Zurück zur Übersicht der Erinnerungen
Beruf, Alltag und Freizeit mit dem Motorrad
„AMOR Spezial“ von Alfons Mohr – klein aber fein Durch den Bericht in einer kleinen Fachzeitschrift (Das Moped und die Kleinmotorisierung) war ich auf ein bis dato unbekannt gewesenes Fahrzeug, die AMOR Spezial gestoßen. Dieses war ein Kleinmotorrad im italienischen Stil mit einer stabilen Telegabel und einem motorradmäßig aussehenden Motor von ILO mit gleicher Nennleistung von 3 PS wie beim Florett. Da dieser Motor auch noch Fußschaltung besaß - die ersten Floretts hatten nämlich noch Handschaltung – gab ich diesem Modell echte Verkaufschancen und nahm Verbindung mit dem Hersteller Alfons Mohr auf, der im Nettetal bei Mayen in der Eifel seinen Betrieb hatte. Bei meinem ersten Besuch dort muss ich wohl etwas dumm drein geguckt haben, hatte ich doch zumindest eine kleine Fertigungshalle erwartet, stand jedoch plötzlich auf einem kleinen Hof zwischen einem Wohnhaus und einem kleinen Werkstattgebäude, in dem eine Drehbank und einige andere kleinere Werkzeugmaschinen standen. Auf der Drehbank wurden im Kundenauftrag Zylinder ausgebohrt und auch gehont. (Zylinderschleifen nennt man diese Kombination der beiden Arbeitsgänge landläufig) Eine richtige Honmaschine suchte ich vergeblich. Alfons Mohr hatte sich schon lange mit der Leistungssteigerung an Zweitaktmotoren befasst und war in der Szene als Motorentuner bekannt. Das Kleinkraftrad AMOR (Name abgeleitet von Alfons Mohr) bauten Vater Mohr und Sohn Helmut in handwerklicher Einzelanfertigung aus Komponenten zusammen, die sie fast ausschließlich aus Italien bezogen und die im Gegensatz zu den eben geschilderten VICTORIA Einkäufen qualitativ ohne jeden Tadel waren. Nur der ILO Motor M50 war ein deutsches Produkt. Der Clou nun war, dass Alfons Mohr durch Änderung der Kanäle im Zylinder und Anbau eines 16 mm Dell’Orto Vergasers dem Motor ein ganzes PS mehr einhauchte, als er von Hause aus besaß. Diese Leistungssteigerung reichte, um damals als einziges Konkurrenzfahrzeug die schnellen Floretts zu jagen. Trotz meiner anfänglichen Skepsis gewann ich Vertrauen zu der Arbeit von Mohrs und bot dieses nur auf Bestellung gebaute Fahrzeug mit Erfolg an. So war ich gleichzeitig Händler der größten deutschen Motorradfabrik (nach dem Sterben der deutschen Motorradindustrie war KREIDLER tatsächlich zum größten Hersteller – wenn auch kleiner – Motorräder – geworden) und der vermutlich kleinsten Manufaktur auf diesem Gebiet. Wie klein, erfuhr ich erst vor kurzem nach über 40 Jahren von Helmut Mohr: es wurden insgesamt 85 Fahrzeuge gebaut, von seinen wenigen Händlern hatte ich im Verhältnis noch die meisten davon verkauft. Helmut Mohr ist heute auf der Suche nach einem seiner damals gebauten Kleinkrafträder zwecks Restaurierung als Erinnerungsstück. Leider konnte ihm bis jetzt noch keiner helfen, es hat offensichtlich außer einer in seinem Besitz befindlichen Mopedversion kein weiteres Fahrzeug überlebt.. Keinesfalls versäumen möchte ich, den abenteuerlichen Transport der Fahrzeuge von Mayen nach Wesseling zu schildern. Dazu fuhr ich mit meinem Gespann nach Feierabend Richtung Nürburgring und dann weiter nach Mayen. Auf die hintere Querverbindung zwischen Motorrad und Seitenwagen hatte ich zwei Laschen geschweißt, an welche die unteren Gabelfäuste nach Ausbau des Vorderrades geschraubt wurden, um das Krad hinterher ziehen zu können. Vor der Heimfahrt – meist um Mitternacht – wurde noch ausgiebig geklönt. Die Großfamilie Mohr war außerordentlich gastfreundlich und ließ mich nie ohne Abendessen losfahren. Für den Rückweg vermied ich wegen der vielen Kurven den Weg durch die Eifel und fuhr über Brohl am Rhein entlang nach Hause. Nicht auszudenken, wenn man heutzutage mit einem solchen „Nachläufer“ am Gespann in eine Kontrolle geriete – von wegen typgeprüfter Anhängerkupplung, normgerechter Beleuchtungseinrichtung usw. usw. ! Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass die AMOR Spezial auch in einer Mopedausführung mit Tretkurbeln gebaut wurde , worin der ILO piano Verwendung fand. Im Primärantrieb dieses besonders leisen Motors war die allgemein übliche Kette durch einen Zahnriemen ersetzt. Es war dies der erste mir bekannte Einsatz eines Zahnriemens in einem Motorfahrzeug, lange bevor dieses Konstruktionselement Einzug beim Nockenwellenantrieb von Viertakt-Motoren hielt, wo es heute Standard ist. Leider riss der im Ölbad laufende Riemen schon mal. Der Schaden kündigte sich allerdings in der Regel so früh an, dass man es noch bis zur Werkstatt schaffte. Das Auswechseln war keine große Aktion und recht preiswert zu bewerkstelligen. |
|||
Oftmals war bei solchen Aktionen auch Werner K. dabei. Dieser hatte schon ganz im Anfang mal meinen Laden betreten und mir seine VICTORIA Swing vorgestellt. Dieses skurrile Motorrad war – ebenso wie die Imme – eine Konstruktion von Norbert Riedel, der nach dem Konkurs seiner Riedel Werke in Immenstadt zu VICTORIA gegangen war. Auch dieses Motorrad war mit nicht auskurierten Kinderkrankheiten – besonders bei der elektrischen Druckknopf-Schaltung des Ziehkeil-Getriebes – behaftet, was sich schnell bei den Kunden rumgesprochen hatte. Werner Kolzem hat sich dann ganz schnell – wie auch die meisten anderen Fahrer – von diesem Stück getrennt und war auf eine 650 er BSA umgestiegen. Seine SWING hatte ich mal probegefahren – bei der BSA musste ich passen, weil mein damaliger Führerschein 4 nur bis 250 ccm reichte. Werner Kolzem war Anlagenfahrer bei der UK, handwerklich sehr geschickt und im Schichtdienst eingesetzt. An seinen freien Tagen hielt er sich oft in meiner Werkstatt auf, wobei er mir auch schon mal zur Hilfe ging. Es entwickelte sich bald ein freundschaftliches Verhältnis zu dem etwas älteren Motorradfan, der auch bei allen möglichen Fahrten ( z.B. Winterfahrten zum Elefantentreffen nach Stadtoldendorf und zum Feldberg ) Gast in meinem Seitenwagen war. Dies hat ihm offensichtliches Vergnügen bereitet – er fühlte sich als mein Beifahrer vermutlich sicherer als auf seiner eigenen Maschine, auf der er mich umgekehrt nie mitgenommen hat. Sein Name wird im Verlauf der „ Erinnerungen“ wohl noch öfter auftauchen. Besonders in der kälteren Jahreszeit war ich werkstattmäßig nicht immer ausgelastet und es war morgens soviel Zeit vorhanden, dass wir ein ganzes Pfund Rosinenbrot – spendiert von Werner, der es nebenan bei Wörner geholt hatte – und auf dem Werkstatt-Ölofen gewärmten Kakao verkimmelten. Den Kakao bekam ich jeden Morgen vom Hausmeister der gegenüberliegenden Südschule gebracht, der gerne an unserem Klön teilnahm – bezahlen konnte ich wie die Schulkinder jeweils einmal für die ganze Woche. Zu dieser Zeit war es dann auch kein Problem, mal eben eine Flasche Propangas auszuliefern, wenn einer Hausfrau bei der Bereitung des Mittagessens das Gas ausgegangen war. Oftmals passierte das allerdings zu ungünstigen Zeiten, kurz vor Mittag, wenn ich vielleicht einen Kunden im Laden hatte und alleine war. Da auch die Verdienstspanne an einer solchen Propangasflasche nicht gerade berauschend war, haben wir diese Geschichte doch verhältnismäßig schnell wieder eingestellt, obwohl Vater nicht gerade begeistert davon war. |
|||
Bei der Vorbereitung für größere Touren kümmerte Werner sich um Luftdruck, Kettenspannung oder machte sich mit dem Gilster-Hobel an den Reifen zu schaffen.. Er sorgte auch zum Beispiel dafür, dass wir immer ein Flasche DESOLITE K an Bord hatten. Was ist denn das nun wieder, wird jetzt mancher Leser fragen. Hier ist jetzt die Gelegenheit, etwas über die obligate Mischungsschmierung damaliger Zweitakter zu verbreiten: Spezielle Zweitaktöle ohne die bei Viertaktern erforderlichen Additive mit einer Viskosität von SAE 50 mussten kräftig mit Benzin – meist im Verhältnis 1 : 25 – vermischt