das mag damit zusammenhängen, dass seine Arbeitgeber vom Beginn seiner Berufstätigkeit an ebenfalls in Buschhoven sitzen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn viele Buschhovener ihn, den Walter Netterscheid kennen, der ggf. schnell vor Ort ist und mit der ihm eigenen Ruhe fachlich kompetent für die schon schmerzlich vermisste Wärme oder das fließende Wasser im Haus sorgt.

Die älteren Buschhovener können sich noch daran erinnern, dass Walter Netterscheid vor mehr als dreißig Jahren ein seltsames Motorrad mit Beiwagen und grobstolligen Reifen auf einem Anhänger hinter sich herzog oder später zunächst mit einem blauen und danach mit einem helleren Transport-Bus vorbei fuhr. Auf dem Bus selbst war jeweils ein im Sprung befindliches Motorradgespann abgebildet und es stand etwas von „INT. SIDE-CAR-TEAM“ zu lesen drauf. In den 1980er Jahren fand man auch hin und wieder mal etwas in den Tageszeitungen über ihn geschrieben: Etwa, dass er Deutscher Meister im Moto-Cross geworden war und das auch mehr als nur einmal. Aber das ist für die meisten Buschhovener schon zu lange her und für den Moto-Cross-Gespannsport interessieren sich nun einmal generell nicht so viele wie etwa für den Fußball.

Innerhalb der deutschen Moto-Cross-Szene war und ist Walter Netterscheid eine bekannte Persönlichkeit. Über viel Jahre mischte er beim Kampf um den Weltmeistertitel ganz entscheidend mit und war in Deutschland das Maß der Dinge schlechthin. Ein Vizeweltmeistertitel und gleich sechs Titelgewinne in der Deutschen Meisterschaft lassen erahnen, auf welch hohem Niveau Walter Netterscheid zusammen mit seinen Beifahrern und der Unterstützung der Teammitglieder und Sponsoren diese in jeder Hinsicht anspruchsvolle Motorsportart beherrschte.

Meine eigenen Gelände-Aktivitäten mit dem Motorrad waren gegenüber denen eines Walter Netterscheid absolut bedeutungslos. Allerdings erinnere ich mich noch sehr gut daran, dass in der Gespannklasse des DAMVC in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre Knübben/de Wild und Netterscheid/Overkamp ständig um die ersten Plätze rangelten und im Laufe der Zeit diese ersten Plätze immer öfter an „Netterscheid/Overkamp“ gingen. In den „Programmheften“ dieser Rennveranstaltungen las ich sodann, dass Netterscheid/Overkamp nicht weit von meinem heimatlichen Vorgebirge, sozusagen auf der anderen Seite der Ville, in Buschhoven zu Hause waren. Bei meinen wochenendlichen Moto-Cross- und Geländeübungen in der Mieler Kiesgrube, das war dort wo heute die Müllumladestation der RSAG zwischen Miel und der Kreuzung „An den vier Bänken“ zu finden ist, erschienen hin und wieder auch Leute mit Moto-Cross-Gespannen. Darunter waren öfters auch zwei junge Herren, die sich gegenseitig nur mit den Nachnamen „Netterscheid“ und „Overkamp“ ansprachen. Mir war dann sofort klar, dass das die beiden aus dem naheliegenden Buschhoven sein mussten, die bei den „Wilden“ - so wurde der DAMVC damals von meinen Clubfreunden des MSC-Dom Esch genannt – weit vorne fuhren.
In der Mieler Kiesgrube sorgten die Gespannleute stets für Abwechslung, denn mit ihren beiden Spuren waren schon nach wenigen Runden die eingefahrenen Spurrillen der Solmaschinen gnadenlos weggefräst und die Solisten mussten sich sodann auf die geänderten Streckenverhältnisse der Gespanne einstellen. Einige der Solokollegen meinten dazu: „Die mit ihren Gespannen fahren uns die ganze Bahn kaputt!“. Ich indessen nahm die neue Herausforderung der sich verändernden Bahn gerne an. Zudem sorgten die damals üblichen Zweizylinder-Viertaktmotoren im sonst üblichen Zweitaktkonzert der Solomaschinen für Abwechslung im Klangerlebnis in der Kiesgrube.

