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Erinnerungen - vom Schüler zum Meister
1942 – 1965

Wachstumsgeschichten

Wenn bisher noch ein Kapitel
über „Pleiten, Pech und Pannen fehlte – bitteschön – hier ist es

Was ich zuletzt immer bei meinem OPEL befürchtet hatte, trat etwa ein Jahr nach dem Kauf des fabrikneu gekauften FORD auf: Ein kapitaler Motorschaden ! Kurbelwellen- und Pleuellager waren ausgelaufen, der Motor klapperte fürchterlich. Die Garantiezeit betrug damals magere 6 Monate, weswegen ich auch nicht auf den Gedanken gekommen bin, wegen einer Kulanz bei FORD nachzufragen. In diesem Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, dass FORD zwar viele Jahre später, aber immerhin als erster auf dem deutschen Markt die Garantie auf 12 Monate verdoppelt hat. Obwohl ich im Grunde überhaupt keine Ahnung von Autos hatte, nahm ich mir vor, die Reparatur in Eigenregie vorzunehmen, zumal die Arbeitslöhne in Werkstätten auch schon nicht mehr als niedrig zu bezeichnen waren. Größere technische Probleme sind nicht aufgetreten, gleichwohl wurde die Aktion zu einer „Baustelle“. Für den Ausbau des Motors auf dem Hof hinter meiner Werkstatt bastelte ich mir ein Dreibeingestell aus Holzbalken. Ein Flaschenzug und kräftige Helfer taten das übrige. Eine neue Kurbelwelle mit Haupt- und Pleuellagerschalen war schnell beschafft. Es handelte sich um eine geänderte Ausführung aus Sphäroguss. Dies ist eine besondere Form von Grauguss mit Zusatz von Kugelgraphit. Damals noch Neuland, wird dieses schwingungsarme Material heute von vielen namhaften Herstellern eingesetzt. Da der Motor komplett zerlegt werden musste, kam mir beim Betrachten der vor mir liegenden Kolben eine Idee: Der Typ 17 M wurde ab Werk wahlweise mit einem 1,5 Liter Motor mit 55 PS oder einem 1,7 Liter Motor mit 60 PS geliefert. Bei den Überlegungen zum Neukauf war die stärkere Version wegen zu hoher Anschaffungs- und Nebenkosten wie Steuer und Versicherung ausgeschieden. Mir war bekannt, dass beide Motoren den gleichen Hub besaßen und der größere Hubraum des 1,7 Liter Motors durch dickere Kolben erreicht wurde. Bei meinem Haus- und Hoflieferanten für Kolben und Zylinder, der Fa. Hess in der Bismarckstraße, erkundigte ich mich nach diesen Kolben, wobei mir versichert wurde, dass beide Typen die gleiche Kompressionshöhe besäßen. Mit Kompressionshöhe bezeichnet man den Abstand von der Mitte des Kolbenbolzens bis zum Kolbenboden, der sich bei Kolben jedoch nicht am Boden desselben, sondern an seiner Oberseite befindet. Ich bestellte also 4 neue Kolben vom 1,7 Liter Motor und brachte den Motorblock zum Ausbohren und Honen zu Kolben Mauss in der Mansfelder Straße. Zum Glück war Friedhelm mittlerweile stolzer Besitzer eines Goggo Coupes, einer seltenen Ausführung mit 400 ccm. Überwiegend wurden „Goggos“ mit 250 ccm von Besitzern des älteren Führerscheins 4 gefahren, aber da Friedhelm vor kurzem den „richtigen“ Autoführerschein gemacht hatte, durfte es bei ihm etwas mehr sein. Dadurch war das Transportproblem gelöst und mit Werners Mithilfe wurde der recht schwere Brocken von Motorblock auf die (Kinder)Rücksitzbank des Goggos gehievt und nach Köln gebracht. Als der Motor nach wenigen Tagen fertig war, konnte Friedhelm noch mal als „Autoverleiher“ fungieren und ein Ende der Baustelle begann sich abzuzeichnen. So wurde zunächst die Kurbelwelle in das peinlich von Honrückständen gesäuberte Gehäuse eingebaut und Pleuel mit Kolben montiert. Beim probeweisen Durchdrehen der Kurbelwelle wäre mir fast das Herz stehen geblieben ! Die Kolben ragten jeweils bei ihrer Stellung im oberen Totpunkt genau 6 mm über die Dichtfläche hinaus. Wie war das möglich? Erst jetzt kam ich auf den Gedanken, alte und neue Kolben miteinander zu vergleichen. Entgegen der Zusage von Hess Motorenteile war die Kompressionshöhe doch nicht gleich, sondern differierte um eben jene 6 mm. Jetzt war das Kind also in den Brunnen gefallen und musste irgendwie wieder herausgeholt werden. Natürlich hatten auch Werner und andere „Fachleute“ dieses Desaster mitbekommen und hielten sich mit Spott nicht zurück. Allerdings beteiligten sie sich kreativ an der Suche nach Lösungsmöglichkeiten. Dieses sollte zu ihrer Ehrenrettung nicht unerwähnt bleiben. Die Lösung bestand in einer 6 mm dicken (der Fachmann sagt „starken“) Stahlblechplatte, die mit allen Bohrungen und Durchbrüchen nach dem Muster der Zylinderkopfdichtung angefertigt wurde, diesmal von Mitarbeitern meines ehemaligen Ausbildungsbetriebes. Die zusätzliche, nicht unbedingt notwendig gewesene, Aktion mit den dickeren Kolben hat sich am Ende doch gelohnt. Die Durchzugskraft des Motors hatte sich spürbar verbessert und ich brauchte fortan viel weniger zu schalten. Auf der Suche nach der Ursache des Kurbelwellenschadens bin ich nie so richtig fündig geworden. Einzig und allein der Umstand, dass der Kombi im Gegensatz zum gleichnamigen PKW kürzer übersetzt war und ich ihn speziell auf langen Autobahngefällen recht munter drehen ließ, könnte ein Anhaltspunkt gewesen sein. Noch ein weiteres Mal zeigte sich, dass der Slogan vom zuverlässigen OPEL nicht unbedingt auf den FORD übertragen werden konnte. Diesmal war es das Differentialgetriebe, das ich allerdings von einer Werkstatt reparieren ließ. Nicht auf das Konto der FORD Ingenieure hingegen ging eine verbeulte Fahrertüre, der auf einem Waldparkplatz am Nürburgring ein Baum im Wege gestanden hatte, und der war stärker gewesen !