werden. Dazu wurde an der Tankstelle zuerst das Öl in eine spezielle Mischkanne und danach das Benzin gefüllt. Mit einer Art Pumpmechanismus wurde die Brühe durchgepanscht und dann in den Tank gekippt. Da die zu tankende Menge vorbestimmt werden musste, war der Tank nachher entweder nie richtig voll oder aber es war zu viel angemischt worden – kluge Köpfe hatten dafür immer einen Reservekanister zur Hand, um keine Einbuße zu erleiden. Durch die damalige schlechte Sprit- und Ölqualität kam es bei Zweitaktern mit ihrem offenen Kurbelhaussystem vielfach zu Korrosionen an der Kurbelwelle. DESOLITE K war einer der wenigen je angebotenen Zusätzen mit bewiesener Wirkung gegen Korrosion. Nach dem Tanken schritt dann Werner zur Tat und kippte einen Schuß dieses Wundermittels in den Tank. Die Empfehlung für dieses Mittel stammte natürlich auch aus unserer Motorradfahrer Bibel „Das Motorrad“, ebenso folgten wir einem weiteren Tipp und verwendeten das eigentlich für Dieselmotoren bestimmte SHELL Rotella, das viel billiger als Zweitaktöl war. Diese ganze Prozedur wurde den Kunden aber mit der Zeit lästig und die Ölhersteller brachten sogenannte selbstmischende Öle auf den Markt. Diese Öle aus der Dose (was würde jetzt Herr Trittin wieder dazu sagen) wurden zusammen mit dem Benzinstrahl eingefüllt und machten die Mischkanne überflüssig. Wir mochten diesen vorverdünnten Ölen nicht so recht trauen und fuhren weiter die weitaus billigere Kombination Rotella/Desolite. Dank Werners Verbindungen fuhren wir fortan mit 250 statt mit 200 ccm. Wer nun glaubt, ich hätte der ADLER einfach 2 größere Zylinder verpasst (was mit etlichen Nebenarbeiten möglich gewesen wäre) irrt sich gewaltig und wird nachfolgende Geschichte kaum für wahr halten: Mit seiner BSA trieb Werner sich an seinen freien Tagen nicht immer nur in meiner Werkstatt, sondern auch in der Kölner Motorradszene herum, die aus einigen Fahrern dicker englischer Brocken oder BMW Fahrern bestand, die sich auf freundschaftliche Weise immer darüber stritten, ob die soliden BMWs oder aber die immer Öl verlierenden, jedoch sportlicheren englischen Ladies - Slogan: „All swimming in oil“ – die besseren Motorräder seien. Der kleinere Bruder eines solchen „Elefantentreibers“, wie man diese Fahrer nannte, besaß eine ADLER MB 250, die er partout gegen meine schwächere MB 200 tauschen wollte. Hierzu muss man wissen, dass beide ADLER Modelle baugleiche und auch äußerlich fast identische Motorräder waren, die sich nur durch andere Zylinder mit entsprechend angepasster Auspuffanlage und größeren Bremstrommeln unterschieden. Sogar die metallicgrüne Farbe und auch der optische und von außen sichtbare technische Zustand war gleichwertig. Warum nur war der „kleine Heiler“ (seinen Vornamen habe ich vergessen) so scharf auf meine schwächere Maschine, für die er seine stärkere hergeben wollte – auch von einem Wertausgleich war nicht die Rede ? Da musste man doch von einem verborgenen Mangel oder ähnlichem ausgehen, der jedoch bestritten wurde. Der stärkere Motor und die besseren Bremsen haben mich jedoch am Ende – vor allem im Hinblick auf den Gespannbetrieb – so gereizt, dass ich auf den Tausch eingegangen bin. Meine Befürchtungen haben sich nicht erfüllt – ein verborgener Defekt ist nie zutage gekommen – allerdings habe ich auch nie die wahren Gründe für den Tausch herausgekriegt. Ich erwähnte die am Seitenwagen angeschweißten Laschen für den Transport der AMOR Maschinen. Diese Schweißarbeit war mit einem Trafo ausgeführt worden, den ich kurz zuvor gekauft hatte. Zwar hatte ich von Anfang an ein autogenes Schweißgerät zur Verfügung, wozu ich mir die damals sehr preiswerten mit Sauerstoff bzw. Gas gefüllten Flaschen selbst bei LINDE in Sürth abholte. Ein elektrisches Schweißgerät, so wie man es heutzutage in Baumärkten nachgeschmissen bekommt, war jedoch sündhaft teuer. Dies änderte sich, als ein in der Nähe wohnender Student der Elektrotechnik in Eigenregie gebaute Schweißtrafos zu erschwinglichem Preis in der Zeitschrift „Das Motorrad“ anbot. So war ich jetzt komplett gerüstet für Hartlötarbeiten sowie autogene und elektrische Schweißarbeiten und musste vor keiner dieser Arbeiten zurückschrecken – sogar Rahmen für spätere Rennmaschinen und ähnliches habe ich damit bearbeiten können. Schweiß- und Lötarbeiten sind bis heute eine meiner Lieblingsbeschäftigungen geblieben, woran auch die vielen durch Schweißspritzer zerstörten Hosen und Hemden nichts ändern können ! |