Walter Netterscheid stand damals noch am Anfang einer sehr erfolgreichen Karriere. Mit großem Interesse beobachtete ich sein Fahrkünste wenige Jahre später auch bei den OMK-Rennen, so bei meinem eigenen Club in Dom-Esch oder auch im bergischen Bielstein. Ich las in den Motorradzeitschriften die Rennberichte in denen der Mann aus Buschhoven zunehmend eine gewichtige Rolle spielte, dessen Spur ich einige Jahre zuvor mit meiner Enduro in der Mieler Kiesgrube aufnehmen musste.

Seit 1999 wohne ich selbst in Buschhoven. Dabei kam es zu der einen oder anderen Begegnung mit Walter Netterscheid: Einmal bei einem Spaziergang, als er wieder mit seinem Hund unterwegs war. Er kannte mich natürlich nicht mehr, aber ich sprach ihn auf den Moto-Cross-Sport an, was dann interessanter Gesprächsstoff für einen Kilometer gemeinsamer Wegstrecke war. Damals hatte ich die Sache mit der Homepage für den MVC Brenig noch nicht angefangen, sonst hätte ich von mir aus nochmals nachgelegt. Was mir jedoch gut in Erinnerung blieb, war, dass Walter Netterscheid ein Mann der ruhigen Töne ist, der das, was er kann, überhaupt nicht groß heraushängt, der auch nicht eingebildet ist und deshalb schnell die Sympathien der Menschen um sich herum gewinnen kann. Er ist jemand, der genau zuhört und genau hinschaut, die Dinge dabei präzise analysiert und sein weiteres Handeln danach ausrichtet. Auch das ist eine der Voraussetzungen, um sowohl im Motorsport als auch im Monteursberuf erfolgreich sein zu können.

Im Oktober 2010 fragte ich Walter Netterscheid dann endlich, ob er denn mit einem Portrait auf dieser Homepage einverstanden sei - und er stimmte zu.


Walter Netterscheid im Oktober 2010 mit Hund Ayk vor seinem Haus


Alteingesessene Buschhovener: Walter Netterscheid mit Hund und im Gespräch mit Heinrich Scheben


Buschhovens Wahrzeichen ist die Wallfahrtskirche


In den 1980er Jahren fiel vielen Buschhovener nur Walter Netterscheids Transporter mit seiner ungewöhnlichen Beschriftung auf. Dieses Foto entstand 1982 auf einem Feldweg südlich von Buschhoven. Walter Netterscheid und Beifahrer Erich Mies hatten sich mit Transporter und Gespann ins Bild gebracht


Die ehemalige Kiesgrube bei Miel – unweit von Buschhoven und nur 12 km von Brenig entfernt - bot in den 1970er Jahren brauchbare Trainingsmöglichkeiten fürs Moto-Cross-Fahren

Erster Besuch

Kurz vor dem ersten Besuchstermin stellten Walter Netterscheid und ich fest, dass wir gemeinsam auf dem Weg zu seinem Haus waren. Er hatte noch schnell einen Rundgang mit seinem Hund Ayk gemacht, dabei einen der vielen ihm bekannten Buschhovener getroffen und war mit diesem noch im Gespräch, bis dass ich hinzu kam und wir sodann den Weg zu seinem Haus gemeinsam antraten.

Ja, ein Motorrad habe er noch, eine Suzuki GSX 600 F, ein Sporttourer, mit dem er hin und wieder schon mal durch die Eifel fahre.

Und schon erreichten wir sein Haus. Dort wurde ich von seiner Frau Angelika freundlich empfangen. Und auf meine Frage hin erfuhr ich schon bald, dass sie die Zeit, als er noch aktiv Moto-Cross fuhr und eigentlich für andere Dinge kaum noch Zeit hatte, dieses mitgetragen habe und zu fast allen Rennen mitgefahren sei. Ein nicht selbstverständliches Glück, dachte ich mir, was da dem Walter Netterscheid zuteil geworden ist und freute mich darüber für die beiden.