Unter der Woche besorgte ich mit dem Kombi entweder meine Ersatzteile oder lieferte Fahrzeuge aus, am meisten allerdings Fahrräder. Mopeds habe ich nicht so gerne transportiert, weil diese flach hingelegt werden mussten, wobei besondere Vorkehrungen getroffen werden mussten, damit kein Öl oder Benzin auslief. Allerdings muss ich sagen, dass nur wenige Kunden ihr betriebsunfähiges Fahrzeug hätten abschleppen lassen – auf diese Idee sind sie gar nicht gekommen. Ich vermied es tunlichst, schlafende Hunde zu wecken. Allerdings wurden auch bei Garantiefällen im Gegensatz zu heute diese Kosten von den Herstellern nicht übernommen.


Die ITOM Tabor war ein typische Italienerin

Weil die Firma Mohr zwischenzeitlich die zu teure Fertigung der AMOR Spezial eingestellt hatte, bot sie als Alternative die fertig aus Italien importierte ITOM Tabor mit 50 ccm an. Unter anderem durch ihren Zentralrohrrahmen mit Unterzügen und die goldfarbene Rahmenlackierung mit knallrotem Tank sah die Itom bildhübsch und richtig „schnell“ aus ! Um der Firma Mohr zu helfen, das Fahrzeug bekannt zu machen und das Bedürfnis „meiner“ Zeitung nach Neuigkeiten zu befriedigen, schrieb ich einen Fahrbericht über die Itom, deren Motor zuvor auf die Schnelle eingefahren worden war. Hauptaugenmerk legte ich auf die Beschreibung des motorradmäßigen Fahrgestells, das wirklich dazu angetan war, herkömmliche Vorstellungen zu sprengen. Leider lagen die Fahrleistungen (sprich Höchstgeschwindigkeit) nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Um nicht den Eindruck zu erwecken, bei meinem Bericht handele es sich um so etwas ähnliches wie ein „Gefälligkeits-Gutachten“ für Alfons Mohr, gab ich nur die mit 3,25 PS nicht gerade berauschende Motorleistung an, verzichtete auf Angaben zur Höchstgeschwindigkeit und erwähnte dann allerdings noch die für ein solches Fahrzeug geglückte enge Getriebestufung. Versuche, das Maschinchen meinen Kunden schmackhaft zu machen, scheiterten leider. Nach einer Probefahrt winkten die Interessenten ab – zu langsam und durch den gerade verzahnten Primärantrieb obendrein noch zu laut !

Ich lernte hier schon sehr früh, was anderen Händlern oder sogar dem Versender Neckermann später auch aufging: Italienische Kleinkräder - und nur diese Gattung – haben leistungsmäßig nie Anschluss an die Übermacht der deutschen Hersteller finden können, weil sie dort aufgrund anderer Gesetze kein Thema waren. Eines Tages verpasste ich meiner „Standuhr“ Itom einen FLORETT Motor, der sich trotz der Verkleidungsbleche sehr gut in die Optik des Rennerles einfügte. Nun war der Verkauf dieses Exoten kein Problem mehr und ich bin sicher, dass ein solch motorisiertes und serienmäßig produziertes Maschinchen reißenden Absatz bei der damaligen Jugend gefunden hätte.

In Sachen GARELLI ..........