|||
„Frisierte Mopeds“ – nicht immer legal Das folgende Thema ist ein teilweise heißes Eisen, an dem sich im Prinzip bis heute nichts geändert hat. Es geht darum, dass Fahrer von motorisierten Fahrzeugen ihren Untersatz oftmals als zu lahm empfinden und über Möglichkeiten der Abhilfe nachsinnen. Dies ist ein leicht nachzuvollziehender Wunsch, dem aber oftmals Grenzen durch behördliche Bestimmungen gesetzt sind. Diese können sich auf die technischen Bauart-Vorschriften oder aber auf Führerscheinbestimmungen beziehen und einen ganzen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Um dies nun konkret auf die Situation der damaligen Mopeds und Kleinkrafträder einzugrenzen, will ich hier nur einige Punkte anreißen. Bei beiden Kategorien war der Hubraum auf 50 ccm begrenzt. Durch Erhöhung des Hubraums (wozu immer Möglichkeiten bestanden) hätte man die Leistung erhöhen können, wobei jedoch schon eine grundsätzliche Bestimmung verletzt worden wäre. Es gibt jedoch Methoden der Leistungssteigerung, die ohne Erhöhung des Hubraums möglich sind. Eine beliebte Methode war der Einbau eines größeren Vergasers, die vor allem von den FLORETT Fahrern genutzt wurde. Bei diesen Kleinkrafträdern gab es kein gesetzliches Geschwindigkeitslimit und tatsächlich wurden diese Fahrzeuge auch bereits ab Werk von Jahr zu Jahr schneller. Die Jungs mit den großen Vergasern – meistens vom italienischen Hersteller Dell’Orto - verstießen in der Regel höchstens gegen Geräuschvorschriften, weil sie diese ohne Ansauggeräuschdämpfer fuhren. Kritischer waren solche Manipulationen bei Mopeds, die laut Gesetz nur 40 km/h laufen durften, dafür aber zunächst auch keinen Führerschein und später nur den einfach zu erwerbenden Führerschein 5 erforderten. Wenn nun ein Mopedfahrer es den schnellen Florett Fahrern gleichtun wollte und mit dem Wunsch nach mehr Leistung in die Werkstatt kam, konnte man als Händler nicht immer sein Ohr verschließen. Vielfach hatten die Burschen schon selbst Hand angelegt, kamen aber mit der erforderlichen anderen Vergasereinstellung beispielsweise nicht zurecht. Wer wollte einem solchen Schiffbrüchigen in dieser Situation Hilfe verweigern ? Man klärte die Leute über ihr „frevlerisches und gesetzwidriges Tun“ auf und hat am Ende das Moped zur Zufriedenheit des Kunden auf Vordermann gebracht. Landläufig hat man diese Arbeit mit „Frisieren“ bezeichnet, ein Ausdruck der mir nicht gefiel und den ich eher mit dem Wort „Nacharbeit“ umschrieb, ich wollte nicht unbedingt der Mopedfriseur der Nation sein. Überflüssig, zu erwähnen, dass ein verkehrsunsicheres Fahrzeug mit miesen Bremsen allerdings schlechte Karten bei mir gehabt hätte. Die geschilderte Bereitwilligkeit sprach sich schnell herum und für eine gewisse Zeit habe ich im Nachhinein betrachtet vielleicht doch ein bisschen zuviel des Guten getan. Mein Know how auf diesem Gebiet habe ich dadurch aber ständig erweitert und es später noch beim Herrichten einer eigenen Rennmaschine anwenden können. Kurze Zeit später war es sogar möglich, solche Arbeiten halbwegs legal auszuführen, was durch folgenden Umstand möglich wurde: Durch eine Gesetzesänderung durften Mopeds nun auch in einer zweisitzigen Ausführung gebaut werden. Bei Kreidler verpasste man dem Florett einfach Tretkurbeln und drosselte die Geschwindigkeit auf 40 km/h. Ein solcherart