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Mit der Szene zum Spitzenfahrer gewachsen Spezialrahmen für Motocross-Gespanne Motocross mit Gespannen wurde gegen Ende der 1960er Jahre in Europa immer populärer, wenngleich in Deutschland allerdings doch noch relativ spät. In England, Frankreich, der Schweiz und den Niederlanden war man Ende der 1960er Jahre schon sehr viel weiter. Dank der dort gewachsenen Popularität des Motocross-Sportes schlechthin einschließlich der des Gespann-Crosses hatten sich inzwischen mehrere kleine Hersteller gefunden, die sich auf die vornehmlich manuelle Produktion spezieller Fahrwerke für Motocross-Gespanne konzentrierten. Dieses war möglich, weil inzwischen in der Szene ein Markt hierfür erwachsen war, der solche Spezialunternehmen existieren ließ. Bei den speziellen Cross-Gespannen handelte es sich nicht mehr um Solomotorräder mit angebauten Seitenwagen, sondern um Spezialgespanne mit Komplettrahmen, bei denen Motorrad und Beiwagen aus einem einzigen Rahmen bestanden. Alle Bauteile konnte auf diese Weise optimal aufeinander abgestimmt werden und es war der Einsatz hochfester und dafür dünnerer und leichterer Rahmenrohre möglich. Obwohl solche Gespann fahrfertig bis zu 50 kg weniger Gewicht aufbrachten waren sie dennoch stabiler als die bisherigen Eigenbaukonstruktionen und wiesen darüber damit schon in der Regel deutlich bessere Fahreigenschaften auf. Insgesamt erreichten die Gespanne damit in Qualität und Leistungsfähigkeit ein Niveau an das die bisherigen Eigenbaukonstruktionen bald jeglichen Anschluss verloren. Mit dem Beginn der 1970er Jahre verschwanden die Eigenbauten mehr und mehr aus der Cross-Gespann-Szene. Wer in einem hochkarätigen Wettbewerb siegen wollte, war auf die Verwendung eines Spezialrahmens angewiesen. Die Spezialrahmenhersteller waren und sind durchweg kleine und in der Regel von einzelnen Personen geführte Unternehmen. Das mag auch einer der Gründe dafür sein, dass viele dieser Unternehmen aus der Anfangszeit heute schon nicht mehr existieren, wie etwa die Hersteller SPP aus Frankreich, Saki aus England und HEOS aus Deutschand, Ostbevern. Mit regelmäßigen beachtlichen Erfolgen machten schon sehr früh die Spezial-Rahmen des britischen Herstellers Wasp auf sich aufmerksam. Dessen Produkte hatten Ende der 1960er Jahre von den britischen Inseln den Weg auf den Kontinent gefunden, zuerst in den Niederlanden. Die Erfolge dieser Fahrwerkskonstruktionen im Renneinsatz sorgten rasch auch für den wirtschaftlichen Erfolg. Der grandiose Techniker und Kaufmann Rob Rhind-Tutt hatte zunächst Rahmen für Solo-Gelände-, Trial- und -Motocross-Maschinen gebaut, erkannte jedoch schon in den späten 1960er Jahren sein Potenzial mit dem Bau von schnellen Spezialrahmen für den Seitenwagen-Einsatz im Geländesport, Grasbahn und Motocross. Die Kassen klingelten bei Wasp und das Unternehmen wuchs mit der Nachfrage auf dem Markt. Anfang der 1970er Jahre genossen die Wasp-Fahrwerke auch in Deutschland bereits einen hervorragenden Ruf, der 1971 mit dem Gewinn der von der FIM ausgeschriebenen Europameisterschaft im Gespann-Cross gekrönt wurde. In seiner 50-jährigen Geschichte hatte Wasp nach eigenem Bekunden mehr als 5.000 Motorrad-Rahmen gebaut und verkauft. An Motoren wurden nach wie vor große Viertakter von Straßenmaschinen getunt und eingebaut. In der Regel war das Zweizylinder-Motoren mit Hubräumen zwischen 650 und später bis zu 1.000 