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Helmut „Speedy“ Clasen
Kölner wurde „Gelände-Legende in Nordamerika“

Vom Fahrradsport zum Motorradsport

Zweiradsport ohne Motor bis zur Olympiareife

Im September 1935 in Köln geboren, hatte Helmut Clasen schon immer eine Beziehung zu allem was Räder hat und fährt. Die ersten zehn Jahre seines Lebens waren bestimmt vom Zweiten Weltkrieg, der ihm und seiner ganzen Generation in Deutschland in gewisser Weise die Kindheit geraubt hatte. Ab 1941 nahmen die Bombenangriffen auf Köln zu und 1944 war dort gar kein guter Ort zum Wohnen mehr.


Helmut Clasen 1951 als Sieger
eines Kölner Radrennens

Seine Beziehung zum Fahrrad konnte er erst nach dem Krieg mit dem, was der Krieg übrig gelassen hatte, entwickeln. Hinzu kamen Helmut Clasens sportliche Ambitionen, die ihn bis heute offenbar nicht verlassen haben. 1948, im Jahr der Währungsreform, die zugleich die „Stunde Null“ nach dem Krieg beendete, bestritt er, noch nicht ganz 13 Jahre alt, sein erstes Fahrradrennen. Weitere folgten und bestimmten weitgehend seine Freizeitplanungen. Sonntags wurde „gerannt“ und unter der Woche trainiert. Die Wahrheit der alten Weisheiten „ohne Fleiß keinen Preis“ und „dass noch nie ein Meister vom Himmel gefallen ist“, denn die hatten zuvor alle viel geübt, war ihm da schon aus eigener Erfahrung bewusst. 1950 zog er mit seiner Familie ins südöstlich von Köln und am Rande der Wahner Heide gelegene Rösrath. Bis 1955 gewann er schließlich mehr als 50 Radrennen. Nicht ohne Grund war er deshalb 1956 für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Melbourbe (Australien) qualifiziert und dort sollte er für das Deutsche Team in der Disziplin Radrennfahren starten. Ein böser Berufsunfall und eine nachhaltige Fußverletzung verhinderten jedoch schließlich seine Olympiateilnahme und waren Anlass für seine sportliche Neuorientierung.

Motorsport damals
Motorsport in den 1950er Jahren fand in ganz anderen Welten statt als in denen von heute. Die Renntechnik auf der immerwährenden Suche nach der noch schnelleren Lösung wartete noch auf tausende Ideen von Renningenieuren und Supertüftlern. Dementsprechend waren die Motorleistungen noch nicht so hoch und auch die Materialqualitäten und die Standfestigkeit der Technik waren geringer als heute. Fahrwerke, Bremsen und Reifen würden heute kaum mehr den Qualitätsanforderungen von Serienmaschinen für den Straßenverkehr genügen. Dafür waren die Pisten für den Straßenrennsport sehr viel lebensgefährlicher als heute. Kiesbetten gab es nicht. Grand-Prix-Strecken verliefen teilweise über Landstraßen und durch Städte und vor die Alleebäume und Häuserecken legte man mehr zur Beruhigung des Gewissen Strohballen. Im normalen Straßenverkehr war noch nicht an eine Helmpflicht für Motorradfahrer zu denken. Moto-Cross, Geländesport (Enduro) und Trial steckten im Nachkriegsdeutschland noch in den Kinderschuhen. Dafür strömten die Zuschauer in solchen Scharen und Massen zu den Wettbewerben und Rennen, von denen Veranstalter heute nur träumen können.

