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Wolfgang Kamradt - der Motorradspezialist

Besondere Erlebnisse

Einige Begegnungen auf dem Weg zum Leistungsprüfstand

Eine Verbindung zu Sepp Schlögl, Dieter Braun und Toni Mang entstand im Grunde schon vor der Zeit, als Wolfgang Kamradt Walter Sommers Rennmechaniker war. Ausgangspunkt war die Einstellung Hans Perscheids: "Wenn wir Motorräder mit vernünftiger Leistung haben wollen, dann benötigen wir einen Leistungsprüfstand!" Wolfgang Kamradt teilte diese Ansicht. Als Perscheid mit seinem Unternehmen noch in der Keldenicher Straße aktiv war, hatte er schon einen selbstgebauten Leistungsprüfstand mit Rolle fürs Hinterrad im Einsatz, der nach dem Prinzip der Zahnrad-Ölpumpe funktionierte. Der zu messende Motor trieb dazu eine Zahnrad-Ölpumpe an. Der Prüfstand war damit in der Lage, Leistungen bis zu 15 PS zu messen. Für die verkauften 125er Maicos und andere serienmäßige 125er war das gerade noch ausreichend und für die 50er sowieso. Bei leistungsstärkeren Motoren wurde allerdings das Öl zu heiß und eine Messung war nicht mehr möglich. Auf Grund der gemessenen Drehzahl der Ölpumpe und dem gemessenen Druck ließ sich sehr präzise die vom Motor entwickelte Leistung errechnen. Die Genauigkeit dieses Prüfstandes zeigte sich etwa bei den Leistungsmessungen von Mofamotoren. Wurde bei denen während der Messung das mit einer 15 Watt-Glühbirne bestückte Fahrlicht als Verbraucher eingeschaltet, fand dieses sofort Eingang in die gemessenen Leistungswerte.

Als Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre die Kunden- Motorräder aber immer leistungsstärker wurden, kam man bei Perscheid zu dem Entschluss, dass ein neuer, stärkerer Leistungsprüfstand her musste. In einer gemeinsamen Überlegung fand man heraus, dass ein Leistungsprüfstand, nach dem Funktionsprinzip der Wasserwirbelbremse ideal sein würde. Doch wo einen solchen für bezahlbares Geld finden? In der Zeitschrift Powerslide, die damals laut Kamradt ausschließlich am Kölner Hauptbahnhof zum Verkauf angeboten wurde, fand sich eine Kleinanzeige über das Angebot einer Wasserwirbelbremse. Bis zu 120 PS sollten damit gemessen werden können, Links- und Rechtslauf waren möglich und der Verkäufer saß in Düsseldorf. Das klang alles sehr brauchbar. Noch im Bahnhof suchte Kamradt eine Telefonzelle auf - Handys gab es ja noch nicht zu der Zeit - und rief beim Verkäufer an. Bei dem erfuhr er, dass die Bremse ursprünglich aus der früher in Düsseldorf ansässigen DKW-Rennabteilung stammte. Aber sie sei schon so gut wie verkauft. Interessenten aus Süddeutschland hätten sich die Bremse für einen Kauf schon reservieren lassen. Er solle am folgenden Montag nochmals anrufen, bis dahin wollten sich die Süddeutschen endgültig entschieden haben. Der Anruf am Montag stellte sodann klar, dass die Wasserwirbel-bremse von den Süddeutschen gekauft worden war. Für Perscheid war sie also durch die Lappen gegangen.

Etwa ein halbes Jahr später fand sich in der Zeitschrift Powerslide vom Wortlaut her fast das gleiche Inserat wieder. Kamradt: "Ich wusste da sofort, das muss die selbe Bremse sein, wie die vor einem halben Jahr". Der Verkäufer hatte allerdings keine Ruf- sondern eine Chiffrenummer angegeben, mit dem Hinweis "Mechaniker von Dieter Braun". Da wusste Kamradt schon, dass er in Hermaringen nur die Telefon-Nummer von Dieter Braun herausbekommen und dort anrufen musste. Die Telefonauskunft half weiter und er rief auch sogleich trotz der inzwischen spätabendlichen Stunde bei Dieter Braun an. Der erwies sich freundlich am Telefon, bestätigte den Verkauf der Wasserwirbelbremse und nannte eine Rufnummer in Inning am Ammersee, wo sich zur selben Zeit seine Mechaniker trafen. Die Person, die Kamradt anschließend unter dieser Rufnummer erreichte, war ein gewisser Anton Mang. Zusammen mit einem gewissen Sepp Schlögl war dieser Rennmechaniker bei Dieter Braun. Mang bestätigte, dass die Bremse noch zu kaufen sei, dass er - Kamradt - sich aber schnell entscheiden möge. Der Preis sollte 2.000 DM betragen. Kamrad wusste, dass dieses im Sinne Perscheids war und so endete das Telefonat mit einer Terminvereinbarung für den nachfolgenden Montag - also zwei Tage später - in Inning am Ammersee, um13:00 Uhr.