ccm. Spezielle Motocross-Motoren hielten in großem Rahmen erst Einzug, ausgelöst von Walter Netterscheid mit dem Umstieg auf leichte Zweitaktmotoren ab 1985, die entweder aus Motocross-Solomaschinen stammten oder aus solchen Motoren weiterentwickelt wurden. Natürlich hatte so ein Spezialrahmen oder gar auch so ein Komplettgespann mit Spezialrahmen und neuem getunten Motor auch seinen Preis. Anfang der 1970er Jahre waren dafür mindestens 10.000 DM zu berappen. Ein neuer VW-Käfer kostete in der Zeit etwa 6.000 DM. Dass so hohe Kosten nicht gescheut wurden, zeugt von der großen Begeisterung der Gespann-Crossfahrer für ihren Sport. Konrad Knübben war 1970 der ersten Wasp-Fahrer in Deutschland „Wenn der Knübben sonntags zum Rennen antrat, dann sah dessen Motorrad immer so neu aus, wie aus dem Ei gepellt. Vermutlich legte dafür nach dem Rennen die ganze Familie Hand an. Die Technik war ausnahmslos top, auch wenn sie viel Geld gekostet hatte!“, erinnert sich heute noch Andreas Brünagel, der als Freund von Kübbens Wettbewerber Heinz Montenarh die damalige Szene genau im Blick hatte. „Ja“, erzählte mir Konrad Knübbens Sohn Jürgen, „meine gute Mutter, meine Geschwister und ich, wir brachten das Motorrad nach jedem Renneinsatz wieder auf Hochglanz“. In seinem kompromisslosen Streben zum Spitzenplatz war Konrad Knübben schon 1969 mit seiner Lösung aus Rickman-Solomotorrad und Eigenbau-Seitenwagen unzufrieden. In den Niederlanden und in Belgien, wo der Motocross-Sport schon immer mehr Popularität genoss als in Deutschland, gab es 1969 bereits einige Fahrer, die den Wasp-Rahmen erfolgreich einsetzten. Konrad Knübben hatte diese sehr aufmerksam beobachtet und erkannt, wie schnell und offenbar auch leicht damit im Gelände zu fahren war. Im nachfolgenden Winter ging er deshalb schließlich der Sache mit dem Wasp-Rahmen intensiver nach. Zum Jahreswechsel 1969 auf 1970 bot der Belgier Leo Likens sein Wasp-Gespann zum Verkauf an, das er zuvor sehr erfolgreich eingesetzt hatte. Angetrieben wurde das Gespann von einem getunten Norton Commando-Motor mit 750 ccm. Vorne führte eine von Wasp selbst gefertigte und auch sehr schön anzusehende Schwingengabel das Gespann und überhaupt waren die vernickelten hochfesten Chrom-Molybdän-Rohre des hartgelöteten Rahmens beeindruckend, ja fast betörend anzuschauen. Sehr viel wichtiger aber war die Probefahrt. Konrad Knübben machte dabei eine Erfahrung, die er bis dahin nicht für möglich gehalten hatte: „Das Gespann fuhr so leicht, dass ich zunächst meinte, ich würde damit umkippen. Aber es kippte nicht und ließ sich spielerisch lenken. Ohne Beifahrer war es jedoch nicht mehr fahrbar, aber auf ein Cross-Gespann gehören ja immer Fahrer und Beifahrer“. Konrad Knübben hatte sofort verstanden: Für Spitzenplatzierungen ging 1970 an Wasp kein Weg vorbei. Er kaufte das Gespann des Belgiers Likens und wurde damit 1970 einer der ersten Gespann-Crosser in Deutschland, die auf einen Wasp-Rahmen setzten. Seine Konkurrenz auf den Crosspisten in Deutschland beobachtete ihn dabei genauestens, sah seine ständigen Rennerfolge und zog bald mit dem Kauf von Wasp-Rahmen nach. Zu der Zeit hatte Knübben schon intensive Beziehungen zu Otto Hermeling in Freilingen, den die Knübbens immer den „Otto aus der Eifel“ nannten. Hermeling befasste sich mit Motorradgespannen für den Straßenbetrieb, optimierte die Rahmen, verkaufte Spezialteile, die er selbst importierte oder auch baute, nahm Umbauten