Prominente Förderung durch das Team
um Wolfgang Graf Berghe von Trips

Schon 1953 machte Helmut Clasens den Motorradführerschein und legte sich als erstes Motorrad eine gebrauchte Victoria 250 Aero aus dem Jahre 1952 zu. Das war zwar ein stattliches Motorrad, aber keines, mit dem man 1956 höhere sportliche Lorbeeren ernten konnte. Schon lange hatte Helmut Clasen die motorradsportlichen Aktivitäten seines Onkels Hans Rolf Clasen beobachtet, der im September 1951 zusammen im Team mit einem gewissen Wolfgang Graf Berghe von Trips in Bad Liebenzell die Deutsche Schwarzwaldfahrt gewann. Diese Schwarzwaldfahrt war im Grnude eine Zuverlässigkeitsfahrt für Motorräder. Derselbe Onkel betätigte sich ebenfalls im noch neuen Motocross-Sport, was den jungen Helmut Clasen schon zu seiner Radrennfahrerzeit beeindruckte. „Der Onkel wagte für damalige Verhältnisse mit der schweren BMW Sprünge, dass die BMW nur so krachte. Aber sie hielt das Rennen durch", erinnert sich Helmut Clasen heute noch beeindruckt.

Nicht weniger beeindruckt war der junge Helmut Clasen aber auch von der Clique Motorsportler, zu der sein Onkel gehörte. Allen voran kein geringerer als der erste große Deutsche Formel 1 Star der Nachkriegszeit, Wolfgang Graf Berghe von Trips, der 1961 auf Ferrari ganz nahe am WM-Sieg war, als im September beim Formel 1 Lauf in Monza ihn und 15 Zuschauer das Leben kostete.

1960 widmete der Spiegel in Heft 21/1960 seine Titelstory diesem Grafen Trips und auch Helmut Clasens Onkel wird darin genannt:
Er (Trips) begann seinen Weg zum "Glück des schnellen Fahrens" 1951 im hintersten Glied des Benzinsports, als Motorradfahrer im Gelände. Mit dem Kölner Installateurmeister Hans-Rolf Clasen und dem Käsefabrikanten Helmut Beyl bildete der Graf im Kölner "Club für Motorradsport" ein auf allen einschlägigen Wettbewerben gefürchtetes Dreierteam, das unter der wenig salonfähigen Bezeichnung "Die Wildsäue" - mit Keilerköpfen auf den Schutzblechen der Maschinen die Siegermedaillen zusammenraffte. Trips war in permanenter Geldverlegenheit. Mannschaftsboß Clasen: "Sie gaben ihm zu Hause kein Geld, aber er bastelte fleißig und fummelte sich eine zwölf Jahre alte BMW-Maschine zusammen."
Helmut Clasen hatte höchstpersönlich erlebt, wie ablehnend
die motorsportlichen Aktivitäten des Grafen Trips von dessen Familie gesehen wurden. Anfang der 1950er Jahre schlich Trips sich regelmäßig von zu Hause weg und Helmuts Tante Lisbeth Clasen versorgte dann nicht nur ihren Mann Hans-Rolf sondern auch noch den Grafen mit „Butterbroten für die sonntägliche Ausfahrt“.

Noch zu der Zeit, als Helmut Clasen Fahrradrennen fuhr, waren sein vorgenannter Onkel, der Graf Trips und der Geländefahrer und Motorrad-Journalist Robert Poensgen seine großen Vorbilder, „die schon klasse im Geländesport waren“. „Oft haben die mich mitgenommen“, erinnert sich Clasen, „und dass ich in dieser tollen Truppe einfach so dabei sein durfte, das war der Anfang meiner Liebesaffäre mit dem Motorradsport. Die drei Wildsäue von Köln, Trips, Clasen und Beyl fuhren damals alle BMW 500; und wenn einer von denen sich – wie so oft – den Knöchel verstauchte, durfte ich die BMW nach Hause fahren, während der Verunglückte den Zug nehmen musste oder wie ein Affe hinter mir auf dem Brötchen hockend den Heimweg antrat“.


Ein Foto aus der Pionierzeit: Helmut Clasens Onkel Hans Rolf Clasen 1951 bei der „Schweren Siebengebirgsfahrt“ in Königswinter. Mit der schweren BMW R 51 und Straßenbereifung hatte er sich vorübergehend in einem kleinen Schlammloch festgefahren. Er war der einzig der schweren Klasse, der überhaupt im Ziel ankam. Natürlich gab es auch Sprunghügel. „Der Onkel wagte für damalige Verhältnisse mit der schweren BMW Sprünge, dass die BMW nur so krachte. Aber sie hielt das Rennen durch".
Die Startnummer lässt ein großes Starterfeld erahnen und Zuschauer waren reichlich erschienen


