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Auf nach Holland Das vorliegende Portrait war noch nicht fertig, da schlug Walter Netterscheid mir schon vor, dass wir doch einmal gemeinsam einen Seitenwagen-Cross WM-Lauf besuchen könnten. Da ich selbst mein letztes Seitenwagen-Moto-Cross 1989 in Bielstein gesehen hatte, fand ich die Idee sehr gut und war in mehrfacher Hinsicht gespannt: Einerseits ob und wie sich dieser Sport seit 1989 verändert hatte und dann natürlich der gemeinsame Besuch einer solchen Veranstaltung zusammen mit jemandem, der in dieser Sportart Außerordentliches geleistet hatte. Wir schauten in den Veranstaltungskalender und fanden, dass das etwa zwei Stunden entfernte holländische Oss ganz gut passen würde.
Dann ist der Tag gekommen. Kurz vor acht Uhr holt Walter Netterscheid zunächst mich mit seinem Auto ab und wenig später steigen auch noch Agnes und Hubert Overkamp hinzu. Die Gebrüder Helmut und Karl-Heinz Todemann begleiten uns in einem weiteren Auto. Karl-Heinz war erst gegen vier Uhr morgens von einer Feier heimgekehrt und will die zwei Stunden Autofahrt bis Oss nutzen, seinen nur kurzen Nachtschlaf etwas zu ergänzen. In Erftstadt halten wir kurz an, um Tino Bichler, mit ihm als Beifahrer gewann Friedhelm Zabel 1975 den OMK-Pokal im Gespann-Cross - noch in unsere Fahrgemeinschaft aufzunehmen. Tino Bichler will in Oss seine Tochter Ramona treffen, die ihn auch wieder zurück nach Erftstadt bringen soll. Weil in Walter Netterscheids Auto kein Platz mehr ist, steigt Tino zu Helmut Todemann ins Auto. Später erfahren wir, dass seine Redeseligkeit ein Weiterschlafen von Karl-Heinz Todemann trotz dessen kurzer Nachtruhe unmöglich gemacht hatte. Auf dem Weg nach Oss, das in der Nähe von Nimwegen liegt, erhalte ich mehrmals von Hubert und Walter Informationen an welchen der passierten Orte unseres Weges sie früher Moto-Cross Rennen gefahren oder zum Training waren. Damals musste dazu noch der Grenzübergang passiert werden und Kontrollen waren wegen des mitgeführten Renngespanns und des Werkzeugs die Regel. Aber Europa war damals auch schon so nahe, insbesondere wenn ich alle die Namen von Holländern höre, die den beiden in Ihren Erinnerungen einfallen. Sport war schon immer völkerverbindend. Wir unterhalten uns über den achtfachen Rekordweltmeister aus Holland, Daniel Willemsen, der sich kurzfristig seinen ehemaligen Beifahrer Sven Verbrugge wieder ins Boot geholt hat. Sein ursprünglich vorgesehener Beifahrer aus Ukraine muss wohl zahlungskräftig gewesen sein, jedoch Willemsens Vorstellungen bezüglich der Fahrkunst und der Kondition soll er nicht entsprochen haben. Begeistert äußern sich Hubert und Walter, dass Verbrugge trotz seines relativ hohen Alters von 41 Jahren noch fit sei für den Platz in Willemsens Boot. Schließlich habe Willemsen der schon mehrere Beifahrer mit seiner Fahrweise noch vor Ende eines Rennlaufes „regelrecht fertig-gefahren“. Wir sprechen darüber, dass der Moto-Cross-Sport mit Gespannen in Holland heute einen sehr viel höheren Stellenwert genießt als in Deutschland. Vielleicht hängt das auch mit dem guten Abschneider der holländischen Fahrer zusammen. Aus Deutschland sind es nur noch relativ wenige Fahrer – allen voran Marko Happich - die überhaupt an diesem Sport teilnehmen und in der Weltmeisterschaft für vordere Plätze gut sind. Vor zwanzig Jahren war das noch anders. |
