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Karl Schleuter -
einige Erzählungen aus seinem Leben als Pressefotograf

Abenteuer mit Rudi Thalhammer

Ich frage Karl Schleuter, wie er denn dazu gekommen sei, sich der Fotografie des Motorradrennsportes so sehr zu verschreiben? Das komme doch nicht, ohne bewegende und faszinierende Erlebnisse zustande und welche Erlebnisse denn dazu in seiner Rückschau den Ausschlag gaben. Darauf Schleuter: „Der Straßenrennsport mit dem Fahren am absoluten Tempolimit, die Fahrer und die Dramatik dieses Sportes überhaupt sind es, die mich zum Motorrad-Straßenrennsport führten, meine damalige Unterstützung des Österreichers Rudi Thalhammer und die Fahrkünste des schottischen Rennfahres Bob McIntyre waren es, die mich erstmals zur Isle of Man gebracht hatten, wo ich über die TT-Races meine zweite Heimat fand. Das Fotografieren interessierte mich schon immer und so verband ich das mit meiner Begeisterung für den Motorradrennsport“.

Dann berichtet er mir von dem Österreicher Rudi Thalhammer: Dessen Eltern eine Käsefabrik in Österreich hatten. „Eines Tages wollten die Eltern sich zurückziehen und übergaben die Käsefabrik an ihre Söhne, eben an Rudi und seinen Bruder. Während Rudis Bruder die Käserei fortführte, gab Rudi sich seiner Begeisterung für den Motorradrennsport hin. Schließlich hatte der sein gesamtes beträchtliches Vermögen in diesen Sport gesteckt und wurde mehrfacher staatsmeister in seinem Land".

Karl Schleuter traf Rudi Thalhammer schon in den 1950er Jahren. Die beiden verstanden sich auf Anhieb gut und schon bald unterstützte Schleuter Rudi Thalhammer als Helfer im Fahrerlager, vor allem auf dem von Bonn aus nahe gelegenen Nürburgring und im holländischen Assen. Bei der TT in Assen, am 27.06.1959, musste Schleuter erleben, wie Thalhammer beim ersten Trainingslauf „in die Strohballen flog, die zur Streckensicherung in der Strubben-Kurven lagen". Thalhammers Motorrad fing dabei Feuer, aber es war keine Feuerwehr vor Ort, die das brennende Motorrad hätte löschen können. Am Ende blieb von dem Motorrad – einer NSU-Sport-Max - ein verkohlter Metallhaufen übrig. Jeder andere Mensch hätte an Thalhammers Stelle diese Überreste eingepackt und wäre wieder nach Hause gefahren. Nicht so Thalhammer: „In eineinhalb Tagen hatten wir das Motorrad wieder neu aufgebaut und erst nachdem Thalhammer damit eine Probefahrt absolviert hatte, entschloss er sich, beim 250er Rennen an den Start zu gehen. Nach dem Rennen fuhr ich ihn in das Assener Krankenhaus, denn außer den Prellungen und Hautabschürfungen von dem Sturz klagte er über starke Unterleibsschmerzen unten rechts. Im Krankenhaus stellte man als Ursache für die „inneren Schmerzen“ aber keine Sturzfolgen fest, sondern eine Blinddarmentzündung. Damit war für Thalhammer ein Krankenhausaufenthalt angesagt. Immerhin war das Motorrad so weit wieder startklar."

Für den 12.07.1959 – also zwei Wochen nach Assen - stand in jedem Fall die Teilnahme am Rennen auf dem Nürburgring auf dem Plan. Schleuter nahm deshalb Thalhammers Motorrad und sein komplettes Rennequipment zunächst in seine Obhut und brachte alles am folgenden Tag zum Krankenhaus. Am Nürburgring erschien Thalhammer pünktlich zum Training und Rennen. „Der ist einfach aus dem Krankenhaus laufen gegangen“, lacht Schleuter heute noch. Solcher Ehrgeiz war und ist im hochkarätigen Rennsport keine Seltenheit. Das Rennen der 250er Klasse beendete Thalhammer anschließend als Sieger. Für ihn hatte sich das insoferen gelohnt.