Hans Rolf Clasen 1951 bei der Wintersternfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Die BMW ist auf dem Hinterradschutzblech mit einem Sitzkissen bzw. „Brötchen“ ausgerüstet, wie es früher bei Straßenrennmaschinen genutzt wurde


Onkel Hans Rolf Clasen chauffiert den Sieger des Gau-Meisterschafts-Motocross-Laufes Otto Flymm – genannt Kabänes – vermutlich am 10.08.1952 in Brühl auf seiner BMW zur Ehrenrunde nach dessen Sieg. Otto Flymm, der spätere Präsident und heutiger Ehrenpräsident des ADAC, dominierte in den ersten Jahren des Motocross in Deutschland die 500er Klasse


Wolfgang Graf Berghe von Trips war mit Helmut
Clasens Onkel ein Team. In einem Spiegel-Artikel
in Heft 21/1960 ist auch von Hans-Rolf Clasen die
Rede


Helmut Clasens kaufte sein erstes Motorrad 1953 für 100 DM
Es war eine Victoria KR 25 Aero. In den Jahren von 1948 -1952
mit nur wenigen Veränderungen gegenüber dem Vorkriegsmodell
gebaut. Das Hinterrad war ungefedert und der 250er Motor leistete
9 PS

Erste Motorrad-Wettbewerbe

Schon 1955 hatte Helmut Clasen für sein Leben entscheidende Schlüsselerlebnisse mit seiner fast serienmäßigen Straßen-Victoria KR 25 Aero mit Vorkriegstechnik und ungefedertem Hinterrad. Die naheliegende Wahner Heide bot ideale Trainigsmöglichkeiten fürs Geländefahren. Dort traf er auf Gleichgesinnte, wie Hubert Simons, Erwin Haselbauer, Walter Kronenberg, Hans Cramer, Max Zimmermann und Eugen Laubmaier. Dieser Kreis aus motorradverrückten jungen Burschen war sich schnell einig darin, einen Motorsportclub, nämlich den MSC Porz zu gründen. Helmut Clasen zählt zu den Mitgliedern der ersten Stunde dieses Clubs. Auch heute noch gehört er diesem Club an; es ist sein „deutscher Motorsport-Club“.

Auf der Homepage der Enduro-Senioren berichtet Leo Keller von Helmut Clasens erstem Motorrad-Wettbewerb: „Zusammen mit den Freunden vom MSC Porz nahm er 1955 völlig unvorbereitet an der Geländefahrt „Rund um Ratingen“ teil, die er für ein Rennen hielt. Anstatt an den Kontrollstellen auf die „Stempelzeit“ zu warten, brausten die „Blauen Teufel aus Porz“ (wegen der königsblauen Club-Pullover) ins Ziel und wunderten sich, daß die Konkurrenten vor den Zeitkontrollen erschöpft pausieren mussten.“

Auch Helmut Clasen erinnert sich lachend an dieses „Rennen“: „ … es mussten mehrere Runden gefahren und jedes mal an der Zeitkontrolle vor dem Zielband gestempelt werden. Da wir das nicht kannten, rasten wir langgestreckt Runde für Runde und immer wenn wir durch die Zielgerade fuhren, schrie es aus den Lautsprechern "Und hier kommen sie wieder,die blauen Teufel von Porz!" Natürlich erwarteten wir bei der Siegerehrung, dass wir alles gewonnen hatten. Das Schmunzeln an den anderen Tischen sahen wir nicht. Aber das Gelächter, als wir schließlich aufstanden und protestieren wollten, war nicht zu überhören. Beschämt schlichen wir von dannen. ...“

Erster Sieg beim zweiten Wettbewerb

„Als ich damit (Victoria) gleich beim zweiten Geländerennen, und zwar in Kempenich „Rund ums Luech Neck“ (?) gewann, war alles gelaufen. So fing das lebenslange Übel an, … mit Geld ausgeben, … usw.“, blickt Clasen nach 55 Jahren zurück.