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Holländische Sichtweisen Als wir in Oss ankommen, stellte ich fest, dass die Rennstrecke zwischen dem eigentlichen Ort Oss und einem zum Ort gehörenden kleinen Gewerbegebiet liegt. Im Gewerbegebiet bekommen wir Besucherparkplätze zugewiesen. Der Fußweg von dort zur Rennstrecke beträgt etwa 300 Meter. An der Strecke angekommen geht es sodann bergan in Richtung Fahrerlager. Walter Netterscheid hat bis dahin schon einige alte Bekannte getroffen, die er kurz begrüßte und mit denen er einige Worte wechselte. Jetzt ruft er mich hinzu: „Das ist der Ralf Hoormann!“ . Tatsächlich, wenn ich ihn mir genau betrachte, erkenne ich einige typische Gesichtszüge wieder, die sich mir von den schon über 20 Jahre alten Fotos eingeprägt haben. Wir begrüßen uns kurz per Handschlag und wechseln einige Worte: Nein, Walters Geschichte im Internet hat er noch nicht gelesen, davon weiß er noch nichts. Aber er will dann mal bald danach schauen. Heute ist er weniger wegen des WM-Laufs für Gespanne hier als vielmehr wegen des Laufs zur Europameisterschaft für Quads. Hoormann hatte sich nach seiner Zeit im Renngespann als Quad-Sportler einen Namen gemacht. Heute will er jedoch vor allem seinem jungen ehemaligen Mechaniker beistehen, der jetzt selbst fährt und hier selbst um EM-Punkte ringt. Ich mache noch eine Foto von der kurzen Begegnung und wir gehen weiter bergan in Richtung Fahrerlager. „Bergan“ und ich wundere mich selbst darüber, so etwas wie einen Berg in Holland zu finden. Der gesamte Höhenunterschied auf dem für holländische Rennstrecken so typischen Sandkurs beträgt etwa zwanzig Meter! Dass dieses die Holländer ebenfalls sehr zu schätzen wissen, lässt der Sessellift für die neben dem Moto-Cross Gelände errichtete Skipiste erahnen. Im verschneiten Winter dürfte die wohl Scharen von Niederländern aus der Umgebung anlocken. Oben angekommen tut sich ein größerer Rundumblick auf und ich bin erstaunt, dass es in Holland möglich ist, in einem so relativ dicht besiedelten Gebiet eine permanente Moto-Cross-Strecke zu betreiben. In unseren umweltschutzbeflissenen deutschen Landen ist so etwas inzwischen schlecht vorstellbar. Im Fahrerlager Im Fahrerlager weist mich Walter darauf hin, dass die üppigen Wohnmobile, umgebauten Busse und Sattelschlepper der Fahrer den Trend der letzten Jahre repräsentieren. In den 1980er Jahren hätten vielen Teams auch noch Zelt und Anhänger ausgereicht . Die jungen Fahrer kenne er zum größten Teil nicht mehr und das Einzugsgebiet der Teilnehmer sei deutlich gewachsen, insbesondere in Richtung Osteuropa. Im Progammheft finde ich als Herkunftsländer Tschechien, Ukraine, Russland und die baltischen Staaten und zwar mit mehr Teilnehmern als aus Deutschland. „So familiär wie in den ersten Jahren der Weltmeisterschaft ist das unter diesen Verhältnissen nicht mehr möglich“, meint Walter nicht ohne Bedauern, „das Klima im Fahrerlager ist heute ein anderes als vor zwanzig Jahren. Schließlich geht es aber um einen Sport, in dem sich die Welt misst und nicht um ein Familientreffen. Das muss man einsehen aber schade ist es trotzdem“. Dennoch ist Walter Netterscheid auch mehr als