Rudi Thalhammer 1967 von Schleuter portaitiert. Eine Aufnahme aus Schleuters Autogramm-Album


Schleuter im Einsatz als Mechaniker für Rudolf Thalhammer

Schlüsselerlebnis mit Bob McIntyre

1957 war Schleuter beim WM-Lauf in Hockenheim. Schlagzeilen machten damals die schnellen Gilera-Motorräder mit ihren Vierzylinder-Motoren. Einer der Gilera-Fahrer war ein Schotte mit Namen Bob McIntyre http://www.youtube.com/watch?v=Ve4OL1le19I . „Der fuhr bei dem Rennen auf dem alten Hockenheimring zwar „nur" auf den zweiten Platz hinter seinem italienischen Teamkollegen Libero Liberati, ebenfalls auf einer 500er Vierzylinder Werks-Gilera, aber in den 27 Runden über insgesamt 208,575 km einen Schnitt von genau 200,00 km/h. Was McIntyre gelang und nicht aber dem Sieger des Rennens, war der neue Rundenrekord von 2 Minuten 13,3 Sekunden bzw. einem Rundenschnitt von damals sagenhaften 208,5 km/h. „Der Mann hatte mich im Fahrerlager schon irgendwie fasziniert und wenn der erst einmal auf der Strecke in Fahrt war, begeisterte mich sein Fahrstil vollends. Der fuhr in einer ganz anderen Welt. Sein außerordentliches Fahrtalent konnte man mit Zahlen an seinem außerordentlichen Tempo messen.“, erinnert sich Schleuter heute noch sichtlich begeistert.


1960 wurde Schleuter schließlich von Rudi Thalhammer gefragt, ob er nicht zusammen mit ihm zur TT auf die Insel Man fahren wolle. Dort wolle er starten. Schleuter braucht für die Antwort nicht lange zu überlegen und sagte sofort zu. Natürlich ging es Schleuter außer der Begleitung und Unterstützung Rudi Thalhammers zusätzlich darum, den schottischen Ausnahmepiloten Bob McIntyre erneut im Renneinsatz erleben zu können: „Diesen Schotten, den musste ich unbedingt wieder erleben! Das Tempo. Das der so perfekt hinlegte, kann man sich kaum vorstellen. So wie Bob McIntyre fuhr sonst niemand“.

Von Österreich kommend holte Rudi Thalhammer Schleuter zu Hause ab. Gemeinsam fuhren sie zunächst nach Düsseldorf, um dort beim „Rennleiter Jupp Müller“ das Startgeld und die Startzusage für ein Rennen auf dem Nürburgring abzuholen. Von dort aus zogen die beiden anschließend ins holländische Tubergen, trainierten dort, fuhren in der Nacht von Freitag auf Samstag nach Belgien in Richtung Rennstrecke Chimay. Sehr gut erinnert sich Schleuter daran, wie er im Auto während der Fahrt mit dem Schlauch aus den Tanks der Norton und der NSU Benzin saugte und im Kanister durch Zugabe der richtigen Ölmenge das Zweitaktgemisch für das DKW-Transportfahrzeug mixte. Als die Nacht schon lange angebrochen und die beiden im Auto zwar schon in Belgien, aber immer noch unterwegs waren, bot Schleuter Thalhammer an, ihn beim Fahren des Transporters doch endlich einmal abzulösen. Das wollte der aber partout nicht: „Ich fahre alleine!“, war Thalhammers nur knappe Antwort, obwohl Schleuter da schon den Eindruck hatte, dass Thalhammer zu wenig Schlaf hatte. Irgendwo an der Maas kam dann, was kommen musste: Die Straße wurde dort in einem flachen Winkel von einer zweigleisigen Bahnstrecke gekreuzt und prompt fuhr Thalhammer statt weiter über die Straße auf eines der beiden Gleisbette. „Da griff ich ihm ins Lenkrad und zog die Handbremse. 'So Rudi, jetzt fahre ich!', sagte ich ihm, woraufhin er entgegnete: 'Nein, jetzt bin ich wach!'".