Die erste, die Walter Netterscheid 1988 zum vierten Titelgewinn in der Deutsche Meisterschaft gratulierte, war sein Frau Angelika. Sie war bei fast allen Rennen dabei

Fotos waren schon bereit gelegt , zu denen mir die beiden gemeinsam Auskünfte geben konnten. Ich hatte eine Reihe Fragen vorbereitet, die Walter Netterscheid mir bereitwillig beantwortete und ich zeichnete seine Antworten alle sorgsam auf.

Weitere Besuche und Gespräche folgten, weitere Fotos tauchten auf und schließlich setzten wir uns auch noch mit Agnes und Hubert Overkamp zusammen, um gemeinsam in deren Erinnerungen und letztendlich fast 1.000 alten Fotos zu graben.


Die Netterscheids erinnern sich beide
noch gut und gerne an die Moto-Cross-
Zeit zurück. Angelika Netterscheid
hatte die Moto-Cross-Zeit ihres Mannes
vollumfänglich mitgetragen





Die Fotos sind
durch Copyright
geschützt


Natürlich musste beim ersten Besuch auch ein Pokal hervorgeholt werden: Es war der für den Vizeweltmeistertitel 1988


Gemeinsam mit Agnes und Hubert Overkamp wurde noch tiefer in den alten Fotos und Erinnerungen gegraben


Seit der Teamarbeit auf dem Renngespann sind Hubert Overkamp und Walter Netterscheid dicke Freunde


Beim Sortieren der alten Geschichten waren die Aufzeichnungen und die Fotoalben überaus hilfreich, die Agnes Overkamp vor über dreißig Jahren angelegt hatte

Dank an alle Fotografen

Die meisten der hier abgebildeten Fotos stammen aus den privaten Sammlungen von Walter Netterscheid und von Agnes Overkamp. Sehr viele dieser Fotos wurden den beiden geschenkt, ohne dass heute noch nachvollzogen werden kann, wer der Fotograf war. Auf einigen Fotos sind die Namen von Fotografen zu finden, die sich heute – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr erreichen lassen.

An dieser Stelle sei allen bekannten und unbekannten Fotografen ausdrücklich gedankt. Die bekannten Fotografen seien außer in den Bilduntertiteln nachfolgend besonders genannt:

  • Andreas Brünagel, Buschhoven

  • Dr. Axel Koenigsbeck, Wuppertal

  • Lena Montenarh, Buschhoven

  • Agnes Overkamp, Buschhoven

  • Brigitte Zabel, Wiesenburg/Mark-Reetz



Alle Fotos sind durch Copyright geschützt

Mehr als gedacht

Aus all meinen Aufzeichnungen habe ich nachfolgend versucht, am Beispiel der Geschichte von Walter Netterscheid diese Art des Motorsports auch für solche Leser zu erschließen, die damit bisher noch nicht so sehr viel anfangen konnten. Es ist eine Geschichte voller Begeisterung für diesen Sport, von fast grenzenlosem Idealismus, von Hingabe und Entbehrungen, von Glücksmomenten und Grenzerfahrungen, von Schmerzen, von Teamarbeit und vom Aufhören.

Was daraus erwuchs, ist eine sehr viel umfangreichere Geschichte, als ich das bei meinem ersten Besuch ahnen konnte. Der Grund hierfür sind die Offenheit, die Geduld und die vielen Stunden, die mir Walter Netterscheid, aber auch seine Frau Angelika sowie Agnes und Hubert Overkamp entgegenbrachten, indem sie mir ihre Geschichten erzählten und ca. 1.000 Fotos zur Verfügung stellten, von denen ich ca. 450 für dieses Portrait verwendete.

Vielen Dank
Walter, Angelika, Hubert und Agnes

Swisttal, im Januar 2011


Hans Peter Schneider


Mit einem Navigator“ durch die Geschichte

habe ich versucht, etwas Struktur in das Thema zu bringen, damit auch diejenigen, die nicht alles auf einmal von Anbeginn an bis zum Ende lesen wollen, einen Zugang finden.

Auf der Navigator-Seite findet sich auch eine tabellarische Übersicht über seinen Weg durch die Meisterschaften.


Zum Navigator durch die Geschichte


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