vor. Die Entwicklung des Gespann-Crosses hatte Hermeling von Anbeginn an verfolgt und bot auch für den Gelände- und Motocross-Einsatz von Gespannen spezielle Technik an. 1967 hatte er Konrad Knübben bereits mit einer optimierten Schwingengabel helfen können. Jetzt, als Knübben einen Rahmen von Wasp im Motocross-Einsatz fuhr, und das erfolgreich, weckte das auch sein besonderes Interesse. Er erkannte darin eine Marktlücke für Deutschland, die er als Importeur von Wasp-Produkten kurze Zeit später schließen konnte. Auch Knübbens Konkurrenz blieb die Leistungsfähigkeit der Wasp-Rahmen nicht verborgen und die wandten sich sodann an Otto Hermeling. Konrad Knübben war in gewisser Weise der Auslöser für Hermelings Wasp-Aktivitäten. Schließlich nahm Otto Hermeling selbst auch aktiv am Gespann-Crosssport teil, wenn auch nicht so erfolgreich wie das fahrerische Supertalent Konrad Knübben. Letzterer gewann 1970 mit seiner Norton-Wasp erneut die DAMCV-Meisterschaft. 1971 hatte Konrad
Knübben einige Ausfälle wegen kleiner technischer
Defekte und gesundheitlichen Problemen. Deshalb erreichte er
lediglich den fünften Platz in einem Feld starken
Wettbewerber. In der 1982 erschienenen Festschrift zu 25 Jahre DAMCV wird Konrad Knübben gar mit 30 Punkten als der erfolgreichste DAMCV-Fahrer geehrt, noch vor dem mit 21 Punkten zweitplatzierten Toni Luysberg aus Kleinhau, der darüber hinaus sich inzwischen als Funktionär und Organisator von Rennveranstaltungen hohe Verdienste für den Motocross-Sport erworben hat. Keine OMK-Lizenz wegen Handikap Konrad Knübbens
schwere Erkrankung von 1965 und 1966 hatte bleibende Folgen
hinterlassen: Im Grunde genommen sind seine Daumen bis heute
gelähmt und deshalb mehr hinderlich als zu gebrauchen.
Konrad Knübben hatte sich jedoch arrangiert und mit dieser
Behinderung umzugehen gelernt. Beim Motocross benötigte er
die Kupplung nur zum Starten; beim Fahrbetrieb wurde stets
problemlos ohne Kupplung geschaltet. Auch das gleichzeitige
Bedienen von Gasgriff und Vorderradbremse in holperigen Kurven
hatte Knübben mit seinen vier Fingern ohne die Hilfe des
Daumens gut im Griff. Spätestens seit dem Gewinn der
DAMCV-Meisterschaft 1968 fühlte er sich deshalb wieder
„fit“. Ein ernsthaftes Problem beim Motocrossfahren
sah Konrad Knübben im Weiteren für sich nicht mehr.
Somit wurde also nichts aus OMK und FIM. Weil man bei DAMCV und IMBA dagegen kein Problem in Knübbens Behinderung sah, war klar, wohin im Weiteren an jedem Wochenende zwischen März und November die Reisen des Teams Knübben führten. Trotzdem Europameister 1974 Nach einem vierten Platz bei der IMBA-Europameisterschaft 1973 war es für Konrad Knübben im Folgejahr schließlich so weit. Mit seinem belgischen Beifahrer Philemon Paradaens wurde er 1974 auf Norton Wasp Europameister. Bis heute ist er der einzige Deutsche, der in dieser hochkarätigen Rennserie der Meisterschaftssieger war. Um so beachtlicher ist dieser Erfolg, dass er ihn trotz seines im wahrsten Wortsinn bestehenden Handikaps einfahren konnte. Der Gewinn der Europameisterschaft war der größte Erfolg in Konrad Knübbens motorsportlichen Karriere. Sein Bruder Heinrich meinte dazu, dass „der Kunnes auch noch öfter hätte Europameister werden können, wenn die Beifahrer das mitgemacht hätten“. Bekanntermaßen ist der Beitrag des Beifahrers am Erfolg im Gespann-Motocross sehr erheblich und die körperlichen und fahrerischen Anforderungen sind entsprechend hoch.
