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Vom Pferd zum Traktor

Die Landtechnik ist ein Teil der Landwirtschaft, die hinwiederum einen Bestandteil unseres sozialen- und wirtschaftlichen Gesellschaftssystems darstellt. Neben den natürlichen Voraussetzen nehmen deshalb eine Vielzahl soziale, politische und wirtschaftliche Faktoren Einfluss auf den agrarisch handelnden Menschen; sie spiegeln sich letztendlich auch in der Geschichte der Landtechnik wider.


Dreschbetrieb Ende des 19. Jh.
Die Dreschmaschine selbst stammt von Lanz und wird hier von einer fahrbaren Dampfmaschiene mittels Transmissionsriemen angetrieben. Foto: Max-Eyth-Gesellschaft




Dreschbetrieb um 1930.
Der hier eingesetzte Elektroantrieb hätte genau so gut durch eine Dampfmaschine erfolgen können; die „Transmission“ wäre der gleiche gewesen Foto: Brockhaus

Industrielle Revolution zunächst mit Dampf

Über etwa vier Jahrtausende waren in der Landwirtschaft Muskeln die Kraftquelle schlechthin, zunächst nur die menschlichen Muskeln, die schon in prähistorischer Zeit durch die Kraft von Tiermuskeln unterstützt wurden.

Die bahnbrechende Erfindung, die erstmals die Mechanisierung der Landwirtschaft vorantrieb, war zweifelsohne die Dampfmaschine von James Watt. So gab es nach 1841 die Dampfmaschine auf einem Anhänger, die von Pferden zu Bauernhöfen gezogen wurde, um dort Dreschmaschinen anzutreiben.


Dampfpflüge konnten nur auf sehr großen Ackerflächen rationell eingesetzt werden.

Ab Mitte des 19. Jh. finden sich auf den Großgütern in Mecklenburg und Ostpreußen Dampfpflüge und Lokomobile, nicht ganz ungefährliche Ungetüme, die 1907 im Deutschen Kaiserreich immerhin in 2.239 Betrieben eingesetzt wurden.

Der Traktor ist eine Erfindung aus den USA

Um 1890 arbeiteten in den USA mehrere Firmen an der Entwicklung eines Schleppers, der statt mit Dampf mit dem neuen Ottomotor lief und somit um vieles leichter und beweglicher war als die dampfbetriebenen Maschinen. So entwickelte ein John Charter 1889 in Illinois einen ersten Traktor. 1902 gilt als das Geburtsjahr der US-Schlepperindustrie, denn in diesem Jahr wurde das erste Unternehmen, "Hart-Parr" in Charles City/Iowa, gegründet, das sich ausschließlich auf die Schlepperherstellung spezialisiert hatte. 1909 wurden schon 2.000 Traktoren hergestellt, 1912 waren es bereits 12.000. 1918 betrug schließlich der US-Schlepperbestand 85.000 Traktoren, welche schätzungsweise die Arbeit von 250.000 Männern und 1,5 Mio. Pferden erledigten.

Die Gründe für die rasche Schlepperentwicklung in den USA sind einerseits in dem relativ dünn besiedelten Land zu suchen, das nur mit technischen Hilfsmitteln effektiv bewirtschaftet werden konnte. Besonders im mittleren Westen mit seinen riesigen Weizen- und Maisanbaugebieten war der Traktor als Zugmaschine schon sehr früh verbreitet. Begünstigt wurde die Schlepperverbreitung auch durch die immensen Erdölvorkommen in den USA, welche die Preise für das zum Betrieb der Traktoren damals noch benötigte Benzin erschwinglich hielten.

Der Erste Weltkrieg und die U-Boot-Blockade Großbritanniens durch die Deutsche Marine beschleunigten schließlich den Schritt zur preisgünstigen Massenanfertigung von Schleppern durch den amerikanischen Automobilkönig Henry Ford: 1918 lieferte er 6.000 Schlepper des Modells Fordson F nach England aus, von dem bis 1930 insgesamt ca. 750.000 Exemplare (incl. Weiterentwicklungen) hergestellt wurden.




Fordson F, Erfolgsprodukt aus dem Hause Henry Ford & Son Company
Dieser Schlepper stammt aus dem Jahre 1919, und wurde in „unverbasteltem“ Zustand 2005 in Nordirland zum Verkauf angeboten.
Der Benzin-Motor hatte 4 Zylinder und war seitengesteuert. Die Leistung betrug 20 PS bei einer Höchstdrehzahl von 1.000 U/min.
Bemerkenswert war die im Ölbad laufende Mehrscheibenkupplung und die Zündanlage, die identisch war mit der des berühmten Personenwagens aus dem Hause Ford, Modell T.

Dieses war der erstmals in Serie hergestellte Schlepper, der in großen Stückzahlen aus den USA nach Europa importiert wurde. Hinsichtlich des Preis- Leistungsverhältnisses war er insbesondere in Europa lange Jahre das Maß der Dinge.