Sieg schon beim zweiten Rennen. 1955 beim Geländerennen
in Kempenich auf der Victoria Aero


Die blauen Teufel aus Porz 1956 in Ratingen. Ein Jahr vorher wussten die „Blauen Teufel von Porz“ noch nicht, was das mit den Stempelzeiten auf sich hatte

Erstes eigenes GS-Motorrad

1956 musste erst einmal ein geeigneteres Motorrad her. Seine Victoria war für den geplanten anspruchsvolleren Geländesport nicht tauglich, da das Fahrwerk zu veraltet und der Motor zu schwach war.

Anfang der 1950er Jahre gab es zwar von vielen Motorradherstellern hergerichtete Geländesportmaschinen, mit denen sich die eigenen und bezahlten Fahrer in Wettbewerben maßen. Ein Angebot von käuflichen neuen Wettbewerbsmaschinen - sogenannte „Production-Racer“ - existierten faktisch noch nicht. Wer sich als Privatfahrer betätigte, konnte hin und wieder mit viel Glück und viel Geld eine vom Vorjahr ausgemusterte Werksmaschine kaufen. In den meisten Fällen musste, wer gute Platzierungen wollte, sich ein serienmäßiges Straßenmotorrad kaufen und sich dieses für seinen Sport herrichten. Nicht selten fand man in jenen Jahren auch noch Fahrer, die sich mit weitgehend serienmäßigen Straßenmaschinen im Geländesport versuchten. Die Fotos von Helmuts Onkel auf seiner fast serienmäßigen BMW R 51 und auch das Foto des Geländerennens in Kempenich mit Helmut Clasen auf seiner veralteten Victoria zeigen sehr seriennahe Maschinen. In der Regel wurde damit auch „auf eigener Achse“ zum Wettbewerb gefahren.

Helmut Clasen entschied sich 1956 für den Kauf seines ersten neuen Motorrads, und zwar für eine „Straßen-DKW RT 175 S, in herrlichem Metallic-Grün“. Diese Farbe war von seiner damaligen Verlobten Hannelore ausgesucht worden. Die ahnte da noch nichts von Helmuts radikalen motorsportlichen Plänen. „Heimlich wurde die Umrüstung auf Gelände-DKW begonnen: Selbstgebauter hoher Geländelenker, größeres 21“-Vorderrad, hochgelegter Auspuff aus dem Zubehörhandel usw. ...“. Als seine Verlobte Hannelore schließlich dahinter kam, war sie zunächst geknickt und von ihrem Liebsten enttäuscht, aber bald schon verstand sie, dass sie sich bei Helmut Clasen auf eine Beziehung mit einem Motorradsportler einlassen musste. Seine Verlobte Hannelore wurde 1957 seine Ehefrau und sollte ihn über dreißig Jahre lang zu mehr oder weniger jeder Motorradsport-Veranstaltung begleiten. 2007 feierten sie gemeinsam ihre Goldhochzeit und die „Eiserne Hochzeit“ ist noch in der Planung.


Grüne Hochzeit im September 1957 in Rösrath. Die Freunde
des MSC Porz stehen Spalier. Goldhochzeit wurde 2007 gefeiert

Mit seiner selbst hergerichteten DKW sah sich Helmut Clasen für den Geländesport im Jahre 1956 grundsätzlich schon mal gerüstet. Die idealen Trainingsmöglichkeiten in der Wahner Heide, direkt vor seiner Haustür und seine hochmotivierten und qualifizierten Clubfreunde trugen sehr wesentlich zu seiner fahrerischen Entwicklung bei.


Die 1957 in eine „Gelände-DKW“ umgebaute neue RT 175 S
Später wurde das Vorderrad noch durch ein größeres 21“-Rad ersetzt


Außer der Gelände-DKW hatte sich Helmut Clasen auf der Basis einer gebrauchten DKW RT 175 S eine Cross-DKW hergerichtet. Die brauchte
keine Straßenzulassung und durfte nach Herzenslust getunt werden


Die Cross-DKW auf einem speziellen Trailer,
der notfalls hinter ein Motorrad gehängt werden
konnte

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Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Archiv Helmut Clasen

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