Im DAMCV war Konrad Knübben für die Gespanncrosser von Mitte der 1960er bis Anfang der 1980er Jahre das Maß der Dinge. Der erste ernst zu nehmende Gegner wuchs ihm erst mit Walter Netterscheid heran, der 1976 bei der DAMCV-Meisterschaft durchstartete und Mitte der 1980er Jahren zu einem der erfolgreichsten deutschen Motocross-Gespannfahrer werden sollte. „Der Konrad Knübben fuhr anfangs in einer ganz anderen Liga als wir, da war gar kein Denken dran, den einmal zu überholen. Der konnte richtig gut fahren und der tat es auch“, so Walter Netterscheid rückblickend. Und Netterscheids ehemaliger Beifahrer Hubert Overkamp: „Wenn der Konrad Knübben Erwin-Mundt-Federbeine an seinem Gespann verbaut hatte, dann wussten wir, dass die gut waren und es sich für uns ebenfalls lohnen sollte, und wir bauten ebenfalls Mundt-Federbeine ein“. Ich selbst erinnere mich noch heute an die hochspannenden Duelle zwischen Knübben/de Wild und Netterscheid/Overkamp in den Jahren 1977 und 1978, bei denen sich die beiden Teams am Rennende vom übrigen Fahrerfeld regelmäßig überdeutlich abgesetzt hatten. „Das war kein leichtes Spiel und man durfte sich gegenüber dem Konrad keinen Fehler erlauben“, so Walter Netterscheid. 1977 hatte Konrad Knübben zum neunten Mal in Folge die DAMCV-Meisteschaft gewonnen. 1978 sorgten Netterscheid/Overkamp für ein Ende dieser Siegesserie. Wenngleich Konrad Knübben in den Folgejahren weiterhin regelmäßig Spitzenplätze bei wichtigen nationalen und internationalen Rennen belegte. Heinrich Knübben berichtete mir lachend von der Fete beim Weltmeister 2014, dem Belgier Etienne Bax und dessen lettischen Beifahrer Kaspars Stupelis: Die Knübbens saßen dort mit den Motocross-Größen Jan Hendrickx, Benny Janssen und Vielfachweltmeister Daniel Willemsen zusammensaßen. Da wurde Konrad Knübben auf seine Behinderung hin angesprochen: „ Guck dir nur die krummen Hände an! Bist du krank?“. Darauf Knübben kurz: „Die hab ich schon immer!“ und dann meldete sich einer der Älteren: „Wenn der Knübben auf der Strecke hinter dir war und du machtest einmal das Gas zu, dann war der schon vorbei“.
Konrad Knübbens Fahrstil war superschnell aber nicht sehr spektakulär, er driftetet nur so viel wie nötig und auch das Hinterrad ließ er nicht unnötig durchdrehen. Dafür war seine Idealline auch wirklich ideal und er hatte beim Fahren im Grenzbereich sehr viel Gefühl fürs Motorrad und die Streckenverhältnisse. Die Kurven nahm er deshalb stets mit einem ganz charakteristischen sagenhaft schnellen und zugleich eleganten Schwung. Der Norton-Motor mit seinem weicheren Charakter und dem hohen Drehmoment schon bei niedrigen Drehzahlen passte hervorragend zu seinem weichen Fahrstil. Aber die Entwicklung blieb auch im Gespann-Cross nicht stehen. Als ab 1975 den Yamaha XS 650-Motor mit seinem weniger Jahre später von Tunern auf bis zu 1.000 ccm erhöhtem Hubraum und der Mehrleistung gegenüber dem inzwischen veralteten und ausgereizten Norton Commando-Motor im Gespann-Motocross-Sport zunehmend ersetzte, musste sich auch Konrad Knübben auf diesen Motor einlassen. Der war deutlich kräftiger als der alte Norton-Motor. Als Kurzhuber drehte er für seine Höchstleistung in Drehzahlregionen, die beim Norton Motor nicht vorstellbar waren. Da die höhere Leistung zudem auch noch spontaner einsetzte, bedeutete dieses für Konrad Knübben eine grundlegende Umstellung seines Fahrstils.
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In der IMBA-Europameisterschaft wurde der 3. Platz am Ende der Saison erreicht.
Als Konrad Knübbens Sohn Jürgen 1978 mit dem Gespann-Cross begann wurden die beiden auf der Rennstrecke sehr bald zu Konkurrenten. Sogar bei den Europameisterschaftsläufen der IMBA traten sie noch gegeneinander an. Erst mit dem Wechsel Jürgen Knübbens vom DAMCV zur OMK im Jahre 1982 verzichtete Konrad Knübben mehr und mehr auf die regelmäßige Jagd nach Meisterschaftspunkten. Da hatte er schließlich auch schon ein viertel Jahrhundert lang sehr aktiv Motocross betrieben und war inzwischen 47 Jahre alt. Aber er konnte es noch lange nicht lassen. |
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Swisttal, im Dezember 2015
Text: Hans Peter
Schneider
Fotos: Archiv Konrad Knübben und Hans Peter
Schneider