Eine 54-jährige Beziehung zu einem Lanz Bulldog

Paul Tils ist Jahrgang 1929. Seine Eltern führten in Rheinbach bereits einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung, Weiden, Getreide und Rübenanbau, also eine richtige Landwirtschaft. Hier wuchs er auf und die Landwirtschaft prägte schließlich sein Leben entscheidend. Wenn man ihn heute fragt, so steht er zu allem was da war und was dazugehört.

Vor dem Krieg wurden bei Tils alle Schlepp- und Transportarbeiten von 2 Pferden und Ochsen verrichtet. Doch schon früh nach dem Krieg hatte man hier die Vorteile der Motorisierung erkannt: Der Motorschlepper entwickelte mehr Kraft, machte bei sehr anstrengenden Schlepparbeiten unter sommerlicher Hitze nicht schlapp und war zudem relativ pflegeleicht.

So kaufte der Vater von Paul Tils 1949 einen „Elfer-Deutz“, also einen Deutz F1M 414 mit 11 PS. Dabei handelte es sich um den typische Kleinbauernschlepper von Deutz, der unmittelbar nach dem Krieg noch aus den verbliebenen Ersatzteilen des Vorkriegsmodells zusammengebaut wurde. Doch schon bald stellte man bei Tils fest, dass dieser Traktor mit seinem Gewicht von einer guten Tonne im Grunde für die betrieblichen Belange viel zu klein war. So wurden in 1950 schon gleich zwei neue Schlepper angeschafft, und zwar einer von Fahr mit 17 PS, der als „Pflegeschlepper“ für die Feinarbeiten auf dem Acker eingesetzt wurde, und ein Lanz Bulldog D 2806 mit 28 PS und einem Gewicht von über 2 Tonnen für Schwerarbeiten, wie das Pflügen der Äcker und das Ziehen schwerer Rübenwagen.

In den 50er Jahren fand Paul Tils in Käthe die Partnerin, die er heiratete und mit der er fortan den elterlichen Betrieb weiterführte.

1955 überzeugte ihn ein in Rheinbach ansässiger Landmaschinenhändler davon, seinem Bulldog den Glühkopfmotor auf „Volldiesel“ umzubauen. Das hatte umfangreiche Änderungen zur Folge. Zwar blieb der Motor ein Einzylinder, jedoch wurde ihm der Glühkopf genommen und er erhielt dafür eine Glühkerze. Mit dem alten Glühkopf musste der Motor zeitaufwändig per Lötlampe vorgeheizt und am Schwungrad mit der Hand regelrecht angeworfen werden. Der Motorenumbau ermöglichte nun, den Motor schon nach der kurzen Vorglühzeit von einer Minute mittels elektrischem Anlasser zu starten. Das war ein Fortschritt. Zudem leistete der „Volldiesel“ jetzt 32 PS bei 900 U/min und kam auch noch mit weniger Kraftstoff aus. Trotz aller nostalgischer Hochschätzung bei heutigen Oldtimerveranstaltungen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade das zu lange Festhalten an dem in den 50er Jahren bereits veralteten Technikprinzip des einzylindigen 2-Takt Diesel-Glühkopfmotors im Grunde das Ende der berühmten Firma Heinrich Lanz Mannheim einläutete. Für den Fortschritt sorgten damals einzelne Landwirte selbst, so auch Paul Tils mit seinem Motorumbau.

Das Unternehmen Tils erlebte die Höhen und Tiefen der Deutschen Landwirtschaft. Außer dem Lanz Bulldog halfen in all den Jahren noch viele andere Schlepper der Familie bei der Arbeit. An ein Oldtimerhobby mit alten Traktoren war 1977 noch nicht zu denken, als mal wieder der Kauf eines neuen Schleppers anstand. Dieses Mal war es ein McCormick mit 60 PS, der Preis bei einem Landmaschinenhändler in Ludendorf war in Ordnung, nicht zuletzt deshalb, weil der für den alten Lanz Bulldog noch ein stattliches Taschengeld zahlte.

So war Paul Tils also seinen Bulldog zunächst einmal los. Vor späterem Gram bewahrte ihn aber schließlich seine Frau Käthe. Der neue McCormick war ja modern, gut, stark und schnell, aber beim Strohpressen bot er für Käthe Tils wegen des tiefen Fahrersitzes und der hohen Kotflügel und Dachaufbauten nur eine eingeschränkte Sicht zur Seite und das war schlecht. Es dauerte auch gar nicht lange, da rief sie ihrem Mann zu: „Ich kann nix senn! Paul, du moss dä ahle Lanz wedde holle jon!“ (Du musst den alten Lanz wieder holen gehen!). Von ihrem Sitzplatz auf dem Lanz waren die Arbeitsabläufe nämlich viel besser zu beobachten. Und als hätte Paul Tils auf diese Worte seiner Frau gewartet, nahm er augenblicklich das „Taschengeld“, das er für den alten Bulldog eingehandelt hatte, fuhr damit zum Landmaschinenhändler nach Ludendorf und – zum Glück stand der alte Traktor noch dort - kaufte ihn damit zurück.

Wie das so oft im Leben mit den Beziehungen ist, braucht es für bestimmte Einsichten vorhergehende einschneidende Erfahrungen. Warum auch immer, hatte der Lanz damals offenbar schon einen Platz im Herzen der Eheleute Tils gefunden. War er doch der treue Gehilfe im Arbeitsleben, mit dem ganz charakteristischen Motorlauf und dem typischen „Bulldog-Sound“; nur ein langsam laufender 1-Zylinder-Motor ist in der Lage, jeden Ausstoßtakt als dumpfen Hammerschlag zu intonieren und dabei das gesamte Fahrzeug vibrieren zu lassen. Der Satz von Käthe Tils „... du moss der ahle Lanz wedde holle jon!“, löste das bis dahin bestehende Spannungsfeld zwischen eingehandeltem alten Traktor und dem Trennungsschmerz von einem treuen Begleiter. Letzterer setzte sich durch und Käthe Tils hatte zudem die Abläufe beim Strohpressen wieder voll im Blick.

1988 gaben Käthe und Paul Tils ihren Betrieb auf. Die Äcker sind heute verpachtet, da keine der beiden Töchter den Betrieb fortführen wollte. Paul Tils ist das nur recht, denn „die Anforderungen an die Landwirte sind heute höher als je zuvor“. Bei seiner Rückschau sieht er das Erlebte positiv, auch wenn er heute noch jeden Morgen um 04:15 Uhr in der Frühe ohne Wecker aufwacht, weil „früher immer pünktlich um 05:15 Uhr der Milchwagen auf dem Hof vorfuhr, um die frische Milch abzuholen“. Die seit nunmehr 54 Jahren bestehende Beziehung zu seinem alten Gehilfen Lanz Bulldog pflegt er deshalb auch heute mit besonderer Hingabe, was nicht nur seine Rheinbacher Treckerfreunde verstehen können.

Am 18. November 2013 starb Paul Tils "plötzlich und unerwartet".
Die Lokale Schlepperszene hat damit eine in mehrfacher Hinsicht besondere Persönlichkeit verloren.
Paul Tils war von seiner Sprache, von seiner Überzeugung und seinem ganzen Wesen her so authentisch sowohl
als ehemaliger Landwirt unserer Region als auch in seiner Begeisterung für seinen alten "Bulldog", dass ich mich
immer wieder gerne an die persönlichen Begegnungen mit ihm erinnern werde.



Text und Foto: Hans Peter Schneider

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