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Rückschau 2019

Gucken und Staunen war bei der Tour angesagt

Freitag bis Sonntag, 12. bis 14. Juli 2019
Dreitägige Ardennen-Tour

Willi hatte immer wieder einmal den Wunsch nach einer mehrtägigen Motorradtour geäußert, doch erst in diesem Jahr war es schließlich so weit, dass sie auch in die Tat umgesetzt werden sollte. Mit alten Motorrädern sollte sie erfolgen, ein Besenfahrzeug sollte dabei sein und zwei Übernachtungen waren geplant. Clubmitglieder sollten zudem eine finanzielle Unterstützung aus der Clubkasse erhalten. Willi nahm die Organisation vor.
Nach einigen Überlegungen verständigte man sich darauf, dass die Tour ganz in den Westen unserer Republik, ins Aachener Dreiländereck führen sollte. Zudem hatte sich unser Freund Fred aus Vicht bereit erklärt, die Teilnehmer bei der Tour am Samstag zu führen und ihnen Land und Leute näher zu bringen. Insgesamt hatte Willi schließlich 8 Weggefährten gefunden, die verbindlich die Mitfahrt zusagten und Arpad hatte sich bereit erklärt, den Werkstatt- und Besenwagen zu fahren. Unser Freund aus Vicht beteiligte sich an den Vorbereitungen indem er ein Hotel für die Schar aussuchte, wo man preiswert und unterkommen konnte, und zwar in Zweifall, einem Nachbarort von seinem Wohnort Vicht. Was nur noch fehlte war die Geduld bis zum dem Tag, an dem es losgehen sollte und zur Zeit der Ausfahrt natürlich halbwegs trockenes Wetter. allerdings wurden die Wetterprognosen mit jedem Tag, mit dem das Ereignis zeitlich näher rückte, düsterer. Für alle drei Tage waren schließlich gewitterige Schauern und auch noch eine Wetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes vorhergesagt. Natürlich hätte man auch den Helden spielen und dennoch tollkühn mit dem Motorrad fahren können. Dafür lag das Durchschnittsalter der Gruppe jedoch dreißig Jahre zu hoch. Kurzentschlossen wurde also umdisponiert und ein Kleinbus gemietet, mit dem man dann das im Übrigen umfangreiche Programm der Tour wortwörtlich erfahren konnte.

Als Tour-Guide für den ersten Tag der Hinfahrt und ebenfalls für die Rückfahrt hatte Willi unseren Freund Kalle gewinnen können. Allerdings startete die Führung erst in Hürtgenwald, wo Kalle zuhause ist. Vorher zeigte der den Tourteilnehmern noch sein Reich mit seinem Fuhrpark und anderen lieben Dingen, was gut ankam. Kalle führte anschließend durch seine unmittelbare Heimat, über viele kleine Sträßchen mit herrlichen Landschaftsaussichten. Das hier der Zweite Weltkrieg in einer Schlacht mit trauriger Berühmtheit tobte, wussten alle schon. Um so mehr waren der Bergbau, die Erzgewinnung Metallverhütung, die in der Region eine lange
Geschichte haben,
von Interesse. Im Kalltal hatte es der kleine Ort Simonskall mit seiner alten Architektur und seiner frühen Industriegeschichte den Teilnehmern besonders angetan. War hier doch die Familie Hoesch mit der frühen fast industriellen Stahlproduktion - oder sollte man doch besser noch Eisengewinnung sagen – bereits beschäftigt, als das 19. Jahrhundert noch sehr jung war. Nicht weit von Simonskall fand man sich schließlich in der Talschenke ein, einem urigen eifeler Gasthaus und Restaurant, wo man unisono zünftig Hackbraten mit Bratkaroffeln zu Mittag aß. Danach wurde noch lange und lustig miteinander geklönt, dass Kalle schließlich ohne sehr viel Umwege die Gruppe zum Ort der Übernachtung in Zerkall führen konnte.
Dort hatte der
nordeifeler Bergbau noch deutlichere Spuren und Zeugnisse hinterlassen. Rund um Zerkall, und entlang des Vichttals, also südwestlich von Aachen gelegen, wurden bis weit ins 20. Jahrhundert hinein umfangreich Erze abgebaut und industriell verhüttet. Auch hier waren es Kupfer, Zink und Stahl, die gewonnen und verarbeitet wurden. Rund um Stolberg und im Vichttal sind auch heute noch mehrere große Unternehmen zu finden, die sich auf die Produktion spezieller Mettalartikel eingestellt haben und damit für Arbeitsplätze in der Region sorgen. Die Industriellenfamilie Hoesch errichtete im Vichttal zwischen Zerkall und Vicht gelegen im 19. Jahrhundert ihre Wohnvilla, die auch heute noch in ihrer Pracht von der Landstraße zwischen Vicht und Zerkall aus dem interessierten Reisenden ins Auge fällt. Eberhard Hoesch hatte bereits 1825 im einige Kilometer weiter östlich gelegenen Lendersdorf ein Walzwerk errichtet, in dem er nach englischem Vorbild das Puddelverfahren eingeführt hatte. Das so hergestellt Roheisen ließ sich in späteren Arbeitsgängen zu härtbarem Schmiedestahl weiterverarbeiten.