Gute Chancen hingegen räumte ich einem ganz anderen italienischen Fahrzeug ein, nämlich dem 50 ccm Roller von Agrati mit dem schönen Namen Capri. Zugpferd sollte hierbei der SACHS Motor sein. Vor allem bei älteren Kunden stand dieser Motor in hohem Ansehen, dessen Ursache die 98 ccm Motoren aus den Vorkriegsjahren mit unbestrittenen Qualitäten waren. Aus diesem Grund hatte der Importeur Hans Helmig aus Köln auf dem Einbau dieses Motors bestanden, obwohl die Roller in Italien mit einem Garelli-Motor angeboten wurden. Man wusste, dass deutsche Kunden allem „Ausländischen“ skeptisch gegenüberstanden und glaubte, mit dem SACHS Motor das große Los gezogen zu haben. Viele Jahre lang habe ich immer wieder erlebt, dass ältere Leute, ob nun selber Kunde oder Geldgeber für Kinder und Enkel, bei jedem Fabrikat als erstes fragten: „Hätt dat dann och ene SACHS Motor ?“ Nun gut, erste Verkaufserfolge stellten sich ein, obwohl die SACHS Motoren jener Jahre ihrem Ruf nicht immer mehr gerecht wurden. Nur in einem einzigen Punkt gelang den Italienern ein Verbesserung der deutschen Triebwerke, nämlich bei der Schaltung. Die Handschaltung des SACHS Motors wie auch die fast aller anderen deutschen Fabrikate arbeitete mit einem einzigen Seilzug. Das Schalten der Gänge erfolgte durch Verdrehen des Schaltgriffs bei gezogener Kupplung. Zur Verriegelung der Gänge ragte eine Nase am Kupplungshebel in entsprechende Aussparungen. Schalten ohne zu kuppeln war also nicht möglich, eine an sich sinnvolle Lösung, die aber mit einem großen Nachteil verbunden war: Während die einzelnen Gangstellungen am Schaltgriff immer genau definiert waren, musste das im Getriebe nicht unbedingt der Fall sein. Schon bei einem etwas schwergängigen oder nicht haargenau eingestellten Seilzug griffen Schaltklauen oder Schaltkeile im Getriebe nur halb ein, was zu frühzeitigem Verschleiß und Herausspringen der Gänge führte. Wie mir schon an der Itom Tabor aufgefallen war, gingen die Italiener einen anderen Weg. Bei ihren Motoren befand sich die Schaltscheibe mit Rasten und Arretierungen direkt am Motor, wodurch allerdings zwei Seilzüge erforderlich wurden. Bei dieser Konstruktion rastet der Gang im Getriebe in jedem Fall hundertprozentig ein, egal nun, wie genau oder ungenau die Schaltzüge eingestellt sind. Ich plädiere bis heute für diese Art der Schaltbetätigung, obwohl sie schalten ohne zu kuppeln erlaubt und mich bzw. meine Versicherung mal eine Schaufensterscheibe gekostet hat: Zwecks Beurteilung eines Fehlers hatte ein Kunde seinen Roller mit laufendem Motor vor unserem Schaufenster geparkt und einen meiner Mechaniker heraus gebeten. Irgendwie muss dieser den Schaltgriff so unglücklich angefasst haben, dass der Gang einrastete, worauf der Roller mit einem Satz der Schaufensterscheibe entgegenstrebte und diese zerlegte. Waren eben noch kernige Typen, die alten Vespas mit ihren schweren Schwungmassen !


Der Roller mir em schönen Namen Capri stammt von der italienischen
Firma Agrati. Die deutsche Kundschaft oderten ihn lieber mit
Sach-Motor, obwohl der Garelli-Motor die bessere Wahl war

Wie gesagt – auch der solcherart umgerüstete SACHS Motor im CAPRI Roller konnte nicht überzeugen. Helmig musste einsehen, dass der originale GARELLI Motor besser war, zumal er bei italienischem Lohnniveau ( ja, ja, dies ist kein neues Thema !) billiger herzustellen war und stimmte der Produktionsumstellung zu. So musste der SACHS Motor in Rente gehen, bevor er noch richtig ans Arbeiten gekommen war.

Importeur Helmig vertrieb die Roller über den Fach-Großhandel – in Köln war es die Firma Gliss und Winter in der Maria-Hilf-Straße - von der ich Fahrräder und Ersatzteile bezog. Die Herren Gliss und Winter wussten von meiner fach-schriftstellerischen Tätigkeit und stellten einen Kontakt zum Importeur her. Grund war der Bedarf an jeweils einem Fahrer- und Werkstatthandbuch in deutscher Sprache. Es muss äußerst schwierig für einen normalen Dolmetscher sein, technisches Italienisch ins Deutsche zu übersetzen, was beim Lesen solcher Dokumentationen bei italienischen Fahrzeugen immer wieder auffällt. Dies zieht sich bis in die Neuzeit hinein und ich bringe hier mal ein kleines Beispiel aus jüngster Zeit zum Schmunzeln:

PIAGGIO n;,
Dear Customer,
Piaggio & C. s.p.a. desires to inform you that your vehicle is equipped by the system" Lights Always On ".
So the light's switch, situated on the right hand side of the handlebar, is not present as written on your Owner's manual.

Netter Kunde,

Piaggio & C. s.p.a. es wünscht sie zu informieren, daß Fahrzeug von Ihnen gekauft ist Immer ohne der Systems "IMMER ENTZÜNDETE LICHTER”
Deshalb im Gegensatz an der Bedienungsanleitung zu Ihrem Fahrzeug, ist es den Schalter Lichter auf der rechte Muff des Lenkers ist nicht anwesend


Zur Erklärung: Mit „immer entzündete Lichter“ ist der Scheinwerfer gemeint, der in einigen Ländern auch am Tag eingeschaltet sein muss – evtl. sogar durch eine Zwangsschaltung. Die Übersetzung ins Englische ist wohl besser gelungen, was mich bei Italienern doch sehr wundert.