siebzehn Jahre nach seinem letzten Rennen kein Unbekannter im Fahrerlager. Immer wieder trifft er alte Bekannte, freut sich über das Wiedersehen, erzählt einige Sätze und dann geht es weiter. Hubert und Agnes Overkamp geht es nicht anders; waren die beiden früher doch als Teammitglieder sehr oft dabei und im Fahrerlager fanden die Begenungen nicht nur unter den Fahrern statt. Wir schlendern vorbei an vielen High-Tech-Renngespannen, verchromt oder lackiert, mit durchweg wunderschön anzusehenden Schweißnähten, funktionaler Ästhetik pur, geeignet sowohl zum Rennenfahren als auch zum Abstellen und Sattgucken im Wohnzimmer, schraubende Mechaniker. Wir bleiben immer wieder einmal kurz stehen um ein Gespann oder ein Quad vorbeizulassen, die soeben von ihrer Trainigseinheit zurückkehren. Dann gehen unsere Blicke wieder zu den prächtig und weltmeisterlich hergerichtete Renngespannen, manche mit Viertaktmotoren von KTM, Husaberg oder Jawa oder aber auch mit Zweitaktmotoren, die meisten von Zabel und einige von MTH. Oh wie liebe ich dieses scharfe Knattern der Zweitakter aus ihren Auspuffbirnen. Die Motocross-Gespanne sind inzwischen das letzte Refugium, wo diese einfache aber sehr leistungseffiziente Zweitakttechnik eingesetzt werden darf. Wie lange noch wird es dauern, bis einige Entscheidungsträger auch für diesen Sport zum Schluss gelangen, dass man der Umwelt diese Technik nicht länger zumuten darf? Im Grunde geht es hier nur um den Sport einiger Weniger, der in absoluten Zahlen gemessen der Umwelt weder schaden noch dienen kann.
Friedhelm Zabel Hubert Overkamp raunt mir zu: „Der Friedhelm Zabel ist die gewichtigste Größe im Fahrerlager und an diesem Merkmal ist er auch optisch leicht zu erkennen“. Ja, die meisten Zweitakt-Gespanne werden von einem Zabel-Motor angetrieben. Das wäre nicht so, wenn die Zabel-Motoren nichts taugen würden. 1985 hatte Walter Netterscheid Friedhelm Zabel wohl mit auf den Geschmack gebracht und seit 1989 befindet sich Zabel mit seinen eigenen Motoren auf der Erfolgsspur. Bis heute hält er mit diesen Motoren sozusagen den Rekord: Alleine schon Daniel Willemsen (NL) bescherte Zabel als Fahrer sechs aufeinander folgende WM-Titel und insgesamt wurden bisher neun Weltmeistertitel mit Zabel-Motoren eingefahren. Noch viel wichtiger alos die zahl der WM-Titel sind die WM-Punkte, die mit Zabel-Motoren eingefahren wurden; sind sie doch ein Merkmal auch dafür, dass diese Motoren sich gut verkaufen lassen und vom Verkaufen leben wir ja in letzter Konsequenz alle. Und dann stehen wir neben dem Renntruck des Rekordweltmeisters, direkt daneben Zabels Werkstatt-Mobil, das auch als Wohnmobil dient. Friedhelm Zabel steht mit all seiner Größe formatfüllend im Türrahmen zu seiner mobilen Werkstatt. Er ist ein gefragter Mann. Ständig will ihn irgendjemand sprechen und das tut er dann auch. In seiner Werkstatt liegen einige Motorenteile, zu denen mir Walter erklärt, dass Zabel die in seiner „Fabrik“ überholt und zum nächsten Rennen wieder mitbringt. Sein Auftraggeber holt die überholten und reparierten Teile rechtzeitig im Fahrerlager vor dem nächsten Rennen ab und baut sie vor Ort ein. „Das funktioniert ganz gut so“. Dann erkennt Friedhelm Zabel seinen ehemaligen Fahrer Walter Netterscheid. Walter und die Overkamps.