Foto wurde dem Internet entnommen


Um 1930. Zweimal Breitsaat.
Das obere Bild entsprach bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges der Regel. Motorschlepper waren die Ausnahme

 Fotos: Brockhaus

Deutsche Serienproduktion mit Verspätung

In Deutschland fand bis zum Ende des Ersten Weltkrieges keine Serienproduktion von Schleppern statt. Ein Markt bzw. Bedarf an Zugmaschinen für die Feldarbeit bestand bis in die 1930er Jahre allenfalls bei Großbetrieben, wo noch Dampfpfluglokomobile eingesetzt wurden. Daneben stellten sich im Laufe der Zeit sogenannte „Spitzenbrecher“ ein, das waren durch Verbrennungsmotor angetriebene Ackermaschinen, die für die besonders schwere, von Zugtieren nicht mehr zu bewältigende Ödlandkultivierung zum Einsatz kamen.

Bis 1925 verwendeten in Deutschland weniger als 1 % aller Betriebe Traktoren. Diese waren zu einem großen Teil aus den USA importiert und benötigten als Brennstoff teures Benzin. Die Rentabilität eines Traktors setzte deshalb eine Betriebsgröße von 50 bis 70 ha voraus.

Neben der fehlenden Betriebsgröße erschwerten auch Einfuhrbeschränkungen eine rasche Verbreitung des Traktors in Deutschland. Hierbei ging es vornehmlich um ein Importverbot des "Fordson", weil die deutschen Unternehmen gegenüber dem mächtigen Ford nicht wettbewerbsfähig waren.

Dieselmotor, Luftreifen und Zapfwelle

Ein deutliche Zunahme der Schlepper in Deutschland setzte erst mit der Verwendung des Dieselmotors ein.
Den größten Erfolg hatte hier Lanz/Mannheim mit seinem "Bulldog HL" zu verbuchen, der ab 1921 auf den Markt kam. Er hatte einen Glühkopfmotor, der mit einer Lötlampe erwärmt werden musste. Dies war zwar eine umständliche, aber zuverlässige Methode, den Motor zum Laufen zu bringen.

Nennenswert ist auch das Jahr 1934, als die hannoveraner Continentalwerke einen speziellen Ackerluftreifen zur Serienproduktion entwickelten.
1940 wurde schließlich die Zapfwelle normiert.
Die Zapfwelle und die Luftreifen machten den Traktor nun zur "bäuerlichen Universalmaschine", die mittlerweile 50 bis 60 % der landwirtschaftlichen Arbeiten ausführen konnte.


Der Deutz F1M 414 erschien 1937 auf dem Markt und war mit seiner Leistung von 11 PS aus einem Zylinder der erste echte „Bauernschlepper“.
Gleichzeitig gehörte er mit zu den Schleppern, die mit den neuen „Ackerluftreifen“ ausgeliefert wurden. Foto: Max-Eyth-Gesellschaft

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Etwa 70.000 Traktoren hatten in Deutschland den Krieg überstanden, von denen die meisten defekt und ohne Ersatzteile waren. Nach einer Such- und Improvisationsphase von 1945 bis 1949 setzten 1950 für die Landmaschinenindustrie Boomjahre ein, die bis 1961 andauern sollten.

Mit dem Wirtschaftswunder in den 50ern setzte zugleich auch die Vollmotorisierung und die Mechanisierung in der deutschen Landwirtschaft ein. Von rund 8.000 Traktoren im Jahre 1948 über 52.000 Traktoren im Jahre 1950 lag die Produktion 1955 schon bei 140.000 Traktoren. Gleichzeitig nahm die Zahl der Hersteller zu.

In den Boomjahren wurden ebenfalls viele technische Neuerungen an den Traktoren vorgenommen: Luftkühlung bei Dieselmotoren, Allradantrieb, Direkteinspritzung, Dreipunktanbau, Hydraulik, Frontlader und Geräteträger machten den Traktor zu einer universal einsetzbaren Maschine in der Landwirtschaft.

Doch ab etwa 1962 schien der Markt erst einmal gesättigt zu sein, und es setzte die letzte Phase in der Traktorenentwicklung ein. Wie schon erwähnt, charakterisiert man diese Phase mit der stetigen Verbesserung in der Technik der Traktoren doch mit rückgängigen Verkaufszahlen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft nimmt auch hier seinen Einfluss: Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe geht insgesamt stark zurück, und zwar im besonderen die Zahl der kleinen Betriebe gegenüber den großen Betrieben, wobei sich gleichzeitig die insgesamt landwirtschaftlich genutzte Fläche kaum verringert. Die Tendenz besteht also darin, dass die Landwirte gezwungen sind, ihre Höfe entweder ganz aufzugeben oder zu vergrößern, um auf Massenproduktion umzusteigen, da ein kleiner Betrieb in den heutigen Zeiten nicht mehr rentabel ist.