Erklärtes Ziel Helmigs war es, diesem schlechten Beispiel nicht zu folgen und Nägel mit Köpfen zu machen. So erteilte er mir den Auftrag zur Erstellung der beiden Broschüren und lud mich zu einer Werksbesichtigung der Werke von Agrati und Garelli in Monticello bzw. Cortenova bei Mailand ein. Agrati fertigte alle möglichen Fahrradteile und das Fahrgestell des Capri Rollers, während Garelli den Motor beisteuerte. Garelli war am Anfang des Jahrhunderts durch die Erfindung des Doppelkolbenmotors bekannt geworden – die Firma erfreute sich eines guten Rufes, vor allem durch den Mosquito Reibrollenmotor, der nach dem zweiten Weltkrieg über 400.000 mal gebaut wurde ! . Die Besichtigung des Werkes hinterließ bei mir einen vertrauenerweckenden Eindruck – begeistert war ich als alter SACHS-Kenner (und manchmal auch –Hasser) von der soliden Konstruktion und Auslegung des Garelli Motors. Die italienischen Unterlagen hatte man bereits übersetzt, sie lasen sich so ähnlich wie das vorhin zitierte Beispiel. Es sollte für mich zu Hause kein Problem sein, diese in eine vernünftige Form zu bringen. Neben den Werksbesichtigungen wurde ich aber auch eingeladen und lernte bei den Restaurantbesuchen, wie man z.B. als Italiener feudal speist, wobei Helmig sich nicht lumpen ließ. Mein bescheidenes Vokabular, erworben bei meinen beiden früheren Italienaufenthalten, erweiterte sich um bis dato nicht bekannte Begriffe wie Antipasti, Pasta Asciuta, Cappucino, Espresso Corretto, Grappa und was der guten Dinge mehr sind. Weitere interessante Begegnungen mit italienischer Lebensweise stellten sich bei der Rückfahrt ein. Helmigs Haupt-Handelsvertreter hatte mich im Käfer nach Monticello transportiert – eine nicht gerade komfortable Beförderungsweise, wobei er die gesamte Strecke durch die Schweiz und den St. Gotthard Tunnel alleine fuhr. Abwechselnd habe ich mir mit seiner Ehefrau die Rücksitzbank für kleine Schläfchen geteilt. Für die Rückfahrt hatte man mich am Abreisetag um Mitternacht zum Mailänder Hauptbahnhof gebracht. Mein Abteil war mit lauter Italienern besetzt, wobei ich dem Wort „lauter“ noch eine zweite Bedeutung als Beschreibung des die ganze Nacht hindurch anhaltenden Geräuschpegels geben muss. Dies besserte sich erst am Morgen, als die Italiener nach und nach ausstiegen und eine ruhigere Spezies Mensch in der Schweiz das Abteil neu bevölkerte. Mit Schlafen war es dann leider vorbei und es wurde Mittag, ehe ich Bonn erreichte und mir ein Taxi nach Wesseling nahm. Immerhin hatte ich mir auf der Bahnfahrt ab dem Morgengrauen viel Gegend betrachten können, ein Vergnügen, auf das ich beim Autofahren jeweils weitgehend verzichten musste.

Besonders das Fahrer-Handbuch sollte für Laien leicht verständlich sein und auch Anleitungen für kleinere Wartungsarbeiten und Reparaturen vermitteln. So war es gewünscht und auch wichtig, weil der CAPRI Fahrer nicht an jeder Ecke eine Werksvertretung wie bei deutschen Marken erwarten konnte. Ich glaube, dass mir dies alles recht gut gelungen war und möchte auch nicht verschweigen, dass ich bei Text und grafischer Gestaltung ein wenig vom damals besten Handbuch – dem des KREIDLER Florett – abgeguckt habe. Sowohl vom Werkstatt- als auch vom Fahrerhandbuch befindet sich noch je ein Belegexemplar in meinem Fundus. Ach ja – beinahe hätte ich es vergessen: Zwar hatte ich bei der Markteinführung einen der ersten CAPRI Roller mit SACHS Motor verkauft. Als die Modelle mit GARELLI Motor dann endlich kamen, hatte ich bereits ein anderes Modell zum Star erhoben: den 50 ccm Roller von VESPA, dem am Ende auch ein weitaus längeres Leben beschert war als dem CAPRI. Allerdings hat sich meine am Anfang dieser Story geäußerte Markteinschätzung in Bezug auf die Gattung der kleinen schon damals bewahrheitet, auch wenn es nicht der CAPRI, sondern das Großserienmodell von VESPA geworden ist.