Man begrüßt sich und auch ich begrüße Friedhelm Zabel, nachdem Walter mich ihm vorgestellt hat. „Ja“, erklärt mit Friedhelm Zabel, die Geschichte von Walter Netterscheid und darüber, wie es früher so war in dem Sport, das habe ihm gut gefallen und er habe auch manchmal lachen müssen. Ich fühle mich geehrt. Zwar hatte Zabel jahrelang in Baden-Württemberg gelebt und ist nach der Wende nach Brandenburg gezogen, seine Sprache lässt jedoch noch klar seine rheinischen Wurzeln erkennen und auch im Umgang ist er der unkomplizierte Rheinländer, und zwar ganz so wie es erforderlich ist, um in der Szene anzukommen. Plötzlich hält er im Gespräch inne. Offenbar ist ihm etwas eingefallen und dann ruft er so laut, dass man es bis ans vordere Ende seines Busses hören muss: „Mönchen!“ und kurz darauf erscheint Ramona Bichler, Tinos Tochter, um zu schauen, warum „der Friedhelm denn so gerufen“ hat.
„Ramona ist Moto-Cross-Fan“, erzählt mit Agnes Overkamp. „Wo es ihr möglich ist, fährt sie zum Rennen und unterstützt dabei Friedhelm Zabel. Während der sich um die Technik kümmert, hat Ramona den Überblick über sein Fahrerlager-Büro“. Auch mir erscheint Ramona in diesen Dingen kompetent und nicht nur das, souverän weiß sie Bescheid, und zwar in den Papierunterlagen mindestens so gut wie Friedhelm Zabel selbst. Die beiden sind diesbezüglich ein funktionierendes Team. Wer Friedhelm Zabel im Fahrerlager kennt, der kennt auch Ramona. Mehrere Fahrer und Monteure kommen auch wegen Ramona zu Zabels Wagen. Sie ist kein Kind von Traurigkeit, nicht zimperlich und sie spricht die Sprache dieser jungen Herren, ganz gleich, ob die aus Deutschland, Holland oder Belgien stammen, und stets führt sie das Gespräch. Ich sehe, dass sowohl für Friedhelm Zabel als auch für Ramona das Fahrerlager ein Stück Zuhause ist. |
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Renn-Eindrücke und Begegnungen Anschließend starten die Rennläufe: Zunächst die Ouad-Rennen. Ich sehe derartige Rennen erstmals. Walter Netterscheid hatte nach seinen Moto-Cross-Aktivitäten einmal aus Spaß an einem Quad-Rennen teilgenommen und erzählt mir von seinen Fahrerlebnissen, dass „die wegen der zwei angetriebenen Hinterräder, die zudem auch noch breiter bereift sind als das Antriebsrad eines Gespanns, eine bessere Traktion haben“ und dass man „ständig die auf- und eintauchende Vorderachse vor den Augen“ hat. Optisch wirkt die Fahrweise der Quads nicht so schnell wie die der asymmetrischen Gespanne, auf denen denen die turnenden Fahrer das Bild sehr beleben. „Es kommt auf die Streckenverhältnisse an, wenn Quad-Rrennen nicht langweilig aussehen sollen“, meint Walter und ich kann es gut nachvollziehen. Wie meine späteren Messungen ergeben, sind die Quads auf der Strecke ca. 10 % schneller als die Gespanne, obwohl beim Zuschauen der umgekehrte Eindruck entsteht. Genau nach Zeitplan starten kurz nach Ende des Quad-EM-Laufes die Gespanne zum ersten WM-Lauf des Jahres. Von Zabel hatten wir erfahren, dass