Der genormte Dreipunktanbau mit hydraulischem Kraftheber war einer der wohl bedeutendsten Fortschritte, die sich in den 1950er Jahren zur Serienreife entwickelten. Der körperliche Einsatz des Schlepperfahrers reduzierte sich damit erheblich. Foto: Max-Eyth-Gesellschaft




Das Foto stammt aus dem Jahre 1967 und zeigt eine Ansicht aus Brenig. Zu erkennen sind Fritz Langes und Sohn Stefan mit ihrem „Cormick“. Fritz Langes ist heute Rentner und der zur Zeit des Fotos noch nicht geborene Sohn Günter gehört inzwischen zu den wenigen verbliebenen Vollerwerbsbauern in Brenig.
Mit den Ackerflächen ist auch die Schleppergröße gewachsen.
Foto: Stefan Langes


Heute sind nicht nur die Ackerflächen um ein Mehrfaches größer als früher, die Schlepper sind es auch.
Der technische Fortschritt findet sich heute u.a. in klimatisierten lärmgeschützten Fahrerkabinen und in einer Vielzahl elektronischer und hydraulischer „Gehilfen“.
Die jüngsten Entwicklungen beziehen Navigationssatelliten ein.
Foto: Werksfoto Fendt

Auswirkungen der Motorisierung der Landwirtschaft

Die Vollmotorisierung der Landwirtschaft brachte jedoch auch gravierende Veränderungen für das Landleben mit sich. Einer der augenfälligsten Veränderungen war wohl das „große Pferdesterben“. Betrug der Pferdebestand im Jahre 1950 in der Bundesrepublik Deutschland noch ca. 1,2 Mio. Pferde, so war er bis zum Jahre 1970 auf nur noch 200.000 Pferde gesunken.

Hufschmiede, die vor dem Zweiten Weltkrieg noch auf jedem Dorf zu finden waren, verloren ihre Existenzgrundlage.

Vor der Motorisierung wurde der tägliche Arbeitsrhythmus mitbestimmt von den regelmäßigen Ruhe und Futterzeiten der Arbeitspferde. Motorschlepper benötigen dergleichen nicht und verfügen sogar über eine Arbeitsbeleuchtung für den Einsatz nach Sonnenuntergang. Dementsprechend verlängerte sich die durchschnittliche Arbeitszeit auf dem Acker.

Auch der Umstand, dass sich die Preise für landwirtschaftliche Produkte im Laufe der letzten 50 Jahre im Verhältnis zu den anderen Verbrauchsgüterpreisen gar nicht bis nur wenig gestiegen sind, wäre ohne Motorkraft nicht möglich gewesen.

Der Landwirt selbst muss heute ein so hohes Maß an kaufmännischen Fähigkeiten besitzen, wie das bisher in der Geschichte der Landwirtschaft noch nie der Fall war.

Typische Schlepper des Vorgebirges

Wegen der idealen natürlichen Bedingungen für den Gartenbau im Vorgebirge hat sich dort seit der Neuzeit die Realerbteilung etabliert, derzufolge sich im Laufe der Jahrhunderte entlang des Vorgebirges flächenmäßig relativ kleine Betriebsgrößen einstellten, deren Fluren zudem sehr zersplittert und zerstreut lagen. Flurbereinigungsmaßnahmen Ende der 1960er Jahre konnten lediglich die Streulagen weitgehend beseitigen.

Bis in die 1980er Jahre sind für das Vorgebirge deshalb die kleineren Schlepper typisch. Bei den damals sehr oft zu findenden Nebenerwerbsbetrieben waren Einachsschlepper sehr beliebt.

Die heute noch existierenden Unternehmen haben wegen der erforderlichen Massenproduktion Flächen hinzugepachtet und setzen durchweg moderne Großschlepper ein. Alte Schlepper erfüllen allenfalls Nebenfunktionen.

Hintergrundwissen und mehr über die typischen Schlepper des Vorgebirges ... hier.


In den 1960er Jahren dürften im Vorgebirge schätzungsweise mehr als tausend Einachsschleppern im produktiven Einsatz gewesen sein. Heute befasst sich in Alfter ein „Stammtisch“ gleichen Namens mit dieser für das Vorgebirge so typischen Schlepperart. Foto: Tobias Parkitny

Verwendete Literatur:

Bauer, Armin: Porsche Schlepper. Obershagen 2003;

Der Neue Brockhaus. Allbuch in vier Bänden und einem Atlas. Leipzig 1938;

Herrmann, Klaus: Traktoren in Deutschland. 3. Aufl., Wetzlar 2000;

Max-Eyth-Gesellschaft für Agrartechnik (MEG) e.V. (Hrsg.): Miterlebte Landtechnik,Darmstadt 1981;


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Text: Hans Peter Schneider

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