gedrosseltes Fahrzeug konnte natürlich auch wieder in ein ungedrosseltes Fahrzeug umgewandelt werden, eine Änderung, die sogar vom TÜV abgenommen wurde. Wenn der Käufer eines solchen Fahrzeugs den Führerschein machte, konnte er ein derart umgebautes Modell ganz normal anmelden. Andere Mopedhersteller waren nicht alle in der komfortablen Lage wie Kreidler, sondern mussten völlig neue, dem Soziusbetrieb gewachsene Fahrzeuge konstruieren, die es dann auch meistens in einer Moped- und in einer Kleinkradversion gab. Hier waren dann plötzlich auch Umbauten in beiden Richtungen möglich. Die Motoren waren ab Werk mit verschiedenen Komponenten (Zylinder, Kopf, Vergaser, Auspuffanlage, Übersetzung) bestückt. Der nachträgliche Austausch dieser Teile war natürlich teuer. Ich entwickelte Methoden, durch Feinarbeit an Zylindern und Köpfen, Vergasern und Auspuffanlagen die Leistung zu steigern, ohne teure Neuteile zu benutzen. Wie zuvor schon erwähnt, konnten diese Mopeds ganz legal in den Verkehr gebracht werden. Später habe ich alle diese Kniffe, zugeschnitten auf über ein halbes Dutzend verschiedene Motorentypen, in einer Fachzeitschrift beschrieben, deren Mitarbeiter ich mal einige Zeit war. An einer anderen Stelle habe ich schon mal den Ausdruck „peanuts“ benutzt, den ich für das zuvor Geschilderte noch mal wiederholen möchte. Dabei spiele ich auf die heutigen Fachzeitschriften an - sicherlich über ein halbes Dutzend an der Zahl - die ihren Lesern Schlechtigkeiten empfehlen, die Gott wirklich verboten hat, auch wenn sie nicht in den zehn Geboten stehen. Ganz zu schweigen von den Verführungen, die das Internet auch hier bietet. Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, ich habe damals Tag und Nacht an Mopeds rumfrisiert – Pardon: „nachgearbeitet“ – der trifft nicht die ganze Wahrheit. Wie schon mehrfach geschildert, war ich Motorradfahrer mit Leib und Seele und es will mir heute nicht mehr in den Kopf, was ich in den insgesamt nur drei Jahren mit der ADLER und meinen Freunden alles unternommen habe. Einige Fahrten werde ich – mehr zu meiner eigenen Erinnerung – lediglich streifen, andere etwas ausführlicher schildern, weil mit der Beschreibung der letzten größeren Fahrt diese wunderschöne und erlebnisreiche Zeit unwiederbringlich zu Ende ging, bevor mit dem ersten Auto eine ganz andere Ära für mich eingeläutet wurde. Bereits in der Anfangszeit hatten Heinz Z. und ich mit Günter St. als Sozius mal eine Fahrt in den Westerwald unternommen. Unterwegs legten wir eine Pause ein, wozu wir einen Bauernhof ansteuerten, der von Bekannten (oder entfernten Verwandten ?) meines Freundes Heinz betrieben wurde. Irgendwie kam das Gespräch auf mein Geschäft und die Bauersleute meinten, ein neues Fahrrad gut gebrauchen zu können. Ich solle ihnen doch ein solides Damenrad zuschicken. Nun hatte ich doch überhaupt noch keine Erfahrung mit Versand und solchen Dingen. Auch die Frage der Bezahlung schien mir schwierig zu sein, in meinem Geschäft gab es nur Barzahlung. Mir wurde jedoch versichert, das Geld für das Fahrrad sofort nach Erhalt mit der Post zuzuschicken. Bangen Herzens, ob das auch klappen würde, bestellte ich ein VICTORIA Damen-Tourenrad und schickte es dorthin. Tatsächlich brachte der Geldbriefträger kurze Zeit später den Rechnungsbetrag und Erleichterung stellte sich ein. Die Geldbeförderung mit der Post war vor dem Zeitalter von Privat-Giro- und Lohnkonten eine ganz normale und vielgenutzte Einrichtung. So brachte der Postbote manchem Bürger den Lohn oder die Rente bar ins Haus und kassierte oftmals ein erkleckliches Trinkgeld dafür. „Ja, das waren noch Zeiten für uns“ höre ich jetzt im Geiste meinen Bekannten und ehemaligen Postler Walter S. sagen. Meine Befürchtungen bezüglich der Bezahlung hatten natürlich einen Grund gehabt. Meine normalen Kunden kamen überwiegend aus dem Arbeitermilieu. Für die Bezahlung von Fahrrädern, Ersatzteilen