Nachfolgend war die Frage des Transportes zu lösen. Perscheid hatte zu der Zeit einen Kombi von Ford. Aber es war Winterzeit und das Auto nur mit Sommerreifen ausgerüstet. Das erschien für eine weite winterliche Tour ins gerne verschneite Bayern zu riskant. Perscheids Händler-Kollege und Freund Ulrich Siedler aus Porz fuhr damals das gleiche Auto wie Perscheid, aber mit Winterreifen. Siedler erklärte sich freundlicherweise bereit, den Ford für die Aktion auszuleihen. So startete Kamradt mit Siedlers Auto schon am Montag Morgen gegen 02:00 Uhr. Er ging dabei davon aus, dass er so einigermaßen stressfrei und pünktlich zum Termin erscheinen könne.

Doch dann kam alles ganz anders: Auf der Autbahn in Höhe von Hockenheim musste Kamradt plötzlich vom Motor her ein beängstigendes Klappern vernehmen. Sofort verlässt er die Autobahn an der nächsten Ausfahrt die nicht allzu weit war und erreichte auch bald eine Aral-Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt. Der Werkstattmeister kannte das Problem schon von anderen Ford V4-Motoren. Seine Diagnose lautete; "... gebrochene Kipphebel-Böcke ..." und " Ersatzteile gibt es frühestens morgen". Das war keine gute Nachricht für Kamradt, denn vier Stunden später sollte er doch in Inning am Ammersee zum Termin erscheinen.
Nach telefonischer Rücksprache mit Perscheid nahm Kamradt kurzerhand einen passenden Mietwagen, mit dem er tatsächlich nur wenige Minuten nach 13:00 Uhr in Inning am Ammersee eintraf. Anton Mangs Mutter öffnete ihm die Haustür und verwies ihn in unverfälschtem Bayrisch in den großen Garten des Hauses, wo ihr Sohn in einem Gartenhaus seine Werkstatt eingerichtet hatte. Als Kamradt das Gartenhaus betrat, war Anton Mang gerade mit Fräsarbeiten an einem Zylinder beschäftigt. Nach kurzer Begrüßung wurde die Wasserwirbelbremse schnell für gut befunden und sich über den Preis geeinigt. Schließlich half Toni Mang noch beim Einladen im Leihwagen und Kamradt konnte die Rückreise antreten. Die Übernachtung erfolgte in der der Nähe von Hockenheim, wo er am nachfolgenden Tag der reparierten Ford von Siedler für die Weiterfahrt zurück erhielt.

Die Wasserwirbelbremse war von Mang und Schlögl noch gar nicht aufgebaut und folglich nie genutzt worden. Mang hatte deshalb zum Aufbau und Betrieb der Bremse kaum etwas sagen können.

Dann erreichte Kamradt den Odenwald, und ihm fiel ein, dass der Ort Ursenbach nicht mehr weit war, wo Helmut Fath sein Domizil hatte. "Ich wusste, dass Helmut Fath einen Motorenprüfstand hatte, der auch mit einer Wasserwirbelbremse funktionierte", erinnert sich Kamradt. Er hatte zuvor schon von Faths Prüfstand in einer Fachzeitschrift gelesen. Für die Leistungsentwicklung des von ihm gebauten URS-Motors hatte Fath den Prüfstand benötigte. Dieser Prüfstand war mit Rädern ausgestattet, damit er zum Motortesten an einen Ort gefahren werden konnte und kein Nachbar mehr vom Motorenlärm gestört werden musste.
In Ursenbach angekommen brauchte Kamradt sich nicht lange zu Faths Haus hin durchzufragen. Schnell stand er auch schon vor der Motorsportlegende Helmut Fath. "Der sah genau so aus, wie ich ihn von den Fotos in den Zeitschriften her kannte: Anzug, Hände und Gesicht mit Öl verschmiert und die vollen Haare zerzaust". Kamradt sprach ihn auf seinen Leistungsprüfstand hin an und auf was beim Zusammenbau und beim Betrieb zu achten habe. Helmut Fath holte darauf hin weit aus und schilderte die wichtigen Dinge so ausführlich, wie Kamradt es nie erwartet hätte. Am Schluss bot Helmut Fath ihm auch noch an, bei weiteren Fragen doch einfach anzurufen. Beeindruckt von der persönlichen Begegnung mit Fath und um Einiges klüger setzte Kamradt anschließend seinen Weg nach Wesseling fort, wo er spät abends ankam.