In Chimay fuhr Rudi Thalhammer das Training am Samstag; sonntags bzw. am Pfingstsonntag fanden die Rennläufe statt und er belegte bei diesen einen ersten und einen zweiten Platz. In der darauf-folgenden Nacht fuhren die beiden nach Holland, wo Rudi Thalhammer erneut zwei gute Rennen ablegte, ebenfalls mit einem ersten und einem zweiten Platz. Sehr stolz war Thalhammer darauf, dass er mit seinen Platzierungen jeweils noch vor dem Rhodesier Jim Redman auf Norton und dem Deutschen Horst Kassner auf NSU lag.
Am nächsten Tag ging es schließlich in Richtung England.

Auf der Insel Man angekommen lag erneut eine strapaziöse Anreise hinter den beiden, die ausschließlich Thalhammer wieder alleine hinter dem Lenker seines Transporters verbracht hatte. Schlaf hatte er deshalb kaum gefunden. Nicht anders ist es zu erklären, dass er bei seinem Rennen in der 250er Klasse auf seiner NSU Sport-Max mit Schaftleitner-Getriebe im fünften Gang auf der Geraden einschlief, deshalb bei hohem Tempo die Straße verpasste und samt Motorrad auf einem Acker landete. Während Thalhammer anschließend ins Krankenhaus verlegt wurde, musste sich Schleuter um die Bergung der stark beschädigten Sport-Max kümmern.

Am übernächsten Tag war die Junior-TT - das ist das 350er Rennen - an der Thalhammer ebenfalls teilnehmen wollte. Dazu musste Schleuter nach Zeitplan Thalhammers 350er Norton zur technischen Abnahme zu einer bestimmten Uhrzeit vorfahren. Als er dort mit der Renn-Norton vorrollte, wurde ihm jedoch die Abnahme verweigert, weil Thalhammers Krankenhausaufenthalt den Abnahmekommissaren bekannt war und man zuerst eine ärztliche Bescheinigung über dessen Rennfreigabe sehen wollte. Schleuter brachte deshalb die Norton zum Renntransporter zurück und spurtete zum Nobels Hospital (Krankenhaus), um das Problem mit Thalhammer und den Ärzten zu klären. Der zuständige Arzt hatte sich bereits zu Bette begeben und musste eigens geweckt werden. Nach längerem Gespräch mit Diskussion gab der Arzt schließlich seine schriftliche Zustimmung zur Rennteilnahme. Damit eilte Schleuter zum Renntransporter zurück und brachte die Norton erneut zur technischen Abnahme. Wegen der verspäteten Vorführung musste er dort zunächst eine Zusatzgebühr von 20 Pfund zahlen. Glücklich aber etwas erschöpft war Schleuter, als die Norton am Ende - wenn auch zu sehr fortgeschrittener Stunde - dann noch im Parc Fermé-Zelt abgestellt werden konnte.

Beim Rennen der 350er Klasse am Mittwoch startete ein wieder glücklicher Rudi Thalhammer mit seiner Norton. Das Glück währte jedoch nur bis zur Kurve Quarter Bridge, ca. 2,5 km nach dem Start. Da stürzte Thalhammer erneut und musste nunmehr mit gebrochenem Unterschenkel zurück ins noch warme Bett im Krankenhaus. Nun galt es für ihn, sich dort auf einen längeren Aufenthalt einzustellen. Schleuter indessen sah sich in der Situation, den Transporter und die beschädigten Motorräder nicht weit vom Krankenhaus an einem sicheren Stellplatz zurückzulassen und die Heimreise nach Deutschland quasi „per Anhalter“ mit Julius Holthaus aus Düsseldorf anzutreten.

Mehr Informationen zu Rudi Thalhammer auf dessen Webseite unter: http://www.motorradmeister.at/m_rudi.html


Bob McIntyre im Sommer 1962, kurz vor seinem
tödlichen Rennunfall im Oulton Park, Cheshire, in
Nord-West-Englang


Im Fahrerlager von Chimay: Der DKW-Schnellaster mit Zweitaktmotor und die beiden Viertakt-Rennmaschinen davor geparkt


Thalhammers Renn-Max nach dem kurzen TT-Einsatz 1960


2010 posierten Rudi Thalhammer und Karl Schleuter mit einer
Norton, wie sie Thalhammer etwa 50 Jahre zuvor meisterlich in Österreich und bei internationalen Rennen bewegt hatte

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Fotos: Karl Schleuter©

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