oder Reparaturen ließen manche sich viel Zeit, was unsere knappe Kapitaldecke arg strapazierte, aber kaum zu vermeiden war. Schon bald nahmen wir Kontakt zur Warenkreditgenossenschaft WKG in Brühl auf, die dann Fahrräder und Mopeds finanzierte. Im Gegensatz zu heutigen Verträgen trugen wir eine Mithaftung. Kamen Kunden mit ihren Ratenzahlungen in Verzug, wurde uns die Restsumme rückbelastet und wir konnten sehen, wie wir an unser Geld kamen. Etliche Fahrräder habe ich aus den Wohnungen der Käufer wieder herausgeholt, was damals ohne Gerichtsbeschluß oder ähnliche Formalitäten möglich war oder zumindest nicht beanstandet wurde. Auf jeden Fall waren solche Aktionen immer äußerst unangenehm. Die Erfahrung mit dem „Westerwald-Fahrrad“ hatte mein Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft der Kunden ganz allgemein aber wieder etwas gestärkt. Trotzdem habe ich geschafft, das „Anschreiben“ nach und nach zu reduzieren. Im Laufe der Jahre bekam man natürlich einen Blick dafür, welchen Kunden man vertrauen konnte. Diese Erfahrung habe ich dann in meiner letzten beruflichen Phase als Einzelkämpfer in der Keldenicher Straße genutzt. Ein paar Jahre lang in den Neunziger Jahren habe ich die meisten Roller auf Rechnung verkauft, was ein besonderes Vertrauensverhältnis zu meinen Kunden geschaffen hat. Die Rechnungen wurden prompt überwiesen ! Bei einem größeren Geschäftsumfang mit Angestellten ist diese Methode sicherlich nicht mehr angebracht. Erwähnen möchte ich noch, dass unsere Familie früher selbst einmal Kreditnehmer bei der WKG gewesen war, wo noch zu meiner Schulzeit Bekleidung „auf Pump“ erworben werden musste. Nun bin ich aber gespannt, ob ich mich bei meinen weiteren Schilderungen auf die eigentlichen Touren beschränken kann, oder ob ich wieder so weit abweichen werde wie vorhin. |
|||
Mit Freunden unterwegs Bei Ausfahrten, die irgend etwas mit dem Thema Motorrad zu tun hatten, war überwiegend Werner K. mein „Schmiermaxe“, derjenige nämlich, der das Hinauslehnen aus dem Seitenwagen so hervorragend beherrschte. Passagiere waren auch meine Eltern, mit denen ich zu Familienfeiern etwa nach Krauthausen bei Jülich fuhr, Mutter saß dann natürlich im Beiwagen. Ansonsten hatte ich meistens Friedhelm F. und Rolf L. an Bord. Friedhelm war ein Ur-Kölner und erst vor kurzem hier hingezogen, während Rolf bereits zur alten Garde der „Schwarzwaldstraßen-Dynastie“ gehörte, ebenso wie Günter S. der auch in dieser vornehmen Straße der roten Siedlung wohnte, die sich in Wesseling Süd befand. Nahm ich Günter St. mit, war unterwegs mindestens ein Halt an einer Bäckerei angesagt: Günter war ein großer Liebhaber von süßen Backwaren – ich übrigens auch – die er „Cremeschnittchen“ nannte. Die ersten Straßen dieser Siedlung waren im Krieg als Behausung für Beschäftigte der UK – meist Führungskräfte – entstanden. Diese stammten größtenteils aus dem sächsischen LEUNA, hatten das Werk mit aufgebaut und waren nach dem Kriege hier verblieben. Ihr sächsischer Dialekt war uns bestens vertraut. In ihrer Heimat war zum erstenmal die Herstellung von Benzin aus Braunkohle nach dem Fischer-Tropsch –Verfahren industriell angewandt worden, das zweite für die Nazis so kriegswichtige Werk entstand in Wesseling. Meine oben genannten Freunde – von denen allerdings keiner sächsischer Abstammung war - hatte ich in der Pfarre St. Marien kennen gelernt, im Chor oder bei Veranstaltungen mannigfacher Art. Über die Woche verteilt gingen wir abends schon mal ins „Hotel Adler“ ein Bierchen trinken, verbunden mit einer Runde Skat, am Wochenende dann konnte so eine gemeinsame Ausfahrt stattfinden. Werner Kolzem verkehrte nicht in diesem Kreis – er war Atheist, mit einem ganz anderen privaten Bekanntenkreis, was unserer Freundschaft aber keinen Abbruch tat. Bei einer Fahrt an den Neckar war ein anderes Medium, nämlich Wasser im Spiel gewesen, das mir schwer zu