Der erste gemeinsame Abend war bei gutem Essen im Hotel so gemütlich wie die Mittagsrast. Und auch mit den Zimmern für die Nacht waren alle sehr zufrieden.

Der zweite Tag stand ganz unter der Führung von Alfred, den alle kurz nur Fred nannten. Fred hatte sich sehr gut vorbereitet und zeigte und erklärte uns bei kurzen Zwischenstopps das, was wir sahen mit der Folge dass der Erlebniswert in die Höhe schoss. Dinge, die man sonst einfach nicht beachtete wurden damit auf einmal sehr interessant und zum Erlebnis. Das fing schon mit dem Namen des Hotels an. Galmei nannte sich das. Wir erfuhren, dass es seinen Namen von der seltenen und nur in der Region vorkommenden unscheinbaren Pflanze hatte, dem sogenannten Galmei-Veilchen, das hier nur schlicht und einfach Galmei genannt wurde. Dieses Galmei-Veilchen wächst nur dort, wo im Boden auch das Galmei-Zinkerz zu finden ist. Dementsprechend handelt es sich bei der Galmei um eine sogenannte Zeigerpflanze für das Vorhandensein von Zinkerz. Sie findet sich in Deutschland nur in der Umgebung von Stolberg, und zwar vornehmlich auf alten Halden, die sie mit ihren gelben Blüten schmücken. Fred öffnete uns die Augen für die ehemaligen Grubenfelder und die typischen Häuser, in denen dereinst schon die Gruben- und Hüttenarbeiter lebten. Der letzte Krieg hatte zum Glück nicht sehr viel in der Region zerstört.

Indem wir über Breinig der Grenze zu Belgien sehr nahe kamen, sensibilisierte Fred uns für das bis in die 1970er Jahre hineinreichende Schmugglertum in der Grenzregion. Kaffee und Zigaretten waren die bevorzugten Schmugglerwaren. Indessen waren die Strafen fürs Erwischtwerden im Verhältnis drakonisch bis tödlich. Wegen der hohen Beteiligung der an der Grenze wohnenden Bevölkerung an der Schmuggelei, gab es in jeder Familie mindestens eine Person, die deshalb in ihrem Leben schon bestraft worden war, nicht selten auch mit Gefängnis.

Das Überfahren der Grenze nach Belgien in Richtung Spa erlebten wir dann ohne jede Spannung. Sie war auch gar nicht zu sehen. Nur die Straßen waren anders markiert und die Verkehrsschilder sahen auf einmal etwas anders als. Seit dem Schengener Abkommen sind die alten Grenzen quasi verschwunden.
Nunmehr in Belgien, ist die Sprache auf den Schildern dennoch in Deutsch. Fred erklärt uns hierzu dass wir uns hier nahe Aachen in dem relativ kleinen Gebiet Ostbelgiens befinden, wo es die Deutschsprachige Gemeinschaft gibt. Das Gebiet umfasst einen ca. 20 bis 50 km breiten Grenzstreifen mit einer Fläche von etwas mehr als 1.000 Quadratkilometern. Etwa auf 100.000 Personen wird diese Minderheit der deutschsprachige Belgier geschätzt.