Hans Perscheid um 1965. Probefahrt auf dem Werksgelände von
Agrati in Cortenova. Dieser Capri-Roller sah nur so aus wie eine Vespa

Zaghafte Zuwendung zum neu auflebenden Motorradgeschäft mit MAICO

Im zuletzt geschilderten Zeitraum war meine Angebotspalette mit den Marken KREIDLER, HERCULES, ZÜNDAPP und VICTORIA bereits gut aufgestellt. Von den ehemals sieben Zweiradläden war außer mir nur die Firma Koch übriggeblieben. Nach wie vor beschränkte ich mich noch auf die 50 ccm Klasse, was sich aber ändern sollte. HERCULES und ZÜNDAPP hatten wieder 100 ccm Maschinen ins Programm genommen, im Falle der Zündapp allerdings ein vom Kleinkrad abgeleitetes Modell. Einige Kunden, sowohl jüngere als auch ältere, kamen dahinter, dass die kaum teureren 100 er viel billiger in der Versicherung als Kleinkrafträder waren und mit weit besseren Fahrleistungen aufwarten konnten. Diese Fahrzeuge waren im Grunde aber als „Arbeitstiere“ konzipiert, sportliches Flair ging ihnen ab. Zu diesem Zeitpunkt löste ich mich von der selbst gewählten Hubraumbeschränkung und verkaufte auch einige 100 er zusätzlich. Einer meiner Kunden, Theo Sch. aus Brenig, hatte seine 50 er gegen eine 100 er ZÜNDAPP getauscht und kam nach kurzer Zeit mit Appetit auf mehr Leistung auf mich zu.. Nach seiner Vorstellung sollte es eine 125 er MAICO sein und ich sollte sie ihm beschaffen. Von diesem Ansinnen war ich zunächst nicht besonders begeistert. Der Name MAICO war mir zwar vom Motocross Sport und den Bundeswehr Maschinen her gut bekannt, dem einzigen Segment, wo MAICO noch eine Bedeutung hatte. Die Straßenmotorräder 175 Supersport mit Breitwandzylinder und die Zweizylinder Taifun sowie die Großradroller Maicomobil und Maicoletta waren schon fast Vergangenheit, und die Einstellung deren Produktion hatte das Werk in Schwierigkeiten gebracht. In der Fachpresse hatte ich Bilder des neuen Modells mit einem sehr sportlichen Fahrwerk gesehen, wobei es sich offensichtlich um „Erlkönige“ gehandelt hatte. Dies sind zum Schutz gegen voreilige Presseveröffentlichungen zumindest optisch stark abgewandelte Prototypen. Als nun frappierende Leistungsdaten und technische Details, insbesondere die Ausrüstung mit einem Drehschieber, bekannt wurden, lief Theo offene Türen bei mir ein. Ich nahm Kontakt mit der Firma auf und bekundete mein Interesse. Ich sollte nach Anlauf der Produktion in Kürze mit einer der ersten Maschinen beliefert werden. Erst viel später ist mir aufgegangen, dass diese und noch weitere Zusagen zumindest im Anfang meiner Geschäftsbeziehung Schall und Rauch waren. Ich wurde immer wieder vertröstet und wollte meinen Erstauftrag schon stornieren. Eines Tages dann ließ der Verkaufsleiter Henning (ein schlitzohriges Nordlicht, den sich die wackeren Schwaben ob seines Verkaufstalents an Land gezogen hatten) die Katze aus dem Sack mit der Nachricht, ich könne jetzt endlich ein Vorserienexemplar bekommen, allerdings ohne KFZ-Brief ! Ursache war eine zu schwache Leistung des italienischen Magnetzünders, der bei 6 Volt lediglich 25 Watt für den Scheinwerfer lieferte, während 35 Watt vorgeschrieben waren. Henning meinte, dies sei lediglich ein Hemmnis für die Erlangung der ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis), während eine Einzelabnahme beim örtlichen TÜV wohl keine Schwierigkeit bereiten würde. Ich ließ mich darauf ein und bekam einen Sonderrabatt eingeräumt. Die Maschine holte ich selber in Pfäffingen bei Tübingen ab. Von einer richtigen Produktion war dort wenig zu sehen, was mich erstaunte. Auf Anfrage erhielt ich zur Antwort, diese befände sich im Werk Herrenberg, wohin ich allerdings auch bei meinen mehrfachen späteren Besuchen bei MAICO nie gekommen bin.




Maico MD 125 aus den 1960er Jahren (links) und die Geländesportvariante von 1970 (rechts)

Nach der Rückkehr führte mich mein erster Weg nach Köln zum TÜV in der bangen Erwartung, welche Knüppel die „Götter in grau“ mir wohl in die Speichen werfen könnten. Es ging aber alles glatt und ich bekam meinen KFZ-Brief. Das zu schwache Licht hatten sie nicht bemerkt oder es hatte sie nicht interessiert.

Die gut 12 PS der ersten MD 125 entsprachen einer Literleistung von fast 100 PS, einem fast unglaublichen Wert. Dementsprechend ging das kleine Biest „wie Sau“ und Theo war mit seiner Neuerwerbung, die ja noch ein echter Prototyp war, sehr zufrieden. Auf solche Prototypen waren auch noch andere Händler aus dem Ruhrgebiet scharf und ich übernahm für ein weiteres halbes Dutzend dieser Maschinen die TÜV Abnahme. Trotzdem kam seinerzeit der Verkauf weder der Maico noch anderer sportlichen Motorräder so richtig in Gang, und ich setzte meine Hoffnungen auf das baugleiche Kleinkraftrad MD 50. Ähnlich wie schon bei der 125 er musste ich auch auf die erste 50 er lange warten, wobei der Film mit ständigen Vertröstungen wieder ähnlich ablief.