Die Wasserwirbelbremse wurde schließlich in Perscheids Werkstatt aufgebaut. Sie funktionierte hervorragend. Kurze Zeit später nahm Kamradt seine Tätigkeit als Rennmechaniker für Walter Sommer auf. Zwangsläufig begegnete er sodann im Fahrerlager der Rennen um die verschiedensten Meisterschaften den "Mechaniker-Kollegen" Mang und Schlögl. Dabei hatte Sepp Schlögl auch mitbekommen, dass Kamradt es war, der ihnen für Perscheid die Leistungsbremse abgekauft hatte. Kamradt erfuhr von den beiden schließlich den Hintergrund für den kurzfristigen Verkauf der Bremse: Braun und sein Team mussten sparen. Schlögl, Mang und ein Alfons Zender waren damals gerade dabei, die SMZ zu entwickeln, eine von den Dreien selbst konstruierte Rennmaschine, die ein sehr ehrgeiziges Projekt darstellte. Dieter Braun sollte damit um die Weltmeisterschaft in der 250er Klasse fahren. Zu der Zeit fuhr Braun mit einer Maico noch in der 125er Klasse und mit je einer von Sepp Schlögl betreuten Yamaha in der 250er und 350er Klasse. Toni Mang war in der Zeit als Mechaniker mehr im Hintergrund tätig. Als gelernter Werkzeugmacher wollte Mang seine Stelle nicht aufgeben, um an vielen Arbeitstagen als Rennmechaniker mit zu den Rennen zu fahren. Mang sah seinen Beitrag damals mehr darin, in seiner Werkstatt bestimmte Teile zu fertigen oder herzurichten. Da die selbstgebaute SMZ mit Kolben von Maico ausgestattet werden sollte, hatte Maicos Geschäftsleitung den Dreien angeboten, gegen etwas Werbung für Maico, Kolben und Kurbelwelle gratis zu liefern und einen der werkseigenen Leistungsprüfstände für die Tests zur Verfügung zu stellen. Schlögl und Mang hatten deshalb die gekaufte Wasserwirbelbremse gar nicht erst aufgebaut. Wegen des Angebotes der Fa. Maico konnte mit dem Verkauf des Prüfstandes wieder Geld in die Kasse gespült werden.

Auf dem "neuen Prüfstand in Perscheids Werkstatt" wurde kurze Zeit später unerwartet und "en passant" Dieter Brauns 125er Renn-Maico gemessen.

Und dann erzählt Kamradt lachend, dass er im Frühjahr 2012 für Sepp Schlögls SMZ zwei Hubzapfen der Kurbelwelle angefertigt habe. Schlögl sei derzeit damit beschäftigt, die SMZ von damals wieder aufzubauen.
Die SMZ war sehr schnell. Die beste Platzierung die Dieter Braun damit bei einem WM-Lauf herausfuhr, war ein zweiter Platz auf dem Nürburgring. Wegen diverser Kinderkrankheiten dieser privaten Konstruktion kam es jedoch häufiger zu Ausfällen, sodass Braun die SMZ nicht noch in einer weiteren Saison einsetzen wollte.

Insgesamt wurden drei Exemplare der SMZ gebaut. Außer Dieter Braun fuhren auch noch Gerd Bender und Toni Mang mit einer SMZ. Mang nahm damit parallel zu seiner Mechanikertätigkeit sehr erfolgreich an den Ausweisrennen um den Juniorenpokal teil.

In der Zeitschrift Klassik Motorrad, Heft 01/2013 wird im Rahmen der Titelgeschichte sehr ausführlich über die Geschichte der SMZ berichtet.