Der Weg führt uns nun über Eupen und Verviers weiter in Richtung berühmtes Weltbad Spa. Der Weg von Eupen nach Verviers führt an der Gileppe-Talsperre vorbei. Hier machen wir halt und besteigen einen Turm neben dem Staudamm. Der Hauptzufluss dieser Talsperre ist der im Hohen Venn entspringende gleichnamige Bach. Ihre ursprüngliche Bestimmung war die Regulierung der Brauchwassermengen für die Textilindustrie im Tal der Weser. Heute versorgt sie die den Südosten Belgiens mit Ardennen-Trinkwasser. Auf der Staumauer findet sich ein in Stein gemeißelter mächtiger Löwe, der nach seinen Blick auf Deutschland richtet. Über den Grund hierfür gibt es viele Theorien.
Mehr zu dieser Talsperre

Unterwegs machen wir noch einmal kurz in La Gleize halt, wo wir uns von einem alten Tiger-Panzer, einem Überbleibsel der Ardennenschlacht des Zweiten Weltkriegs, beeindrucken lassen. Heute wirbt er dort für den Besuch des „December 44 Museum“, auf dessen Gelände er eindrucksvoll abgestellt wurde Link zum Museum.

Wegen des umfangreichen Programms haben wir jedoch für den Besuch dieses Museums keine Zeit und fahren weiter nach Spa. Fred macht uns auf die vielen Villen am Stadtrand von Spa aufmerksam, die in einer für den Kurbetrieb besseren Zeit entstanden sind und auch heute noch von ihren wohlhabenden Eigentümern sorgsam gepflegt werden. Voller Spannung erreichen wir die Innenstadt. Dem berühmten Weltbad geht es jedoch nicht viel besser, als auch den deutschen Kurstädten. Seit die Sozialversicherer für Kurleistungen nicht mehr so viel Geld locker machen, bleiben viele Einrichtungen leer und ungenutzt. Der Verfall zeigt sich bereits in Teilen der alten Kur-Gebäude. Was offenbar immer besucht wird, ist das berühmte Casino. Aber dessen Gebäude hatte auch schon bessere Zeiten gesehen.

Inzwischen sind wir sehr hungrig und beschließen – wenn schon, denn schon - original belgische Pommes-Fritten zu essen und füllen dazu einen kleinen Schnellimbis. Die Pommes schmecken gut und sicher liegt das auch am Fett, das ja schließlich ein Aromaträger ist. Für heute rechte uns dass.

Um viele fettige Kalorien gestärkt fahren wir weiter zur berühmten Rennstrecke Spa-Francorchamps. Die Rennstrecke, die zum Teil auch öffentliche Straße ist, lässt sich heute allerdings nicht befahren, weil gerade eine Rennveranstaltung im Gange ist: Alles Rennwagen, die wie die guten alten VW-Käfer aussehen, sich allerdings nicht so anhören und motorseits auch alle offenbar gleich schnell sind. Wir schauen dem Spektakel aus mehr als 100 Fahrzeugen eine viertel Stunde zu und fahren dann weiter zum örtliche Rennsportmuseum von Spa-Francorchamps, das in Stavelot im Kellergeschoss der ehemaligen Abtei von Stavelot untergebracht ist. In Hinblick auf das Eintrittsgeld ist man mit den Exponaten schnell durch. Allerdings staunen wir, welche Motorradtypen vom belgischen Hersteller FN in der Vergangenheit einmal hergestellt wurden und dort heute ausgestellt sind.

Der nächster große Ort unserer Reise ist Malmedy. Dort suchen wir unter regenschweren Wolken ein Café und finden keines. Kaffee gibt es jedoch auch in dem Gasthaus, das wir aufsuchen und in dem wir ohne Kuchen den heftigen Regenschauer abwarten, der kurz nach unserer Ankunft auf die Stadt niedergeht und wegen seiner Heftigkeit die Feuerwehr auf den Plan ruft. Als der Schauer schließlich nachlässt, brechen wir zum letzten Wegstück auf, dem Heimweg bis nach Zweifall.

Fred hat hierzu die Route durchs Hohe Venn gewählt. Die schmale Straße geht zwar viele Kilometer überwiegend gerade aus, ist dafür jedoch ziemlich uneben und quasi wie auf einem Damm liegend höher als die Hochmoorfläche, durch die sie führt. Ohne diese erhaben geführte Straßentrasse, würde der Weg wohl im Nass und im Sumpf des Venns versinken. Beim Blick aus dem Autofenster sind wir beeindruckt vom Bild der Landschaft der Vegetation des Venns, die so ganz anders sind, als das, was wir sonst von der Eifel kennen.