Als die kleine MAICO endlich im Laden stand, brauchte ich auf einen Käufer nicht lange zu warten. Die Optik sprach für sich und die technischen Vorzüge gegenüber anderen Fabrikaten wusste ich in Verkaufsgesprächen ins rechte Licht zu rücken. Zwar hatte ich bei den ersten Probefahrten eine Motorleistung registriert, die im Verhältnis zur 125er recht mager ausfiel, verließ mich aber auf Zusagen von MAICO, wonach sich dies nach der Einfahrzeit geben würde. Das allerdings wollte und konnte ich nicht glauben, wurde doch kaum eines der damaligen Fahrzeuge – trotz Vorschrift im Handbuch – noch eingefahren, weil es schon beim damaligen Stand der Technik nicht mehr nötig war und leistungsmäßig auch nichts brachte. Nachdem ich alle infrage kommenden Punkte überprüft hatte und keinen Fehler fand, informierte ich MAICO. Ich erfuhr, dass eine Schwergängigkeit des Getriebes infolge zu strammer Lagersitze die mittlerweile in der Serie behobene Ursache dafür sei und solle den Motor einschicken. Diese Sache interessierte mich so sehr, dass ich den Motor zunächst einmal zerlegte und dann damit ins Werk fuhr, weil mir das die Sache wert und die Kosten zweitrangig waren. Im Werk nun wurden die Lager im kalten Zustandwelch eine Barbarei ! - aus dem Gehäuse herausgedrückt. Anschließend nahm der Versuchsmechaniker Hans Hinn alte Lager und drückte diese mehrfach ins Gehäuse aus und ein. Dadurch sollten die Lagersitze – auf „russisch“, wie Hinn einräumen musste - geweitet werden. Technischer Hintergrund dieser Aktion, bei der ich dachte, mich träte ein Pferd, ist der Umstand, dass die äußeren Kugellagerringe durch mehr oder weniger enge Sitze zusammengedrückt, die inneren Lagerringe durch zu große Presssitze auseinandergedrückt werden. Dies kann zu unzulässig kleinen Lagerspielen und dadurch klemmenden Lagern führen. Bei MAICO waren Kugellager mit erhöhtem Lagerspiel (Bezeichnung C3, C4 oder sogar C5) mit denen man Ungenauigkeiten in der Lagersitzbearbeitung ausgleichen kann, offensichtlich unbekannt und wurden erst daraufhin eingeführt. Schnell machte ich mich wieder auf den Heimweg, der mir noch in unangenehmer Erinnerung verblieben ist. Wegen einer total verschneiten Autobahn konnte ich mit meinem Transportfahrzeug – mittlerweile war es ein VW Bullynur schleichen, wodurch der luftgekühlte Käfer Motor nicht auf Temperatur kam. Unter solchen Verhältnissen wäre es noch nicht mal in einem Käfer warm geworden, geschweige denn in meinem Bus, der keine Trennwand zum Laderaum hin besaß. Noch lange habe ich an den Folgen der dabei zugezogenen Erkältung herumgedocktert.


Maico MD 125 Motor auf der Werkbank, seziert von Hans Perscheid.
Auf dem Kurbelgehäuse sieht man den Flansch zum Anbringen des Vergasers;
darunter befindet sich der Drehschieber

Nach dem Einbau des „optimierten“ Motors in der heimischen Werkstatt stellte sich – wie erwartet – immer noch keine durchgreifende Besserung ein. Trotz meiner Beschwerden wollte man bei MAICO nicht glauben, dass ihr Produkt leistungsmäßig hinter den Konkurrenzfabrikaten herhinkte. Angeblich läge die an der Kurbelwelle gemessene Leistung über den Angaben der Konkurrenz, was gestimmt haben mag, denn bei den Leistungsangaben von KREIDLER beispielsweise hatte man immer schon vermutet, dass diese nach unten „korrigiert“ wurden. Bei der MAICO kamen erhebliche Verluste durch den Umstand hinzu, dass alle Bauteile für die Leistung des 125 er Motors dimensioniert waren. Dadurch entstanden hohe Reibungsverluste im 5-Gang-Ziehkeilgetriebe, bei der Kraftübertragung durch die überdimensionierte Motorradkette und den breiten 3 Zoll Hinterreifen. Der Beweis dafür war ja – wie ich immer anführte – ganz einfach durch einen Vergleich auf der Straße zwischen einer MAICO und einem Konkurrenzfabrikat (KREIDLER, ZÜNDAPP und HERCULES nahmen sich damals kaum noch etwas) zu führen. MAICO bat mich, ihnen eine ZÜNDAPP für diesen Versuch abzugeben und ich erklärte mich bereit, dafür nur meinen Händlereinkaufspreis zu berechnen. Dies alles geschah jeweils telefonisch. Nach in Pfäffingen durchgeführten Vergleichsfahrten bestätigte man meine Reklamation und gelobte Besserung, die kurz danach in Form eines geänderten Zylinders eintraf. Nach dessen Montage lief die Maschine endlich einigermaßen zufriedenstellend. Man teilte mir mit, dass man die Zündapp wieder zurückschicken wolle, ich möge ihnen die Kosten für die kurzzeitige Nutzung berechnen. Das stand aber im Gegensatz zu unserer telefonischen Vereinbarung und ich bestand auf Bezahlung wie vereinbart. Ich habe dann über ein halbes Jahr darauf gewartet, bis die Rechnung endlich bezahlt wurde.