Über die Weltmeister im Straßenrennsport erscheinen im Laufe der Zeit Bücher, so auch über Dieter Braun


Gleich mehrere Autogrammkarten Anton Mangs hängen heute in
Kamradts Büro


Anton Mang im Jahre 2008 Foto: TaylorNews


Die Eröffnungsbilanz des Zweiradhändlers Hans Perscheid vom 15.06.1957 weist unter anderem einen mit 240,00 DM bewerteten Generator auf. Hans Perscheid schreibt in seinen Erinnerungen, dass er diesen Generator zum Bau eines Leistungsprüfstandes verwenden wollte. Dieser Umstand zeigt, dass er von Anbeginn an die Verwendung eines Leistungsprüfstandes als vorteilhaft für sein Unternehmen erachtete


Der in Perscheids Werkstatt mitentwickelte Victoria Rennmotor hätte trotz seinen "nur" 50 ccm Hubraum den alten stromgeneratorbetriebenen Leistungsprüfstand schon überbeansprucht


Die Seele eines Leistungsprüfstandes ist die Wasserwirbelbremse. Im Bild eine WX-40, Bauart VEB Foto: Wikipedia


Moderner, fast handlicher und transportabler Leistungsprüfstand eines Motorradhändlers Foto:www.heimracing.eu


Bei Kamradts Wirken als Rennmechaniker für die Yamaha-Cup-Fahrer hatte Perscheid schon langjährige Erfahrungen mit dem Leistungsprüfstand gesammelt. Im Bild Kamradt zusammen mit Bernd Herrman auf einer Yamaha TZ

Tourist Trophy-Besuche

Das älteste, traditionsreichste und leider wohl auch mörderischste Motorrad-Straßenrennen ist die seit 1907 stattfindende Tourist Trophy auf der Insel Man in der Irischen See, auch "Isle of Man TT" oder nur kurz "TT" genannt. Diese Renn-Veranstaltung zieht seit jeher stets Zehntausende Besucher in ihren Bann. Nicht nur unser Club-Vorsitzender Willi Schaub gehörte über lange Jahre zu den TT-Besuchern. Auch Wolfgang Kamradt hatte diese Leidenschaft.

Link zu Video TT 2012


Kamradt mit seiner Honda CB 72 auf den britischen Inseln unterwegs. Außer der TT sollte diese auch erkundet werden. Die englischen Rinder auf der Straße reizten zum Foto


1968 Spaß am Spiel mit den Dingen am Wege. Wolfgang Kamradt zusammen mit Willi Bernartz und Dietmar Weiß


1968 auf der Isle of Man. In den Rennpausen wurde mit kleinem Gepäck die Insel erkundet. Kamrads Honda steht in der Mitte. Links eine Bekanntschaften von der Rennstrecke und rechts Fritz Stratus aus Köln


Wolfgang Kamradt parkte seine Honda CB 72 die Woche über im Bauernhof seines Freundes Hubert Daniel. Der Stall des Bauernhofes wurde im Herbst 1968 Ziel eines Brandanschlages. Von der Honda blieben anschließend nur noch traurige Reste übrig

Erstmals besuchte Kamradt 1968 zusammen mit Freunden aus Wesseling und dem MSC-Porz die Tourist Trophy. Angereist wurde, wie sich das gehört, mit dem Motorrad. Für die Rückreise nahm man sich eine ganze Woche Zeit, um die Landschaft von Wales auf dem Motorrad zu genießen.


TT-Besuche in späteren Jahren erfolgten mit der XT 500, Baujahr 1976, die Wolfgang Kamradt einst als Vorführmaschine bei Hans Perscheid gekauft hatte

Es folgten bis in die 1990er Jahre noch mehrere TT-Besuche mit dem Motorrad. Die hier gezeigten Fotos sollen einen Eindruck von diesen Reisen vermitteln. Manch anderem TT-Besucher mögen beim Betrachten der Fotos eigene Bilder wieder in Erinnerung kommen.


Manx-Cat. Eine Rasse schwanzloser Katzen ist eine der Eigenarten der Isle of Man. Klar, dass Wolfgang Kamradt als erklärter Katzenfreund auch diese Begegnung im Bild festhalten musste


1968 an einer englischen Tankstelle. Will Bernartz mit dem BMW-Gespann, dahinter Wolfgang Kamradt mit der Honda CB 72. Gepäck und Ausrüstung für 14 Tage ist dabei. An Reisegepäckkoffer fürs Motorrad war noch nicht zu denken


1968 Pause mit Blick in ein Waliser Tal mit typischer englischer Heckenlandschaft


1968 kleine Gruppe Rheinländer wird nach der Rechtskurve wieder zur richtigen Fahrbahnseite zurückfinden


1995 TT-Rennen auf Landstraßen


1995 TT-Rennzuschauer Wolfgang Kamradt liegt mittendrinnen und wartet aufs nächste Rennen in Bungalow an der höchsten Stelle der Strecke


1995 TT-Zuschauerkurve


1995 Warten auf die Fähre zu Isle of Man


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zum Besuchsbericht

Swisttal, im Dezember 2012

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Archiv Wolfgang Kamradt und Hans Peter Schneider

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