Mitten im Venn halten wir an einem Ort mit einer kleinen Kapelle und eine Gasthaus an. „Baraque Michel heißt der Ort“, erzählt uns Fred. 1811/12 wurde an dem Ort von dem als dem Rheinland stammenden Steinmetz Michel Henri Schmitz ein Gastronomie-Gebäude errichtet. Motorkraft für die Fortbewegung der Reisenden gab es damals noch nicht und mit Muskelkraft konnte nicht so viel Wegstrecke gemacht werden wie heute mit mit unserem kleinen Bus. Der Weg durchs Venn war lang und gefährlich. Neben den oft aus Knüppeln bestehenden Dämmen konnte man ungehört und rettungslos versinken. Zudem bot die flache und gleichtönige Moorlandschaft die idealen Voraussetzungen, sich sehr leicht zu verlaufen. Das Gasthaus im Venn wurde deshalb von vielen Reisenden - die meisten waren im 19. Jahrhundert noch zu Fuß unterwegs - gerne und dankbar angenommen. Die nicht weit vom Gasthaus uz findende kleine Kapelle wurde 1831 auf Initiative des Malmedyer Industriellen Henri-Toussaint Fischbach errichtet. Sie hatte früher im Turm ein Leuchtfeuer, um Wanderern die Orientierung zu erleichtern und stellt seit ihrer Erbauung den höchsten Punkt Belgiens dar.

Das letzte Wegstück führt uns noch durch Eupen und dann haben wir bald auch schon unser Hotel Galmei erreicht.
Bei einem guten Abendessen lassen wir den Tag noch bei einem Glas Bier oder Wein ausklingen.

Am nachfolgenden Sonntag brachen wir nunmehr ohne unseren Guide Fred nach dem üppigen Frühstück nochmals ins Hohe Venn auf. Über kleine Sträßen fuhren wir bis zum Ort Weywertz bei Büttgenbach in Belgien. Dort hatten wir noch kurzfristig einen Termin mit Jürgen gemacht. Willi kannte ihn telefonisch, weil der nach den Kontaktdaten eines Clubmitgliedes gefragt hatte, um sich mit diesem über FN-Motorräder austauschen zu können. Jürgen und sein nette Frau empfingen uns herzlich. Bei ihm gab es hervorragend restaurierte alte Fahrzeuge zu sehen und man konnte mit ihm wunderbar fachsimpeln. Zur Zeit restaurierte er eine BSA mit 500 ccm SV-Motor aus dem Jahre 1929. Die Mitglieder waren von der Begegnung mit Jürgen, seiner Sammlung und seinem schönen alten Bauernhof nachhaltig angetan.

Als wir Jürgen wieder verließen, war schon später Mittag. Vor Gemünd, in einem Blockhaus am Wege, hielten Einkehr zum Kaffeetrinken als Ersatz fürs Mittagessen. Der Bienenstich war gut und alle bei bester Laune, was auch die übrigen Gäste ansteckte. Die gute Laune nahmen wir anschließend für die Busfahrt ins heimische Vorgebirge mit.

Zwar war die Tour mit dem Kleinbus ganz anders, als wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten, in Anbetracht des Wetters hatten wir jedoch noch das Beste daraus gemacht und werden sie in guter Erinnerung behalten.

Danksagungen

  • Dem Willi sei Dank, dass er dieses Projekt angefangen, organisiert und durchgezogen hatte, auch wenn wir schließlich wegen des Wetters mit dem Bus statt mit Motorrädern fuhren.

  • Dem Kalle sei Dank für seine Führungen am ersten Tag.

  • Ganz besonderen Dank unserem Freund Alfred bzw. Fred, der sich ausgezeichnet vorbereitet hatte und den Samstag mit seiner Führung und seinen Erklärungen zu einem ganz besonderen Erlebnis machte.

  • Schließlich Dank auch an den Arpad, der uns mit dem Bus nüchtern und sicher chauffierte.



Zum Fotoalbum

Samstags morgens vor dem Hotel haben sich die ersten zum Aufbruch eingefunden, ganz links im Bild ist Fred, der diesen Tag zum Erlebnis machte

Fred erklärt uns Eupen

Besichtigungspause an der Talsperre. Im Hintergrund der Aussichtsturm mit Restaurant

Blick auf die Gileppe-Talsperre

Der Löwe auf der Staumauer blickt nach Osten

Vor dem Blickfang des Museumsbesuch

Blick auf das Spielcasino von Spa

Auf der Rennstrecken rannten mehr als 100 unechte Käfer um die Wette

Im Rennsport-Museum von Stavelot

Fred sorgte immer wieder für Highlights

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Die nächsten Clubtermine

Swisttal, im Juli 2019

Text und Fotos: Hans Peter Schneider

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