Bis hierhin war mein MAICO MD Abenteuer überwiegend nur Ärger gewesen. Andere Händler hatten in dieser Phase sicherlich schon das Handtuch geworfen und dadurch bei MAICO die Alarmglocken ausgelöst. Trotzdem wollte ich nicht mit MAICO brechen, hatte ich doch mit dem Verkauf von Moto-Cross Ersatzteilen (überwiegend Motorenteile) ein kleines zusätzliches Standbein(chen) geschaffen. Ich bekam die Teile zum Großhandelspreis und belieferte sowohl Crosspiloten als auch Händler in ganz Nordrhein-Westfalen, von denen es allerdings nicht viele gab. Diese Geschichte wurde noch ausgeweitet, indem ich auch den Vertrieb der anderen Ersatzteile, hauptsächlich derer für Bundeswehrmaschinen, übernahm. Das Ganze stellte sich jedoch als große Luftblase heraus. Es gab in meinem Vertragsgebiet Nordrhein-Westfalen nicht mal ein halbes Dutzend Händler, die sich noch mit MAICO beschäftigten. Da ich diesen einen Händlerrabatt fast in Höhe meines Großhandelsrabatts einräumen musste, lief das Ganze auf eine reine „Geldwechselei“ hinaus und wurde wieder abgebrochen. Vertragsgemäß konnte ich die auf Lager genommenen Teile wieder zurückgeben und erlitt dadurch keinen Verlust. Da diese Aktion friedlich verlaufen war und verbesserte MD Modelle in Sicht waren, blieb ich bei der Stange, was sich dann doch noch gelohnt hat.. Der Primärantrieb im Motor wurde von Kette auf Zahnräder umgestellt, als Lichtmaschine fand nun eine solche von BOSCH für 35 Watt Scheinwerferlicht Verwendung. Bei der 50 er wurde der bei Maico gefertigte Aluzylinder mit Buchse durch einen Nikasilzylinder von MAHLE ersetzt, der richtig viel Leistung hatte. Bei der 125 er hatte man die Leistung auf knapp 15 PS durch einen riesigen Aluzylinder mit Buchse gesteigert. Trotz konstruktiver „Altlasten“ hatte dieser Motor noch jede Menge Leistungsreserven, die er im Rennsport beweisen konnte. Viele Jahre war dort gegen die mit relativ simplen Methoden getunten Renn-Maicos kein Kraut gewachsen ! Als von der Zeitung „Das Motorrad“ eine MD 125 auf dem Nürburgring im Beisein des Chefkonstrukteurs Günther Schier getestet wurde, war ich dort zugegen und sollte auch eine Runde fahren. Zunächst hatte ich Hemmungen, denn meine aktive Motorradpraxis lag schon Jahre zurück – meine täglichen Probefahrten einmal UK und zurück über die Ahrstraße zählten da schon nicht mehr. Ohne aktives Kurventraining und ohne größere Kenntnis der Maschine schaffte ich die Nordschleife in 14,5 Minuten. In meiner Sturm- und Drangzeit war ich mit der Zweizylinder ADLER bei doppeltem Hubraum gerade mal eine halbe Minute schneller gewesen.


Bis in die 1980er Jahre baute Maico in Serie Wettbewerbsmotorräder, die im Moto-Cross-
und Geländesport sehr erfolgreich eingesetz wurden. Beim Start des Moto-Cross Rennens
am 01. Mai 1971 in Euskirchen-Billig sind die Maicos in der 250er und 500er Klasse in der Überzahl


Hans-Josef Schmitz aus Glokrath auf einer 250er Maico 1972
im Billiger Wald

Zwar waren die neuen MAICOS hin und wieder schlampig zusammengebaut, größere Probleme gab es damit eigentlich nicht – auch die Konkurrenz litt unter kleinen Wehwechen, meistens durch pofelige Zubehör- und Ausrüstungsteile bedingt. Allerdings mussten wir alle 50 er Maschinen vor der Auslieferung mit größeren Düsen bestücken, weil sie viel zu mager liefen. Auch das wollte man bei MAICO nicht glauben. Diesmal war es die Crew von MAICO, die hier in Wesseling an Ort und Stelle ausprobieren wollte, was mir im Grunde klar war: In höheren Lagen erfordern Motoren wegen der dünneren Luft kleinere Düsen; bei der „dicken“ Wesselinger Luft bei nur 40 m über dem Meeresspiegel hingegen größere. Wichtiger als diese Erkenntnis war aber für die Schwaben die offerierte Möglichkeit, unseren Prüfstand zu benutzen. Mein Wunschtraum noch aus der Ausbildungszeit bei Rövenich war mittlerweile realisiert worden. Bevor ich hier weiter fortfahre, ist zu erwähnen, dass diese Episode vom Themenrahmen „.....bis zur Meisterprüfung“ her zwar nicht mehr hierhin gehört, aber zum Verständnis meiner damaligen MAICO Aktivitäten wichtig ist. Wie gesagt besaß ich jetzt – nunmehr schon in der Keldenicher Straße – einen wenn auch überwiegend selbst gebauten professionellen Rollenprüfstand. Hier wurde die Leistung am Hinterrad ermittelt, was wesentlich aussagekräftiger als die Messung an der Kurbelwelle ist. Entscheidend ist schließlich, was tatsächlich hinten ankommt, und das interessierte auch die Leute von MAICO brennend. Im eigenen Werk hatten sie nur eine Motorbremse (Prüfstand zur Messung der Kurbelwellenleistung).