schaffen machte. Auf dem Zeltplatz in Ziegelhausen bei Heidelberg angekommen, machten wir uns sogleich daran, unser Zelt aufzubauen. Ich baute sodann den Seitenwagen ab und montierte das größere Kettenritzel für den Solobetrieb, weil ich unbedingt wieder nach Hause fahren musste. Das war so geplant und ich wollte meine Kameraden zwei Tage später wieder dort abholen. Gegen Abend, als ich losfahren wollte, begann es stark zu regnen. Ich fuhr trotzdem los, kam aber nur bis zur Autobahn, wo ich wegen des wolkenbruchartigen und nicht aufhören wollenden Regens in der Dunkelheit jedwede Sicht und Orientierung verlor. Jeder weiß, dass auch heutzutage die Wirksamkeit von Scheinwerfern bei regennasser Straße in der Dunkelheit nach wie vor miserabel ist. Die damals übliche Funzel 6 Volt/35 Watt musste bei diesen Verhältnissen vollends passen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich ganz vorsichtig und langsam wieder zum Zeltplatz zurück zu schleichen. Unser Zelt war diesem Regen auch nicht gewachsen und undicht geworden, aber irgendwie waren wir ja auch harte Burschen und haben das überstanden. Allerdings musste Vater einen Tag Urlaub nehmen, damit der Ladenbetrieb aufrecht erhalten werden konnte. Wir waren zwar schon rein aus Liebe am Fahren unterwegs, brauchten jedoch auch immer ein Ziel. Ein Besuch der Weltausstellung in Brüssel im Jahre 1958 versprach uns ein besonderes Erlebnis, also nichts wie hin. Nachdem am Samstagmittag der letzte Kunde bedient war und ich mich zu Hause hergerichtet hatte, fuhren wir los. In Aachen verließen wir die langweilige Autobahn und durchquerten die Stadt in Richtung Belgien. An einer leichten Steigung am Ausgang der Stadt heulte plötzlich der Motor auf, weil kein Antrieb mehr vorhanden war. Ich hatte zunächst eine gerissene Kette im Verdacht, was aber „leider“ nicht der Fall war, denn für solche Eventualitäten hatte ich vorgesorgt. Es musste also am Getriebe liegen, zu dessen Reparatur auf der Landstraße ich werkzeugmäßig nicht gerüstet war. Es wäre auch wenig sinnvoll gewesen – wo hätte man am Samstag-Nachmittag ein Ersatzteil her bekommen sollen. So war diese Tour beendet, bevor wir überhaupt die Grenze erreicht hatten. Wir schoben das Gerät in die Stadt zurück und fanden eine noch offene Garage, wo wir es unterstellen konnten. Wir latschten dann weiter zu Fuß zum Hauptbahnhof, wo ich mich vor den Fahrkartenschalter stellte und großmännisch „ 3 mal Dritter Köln“ ordern wollte, so wie ich das früher bei unseren Bahnfahrten nach Düren von meinem Vater gehört hatte. Ich musste mir das verwundertes Gesicht des Bahnangestellten anschauen und erfuhr, dass es die „Dritte Klasse“ schon seit Jahren nicht mehr gäbe und diese durch die Zweite Klasse ersetzt sei ! So geht die Zeit an einem vorbei ! Für den Rücktransport in der folgenden Woche musste Heinz Zingsheim mit seiner JAWA 250 herhalten. Ein Ende vom Abschleppseil wurde am Heck der Jawa befestigt, das andere zwei-dreimal um den Lenker des Gespanns gewickelt und das letzte Stück des Seils mit der Hand festgehalten. Bei einer brenzligen Situation konnte man dadurch blitzschnell die Verbindung der beiden Fahrzeuge trennen. Normalerweise war das Abschleppen Motorrad-Motorrad auch damals schon verboten. In einem Artikel - na, in welcher Zeitung wohl – war der Autor der Meinung gewesen, dass man unter Hinweis auf diese Sicherheitsvorkehrung einer evtl. Anzeige entgehen würde. Sei’s drum, wir kamen nicht in eine solche und erreichten unbehelligt die Heimat. In meiner Werkstatt mit den entsprechenden Hilfsmitteln war die Getriebereparatur keine große Sache, es wurden lediglich ein paar Kleinteile benötigt. Die Panne bei Aachen war übrigens die einzige, die mich in meiner ganzen ADLER Zeit zur Heimfahrt mit der Bahn zwang. Kleinere Pannen unterwegs sind häufiger als heutzutage bei den japanischen Motorrädern vorgekommen, die ja eine für Werkstattleute