Rekordweltmeister Daniel Willemsen im Training und in der Qualifikation nicht auf der glücklichen Seite fuhr, weil die Kupplung nicht so funktionierte wie sie sollte. Zum ersten Rennlauf müssen Willemsen/Verbrugge deshalb in der zweiten Reihe hinter der Startmaschine starten. Walter Netterscheid ist gespannt darauf, was Willemsen wohl aus dieser Situation machen wird, und beschreibt mir Willemsen im selben Satz noch als einen kompromisslosen Kämpfer. Der wilde Pulk der Weltelite im Gespann-Moto-Cross erreicht uns etwa nach zwei Drittel der Streckenlänge nach dem Start. Das reicht Willemsen/Verbrugge in der ersten Runde schon, um auf den dritten Platz vorzufahren. Es dauerte dann keine weiteren drei Runden, da hatte er den Spitzenplatz eingenommen und setzte sich nun mehr und mehr vom übrigen Fahrerfeld ab. Schon haben sich alle und die Holländer im besonderen darauf eingestellt, dass ihr Nationalheld das Rennen für sich nach Hause fährt. Doch in der vorletzten Runde stellt sich unerwartet dramatische Spannung ein: Die führenden Willemsen/Verbruggen werden plötzlich langsamer und bleiben in der letzten Runde gar in Höhe des Fahrerlager ganz stehen. Da ist Willemsen schon von seiner Maschine gesprungen und sprintet ins Fahrerlager. Die Zuschauer rätseln noch, als er keine Minute später mit einem Benzinkanister in der Hand wieder auftaucht und das gespann betankt. „Aha, also trocken gefahren“, meint jetzt Walter Netterscheid mit Erstaunen und setzte gleich hinterher: „An der Strecke tanken ist nicht erlaubt. Da bekommt er noch Ärger.“ Willemsen/ Verbrugge sind da aber schon wieder unterwegs und haoffen mit ihrem Zieleinlauf wenigstens noch einige WM-Punkte retten zu können.
Nach dem Rennlauf machen wir uns auf den Weg zurück ins Fahrerlager zu Friedhelm Zabels Wagen. Unterwegs wird Walter Netterscheid dabei von einem holländischen Zuschauer angesprochen. Der hat ihn erkannt, reicht Netterscheid einen großen Filzstift und bittet ihn um ein Autogramm auf seinem Regenschirm. „Ist der Stift auch wasserfest?“ fragte Netterscheid lachend und setzt seinen Namenszug auf den Regenschirm, auf dem auch schon andere Namen zu finden sind. „Das ist mir schon lange nicht mehr passiert“, sagte mir Netterscheid anschließend lachend. Einige Schritte weiter die nächste Begegnung mit einem alten Bekannten. Man unterhält sich. Später erfahre ich, das das der „Wim“ – den Nachnamen kennt er nicht mehr - war, der damals Mechaniker und Manager der Weltmeister von 1990 Benny Janssen und Beifahrer Franz Geurts van Kessel (NL) war. Die beiden haben sich viel zu erzählen, bleiben dabei jedoch nicht alleine: hinzu kommt noch der Weltmeister von 1991 und 1992 Eimbert Timmermann (NL) mit seiner Frau. Alle wundern sich, dass Willemsen nicht genug Benzin dabei hatte. Es wird jedoch insgesamt viel und lange von früher erzählt und was diese Leute heute so machen. Auch Hubert Overkamp kennt den holländischen Mechaniker und beteiligt sich an dem Gespräch.