Als dann beide Modelle gar noch ein Sechsgang-Getriebe bekamen, hatte ich wirklich einen Verkaufsschlager in der Hand und habe dafür gesorgt, dass ich im weiteren Umkreis auch einziger Anbieter dieser Marke blieb. Der gut laufende Absatz der exclusiven Maicos brachte auch einen entsprechenden Teileumsatz mit sich, waren deren Piloten doch überwiegend jugendliche „Heizer“, deren Fahrweise eben aufs Material geht. Bei der seinerzeitigen friedlichen Beendigung meines Großhandelsstatus hatte ich einen höheren Rabatt herausschlagen können, als er anderen Einzelhändlern gewährt wurde, der mir bis zum Ende der MAICO Geschäftsbeziehungen erhalten blieb. Bei den im Anfang zaghaft angelaufenen Verkäufen der MD 125, des ersten richtigen Motorrads in meinem Programm, konnte man kaum die bevorstehende Renaissance des großen Motorrades erahnen. Dies änderte sich mit dem Auftreten japanischer Hersteller fast schlagartig. Hier im Kölner Raum sorgten zuerst die HONDA CB 72 (ich erinnere an den legendären Wolfgang Sommer) und die YAMAHA DS 3 meines Freundes Werner für neuen frischen Wind, der auch mich voll erwischte und zum Einstieg in dieses Segment führte, was aber eine andere Geschichte ist. Qualität und Leistungsfähigkeit der Japaner sprengten seinerzeit alle Vorstellungen und ließen kleine Hersteller wie MAICO ganz schnell alt aussehen. Diese Darstellung sollte als Grund für meine Trennung von dem stets klamm gewesenen schwäbischen Kleinbetrieb genügen, womit ich die Beschreibung der etwa zehnjährigen MAICO Ära beenden möchte. Bis zum heutigen Tag ist in meiner Vorstellung MAICO jedoch der Auslöser für die Ausweitung vom Fahrrad/Mopedladen zum Motorradhändler gewesen.

Der Schritt zur Familie

Wie schon im Vorwort erwähnt, nehmen in meinen Erinnerungen natürlich auch familiäre Belange einen entsprechenden Raum ein. Zum Schutz dieser Privatsphäre erzähle ich hier nur ganz kurz Erlebnisse, die für Zeitzeugen damals noch normal waren, heute jedoch Kopfschütteln hervorrufen dürften.

1962 lernte ich meine spätere Ehefrau Bärbel kennen, mit der ich mich 1963 verlobte. Zu dieser Zeit waren Verlobungen durchaus noch üblich. Mit gedruckten Verlobungsanzeigen angekündigt feierten wir nach altem Brauch im Familienkreis. Heiraten wollten wir erst, wenn wir eine gemeinsame Wohnung beziehen könnten. Hier nun lag der Hund begraben. Es herrschte in diesen Jahren eklatanter Wohnungsmangel und die „Wohnungsämter“ führten lange Bewerberlisten. Tatsächlich machten diese Abteilungen für Wohnraumvermittlung einen beträchtlichen Teil der Verwaltung aus.

Als Einzelperson – oder Single, wie man heute sagt – hatte man schon gar keine Aussicht. Nur Familien wurden in die Listen aufgenommen. Trotzdem haben wir es geschafft, erst einmal in diese Liste aufgenommen zu werden und haben lange vor dem geplanten Termin der kirchlichen Trauung den Standesbeamten bemüht und die zivilrechtliche Trauung vorgezogen. Damit hatten wir der schriftlich übermittelten Auflage genügt, vor dem Einzugstermin die Eheschließung nachzuweisen. Diesen Brief habe ich bis heute aufgehoben

Nach einiger Zeit stellte man uns eine Appartement-Wohnung in einem Neubau in Aussicht und eines Tages kam dann die Nachricht, wir könnten in drei Monaten einziehen. Wir legten unseren Hochzeitstag in die Nähe des genannten Bezugstermins, mussten dann allerdings doch noch warten. Auch damals schon – das mussten wir lernen – wurden im Termine im Bauwesen kaum je eingehalten. Ich habe dann noch 6 Wochen bei meinen Eltern und Bärbel bei ihrer verwitweten Mutter gewohnt, bevor wir endlich einziehen konnten.

Unsere „Einraum“-Wohnung unterteilten wir mit einem Vorhang in je einen Schlaf- und Wohnbereich und waren erst mal zufrieden und glücklich. Nach einem knappen Jahr spielte der Zufall uns zu – wir konnten eine etwas größere Dachgeschoßwohnung über unserem Ladenlokal mieten. Das kam uns sehr gelegen - schließlich hatte sich auch schon Nachwuchs angemeldet.

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Zur Fortsetzung




Text: Hans Perscheid
Fotos: Archive Hans Perscheid und Hans Peter Schneider

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