erschreckend hohe Zuverlässigkeit erreicht haben. Ich konnte diese Defekte jedoch alle unterwegs beheben. Der größte war noch an meiner ersten MB 200 in Form eines Kolbenschadens in Bonn aufgetreten. Mit Bordmitteln hatte ich am Straßenrand die gebrochenen Kolbenringreste im rechten Zylinder entfernen können. Danach musste der linke Zylinder alleine die schwere Arbeit verrichten, was nicht ganz seiner Bestimmung entsprach, denn für Zweizylinder-Motoren gilt ganz allgemein: Gemeinsam sind wir stark ! Wenn ich auch im Laufe der Zeit von kleineren Pannen nicht verschont blieb: Mein ADLER Motor, der nach dem Viertakter der NSU Max (Werbeslogan: Mit Motorrad meint man Max) der leistungsfähigste Zweitakter war, zeigte sich gesund und absolut vollgasfest ! Das glauben mir heutzutage längst nicht alle ADLER-Spezialisten aus dieser Zeit, von denen es ja noch einige gibt. Trotzdem großes Ehrenwort – es war so. Man fuhr entgegen den guten Ratschlägen von Leuten wie Vater Z. und anderen die Gänge bis zum Stehkragen aus, allerdings erst dann, wenn der Motor auch richtig warm war. Die einzige Ausnahme passierte bei nächtlichem Nachhausekommen – da schlich ich mich im höchstmöglichen Gang und mit niedrigster Drehzahl durch die Straßen der roten Siedlung, um niemanden zu wecken. In unserer Wohnung im ersten Stock brauchte ich mich nur noch leise durch den Flur zur Küche zu begeben, wo Mutter oftmals noch ein Schälchen Pudding oder irgendeine andere Leckerei für mich hingestellt hatte – wie Mütter so sind. Mittlerweile war ich ihr ja als einziges „Kind“ erhalten geblieben, weil meine Schwester den früheren Organisten unserer Pfarre geheiratet hatte und nach Leverkusen gezogen war. Dadurch hatte ich jetzt das vormals mit ihr geteilte Zimmer für mich alleine und etwas mehr Platz für meine Belange. So kaufte ich mir im Laufe der Zeit ein eigenes Radio, einen Plattenspieler und später sogar mal ein Philipps –Tonbandgerät, das so groß wie ein kleinerer Koffer war. Den Plattenspieler brauchte ich zum Abspielen meiner Klassik-Platten, die ich mir jeden Monat auf Subskriptionsbasis bestellte, einer Methode, die auch bei Büchern (Bertelsmann Verlag) beliebt war. Dazu konnte man jeden Monat einmal entscheiden, ob man die vorgeschlagene Platte haben wollte oder nicht. Aufgrund der durch die Festbestellungen genau kalkulierbaren Produktion waren diese Platten bedeutend billiger als im Geschäft. Man merke: Das alles war lange vor SATURN ! Mein musikalischer Geschmack war nicht zuletzt durch die im Chor vermittelte klassische Musik auf dieses Gebiet gelenkt worden, womit nicht gesagt sein soll, dass mir der geliebte Jazz nicht mehr gefallen hätte. Man stand damals am Beginn einer Entwicklung, die Musik nicht mehr fanatisch nach Epochen einordnet und ausschließlich nur eine Richtung verficht, sondern nur noch in Richtung guter oder schlechter Musik unterscheidet. Das vorhin erwähnte Ausfahren der Gänge ( teilweise auch angeheizt durch Artikel in „Das Motorrad“) war nicht die einzige Beanspruchung, die der ADLER Motor aushalten musste. Unsere langen Touren mit dem dreifach besetzten Gespann gingen teilweise über längere Autobahnstrecken – z.B. nach Hockenheim. Dabei gönnten wir weder uns noch dem Motor eine Ruhepause. Ob ich nun an Steigungen zurückschalten und den Motor mit Vollgas im kleinen Gang jubeln lassen musste, oder ihm bei langen Gefällen erhebliche Überdrehzahlen zumutete – nie hat er diese Behandlung krummgenommen oder gar durch einen der gefürchteten Kolbenklemmer quittiert. Trotzdem lag vorsichtshalber – man weiß ja nie, was kommen könnte – der „vorsichtige Finger“ auf dem Kupplungshebel, was bedeutet, dass die Hand den Lenkergriff fest umfasst, der Zeige- und evtl. Mittelfingerfinger jedoch auf dem Kupplungshebel ruht, um im Fall der Fälle blitzartig auskuppeln zu können. |
|||
Navigator |
|
Text: Hans
Perscheid
Fotos: Archiv Hans Perscheid