Der Sport macht es möglich, dass die Menschen Ihre eigenen manchmal auch großen Sorgen vergessen machen. Jedenfalls herrscht im Fahrerlager allgemeine Fassungslosigkeit darüber, dass der Mehrfachweltmeister nicht genug Sprit im Tank hatte. Nach der Einführungsrunde hatten Willemsens Wettbewerber wohl nachgetankt, Willemsen indessen nicht und daraus resultierte am Ende die fehlende und somit entscheidende Spritmenge. Für Walter Netterscheid war klar, dass in dem tiefen Sand mehr mit Vollgas gefahren werden muss und deshalb der Motor eben mehr Benzin verbraucht. Wir sehen, dass an Willemsens Gespann nun offenbar vorsorglich ein größerer Tank montiert wird. Mitten unter uns steht auf einmal der Journalist Axel Koeingsbeck. er berichtet Friedhelm Zabel, was der bisher noch nicht weiß, nämlich dass die Rennleitung Willemsen wegen des Tankstopps an der Strecke disqualifiziert hat. Walters Befürchtung haben sich damit bewahrheitet. Getankt werden darf nur innerhalb einer besonderen Servicezone im Bereich von Start und Ziel. Beim nächsten Lauf wollen Willemsens Mechaniker dort nicht nur mit dem Erste-Hilfe-Werkzeug stehen, es sollte dann auch für alle Fälle ein Kanister Benzin dabei sein. Wegen der Disqualifikation im ersten Rennen müssen Willemsen/Verbrueggen das zweite Rennen auch wieder von ganz hinten starten. Aber ähnlich wie schon im ersten Rennen dauerte es nicht lange, bis die beiden erneut die die Spitze erobert haben. Es ist schon beeindruckend, wie und mit welcher Energie die beiden durch und über die immer tiefer werdenden Löcher auf der Strecke fliegen. Doch was ist das? Was dreht und schraubt Willemsen an seinem Tankdeckel während der Fahrt herum? Und was läuft da aus? Erneut macht sich fassungsloses Entsetzen unter den vielen holländischen Willemsen Fans breit. Bei der nächsten Runde wurde es Gewissheit: der größere Tank ist wohl am Tankdeckel nicht dicht und lässt das Benzin für aufmerksame Zuschauer gut sichtbar austreten. Neben mir steht eine junge Dame, die wohl zum Team Daiders aus Lettland gehört und die freute sich sichtlich, denn Daiders/Daiders nähern sich dem gehandicapten Star-Team aus Holland zusehens. Und erneut müssen Willemsen/Verbruggen tanken, nun jedoch an erlaubter Stelle im Start-Ziel-Bereich. Allerdings lässt Willemsen verbotenerweise während des Tankens den Motor laufen, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Erneut liefert Willemsen damit eine ideale Vorlage für eine Disqualifikation. Weil aber fristgerecht kein Protest deshalb bei der Rennleitung einging, blieb dieser Regelverstoß ohne böse Konsequenzen und die beiden konnten das Rennen mit dem zweiten Platz in Wertung beenden. Nach dem Rennen unterhalte ich mich mit Walter nochmals über grundsätzliche Dinge. Die Zuschauerzahl von geschätzten 5.000 war war für so hochkarätig besetzte Rennserien wir die MC-Gespann-Weltmeisterschaft und zudem auch noch die Europameisterschaft für Quads verhältnismäßig gering. Vielleicht hing das aber auch mit der für Zuschauer nicht sonderlich interessanten Strecke zusammen, die sich durch Sand und darin immer tiefer werdende Löcher auszeichnete. Fahrerisch gilt es hier einerseits die beste Spur zu finden, ohne dass der Boden des Beiwagens in den tiefen Spurrillen zu viel Kontakt mit dem der Piste findet und was dann Kraft und Geschwindigkeit kostet, die Federelemente und der Rahmen müssen wegen der von Runde zu Runde immer tiefer werdenden Löcher sehr viel wegstecken können und die Fahrer brauchen wegen eben dieser Löcher sehr viel Kondition. Spektakuläre Drifts, steile Auf- und Abfahrten und weite Sprünge sind unter diesen natürlichen Voraussetzungen nur mit vielen Einschränkungen möglich. Für die sportliche Leistung ist das egal, da ja alle Fahrerteams die selbe Aufgaben zu meistern haben. Der Begeisterung großer Zuschauermassen ist dieses jedoch nicht zuträglich. Nach langen Jahren der Abstinenz war das für mich noch mal ein interessantes Moto-Cross-Erlebnis. Da Tino Bichler den Heimweg zusammen mit seiner Tochter antrat, kam Karl-Heinz auf dem zweistündigen Heimweg im Auto seines Bruders dann doch noch zu seinem gewünschten Schlaf. Buschhoven, 22. Mai 2011
Text und Fotos: Hans Peter Schneider |
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