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Fritz Schilling - mehr als 40 Jahre aktiver Motorsport

Übersicht

„Da gibt es ja noch einen Klaus ...“

Nachhaltige Kriegserlebnisse

Aufbau eines Autohauses nach dem Krieg

Väter, Söhne, Lehrer, Jungens und Motorsport

Freundlicher Unterstützer unseres Clubs

Vollblut-Rennfahrer aus Leidenschaft

Rennerei und Straßenverkehr sind unterschiedliche Welten

Zweitaktspezialist

Notreparatur erfolgreich - am Ende stand der Klassensieg

Viertakter nur ein Zwischenspiel - NSU TT

Mit der Fahrkunst zum Pokalesammeln

Da gibt es doch noch einen Fritz


Da gibt es ja noch einen Klaus ...“

Beim diesjährigen „Tag der offenen Tür unseres Clubs“ beehrte uns Fritz Schilling nebst Gemahlin und Enkel mit seinem Besuch. Die Gelegenheit war günstig und ich setzte mich ihm gegenüber: „Sind Sie sich darüber im Klaren, Herr Schilling, dass Sie in unserer Region eine Motorsportlegende sind?“ Daraufhin schaut er mich nur mit ungläubigen Augen an und meinte: "Da gibt es doch noch einen Klaus!“ Klar gibt es da auch noch einen Klaus Ludwig, ebenfalls aus Roisdorf, international durch Presse, Funk und Fernsehen als erfolgreicher Motorsportler schon hinlänglich bekannt. „Nein“, sage ich ihm, „um Klaus Ludwig geht es mir nicht! Es geht mir um den Fritz Schilling, der schon in den 1960er Jahren Meisterschaften gewonnen hatte und der auch mit über 70 Jahren den jungen Burschen noch auf und davon fährt!“. Jetzt hat er mich verstanden: Ja, er betreibe schon seit über 40 Jahren aktiv Motorsport! Und dann erzählt er mir kurz von einigen Höhepunkten seiner sportlichen Laufbahn, von der Werksunterstützung, die er von DKW und später von Audi erfahren habe, von einigen berühmten Mitstreitern und dass er vor vier Jahren mit 78 Jahren die Rennerei nur eingestellt habe wegen des neuen Reglements, wonach er einen neuen Fahreranzug, neue Überrollbügel und einen neuen Sitz in seinem Rennwagen benötige und jährlich mindestens 5.000,00 € für die Rennerei aus eigener Tasche ausgeben müsse, ohne dass der Wagen überhaupt einen Meter gefahren sei. Ferner fehle ihm sein Sohn Herbert als Beifahrer, weil der inzwischen viel lieber selber fahre.

Nach diesem kurzen Gespräch waren wir uns darüber einig, dass ich einen Interview-Termin für unsere Homepage mit ihm machen durfte.

Nachhaltige Kriegserlebnisse

Ich war also sehr froh, dass Fritz Schilling bereit war, sich von mir interviewen zu lassen. Der Abend wurde lang.

Irgendwie begann das Gespräch mit den Erinnerungen an die Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg, von seiner Teilnahme am Russlandfeldzug. Als ich ihn nach seinem Geburtsjahr frage, antwortet er: "Auf meinem Typenschild steht Baujahr 1925". ich staune nicht schlecht, denn ich hätte ihn für jünger gehalten. Was Fritz Schilling danach erzählt, ist so typisch für das Schicksal seiner Generation: Vielfach um die Jugend betrogen und letztendlich zum Verheizen in den Kampf eines wahnsinnigen Diktators geworfen, der die Welt mit unsäglichem Leid überzog.

Kurz vor seiner Rekrutierung hatte er noch seine Lehre zum KFZ-Elektriker abschließen können. Da besaß er auch schon den Führerschein, den er am 11.11.1940 machte, nachdem ihn ein Fahrlehrer namens Rauh aus Bonn unter seine Fittiche genommen hatte. Ich frage ihn nicht nach der Anzahl seiner Fahrstunden, denn ich weiß auch so, dass es nicht viele gewesen sein können.

Im Krieg sei er viel mit dem LKW gefahren und habe eine Auszeichnung erhalten, weil er den LKW samt Ladung über 2.000 km schadlos ins Ziel gebracht habe. In Russland musste er die beschädigten Fahrzeuge - Pkw, Lkw und Panzer - aus den Kampfzone bergen, um sie anschließend wieder flott "für den Sieg" zu machen, der schließlich nichts als Schrecken und Elend war.
Am Ende kam die russische Gefangenschaft. Ich höre, dass die Russen, denen Fritz Schilling dort begegnete, als freundliche und hilfsbereite Menschen geschildert werden, trotz des Kriegsübels, das wir Deutschen ihnen zuvor zugefügt hatten. Das harte Los der deutschen Kriegsgefangenen sei an das harte Los der russischen Bevölkerung und deren eigener Nöte gekoppelt gewesen. "Die hatten ja selbst weder was zu essen noch Medizin, wenn sie mal krank waren!". Auch er erkrankte in der Gefangenschaft schwer und spricht nach all diesen Jahrzehnten mit Hochachtung und Dankbarkeit von dem russischen Arzt, der sich damals mit den vorhandenen bescheidenen Mitteln um sein Leben bemüht hatte. "Wer dort überleben wollte, musste Glück und Improvisationstalent haben!", stellt Fritz Schilling rückblickend fest. Er hatte von alledem offenbar so viel, dass er "schon/erst" 1947 aus der Gefangenschaft entlassen wurde und die Heimreise antreten durfte.


2. Weltkrieg. Deutscher Panter-Panzer während des Russland-Feldzuges



2. Weltkrieg. Ende des Russlandfeldzugs.
Deutsche Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft

Aufbau eines Autohauses nach dem Krieg

Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft trug Fritz Schilling in und mit seinem Beruf am Wiederaufbau des Landes bei, absolvierte 1958 die Meisterprüfung zum KFZ-Elektriker und gründete wenig später in seinem Heimatort Roisdorf sein Autohaus. Dort widmete er sich im Besonderen der Marke DKW bzw. später Auto Union, NSU, VW und Audi. 1971 erwarb er im Weiteren den Meisterbrief des KFZ-Mechanikers. Das heute von seiner Tochter Maria Zündorf geführte Familien-Unternehmen ist autorisierter Vertragspartner der Volkswagengruppe und hier insbesondere der Marke Skoda.

Mehr zum heutigen Autohaus Schilling >>> hier

Verbindung zur Sattelei Bresgen >>> hier


Autohaus Schilling heute

Väter, Söhne, Lehrer, Jungens und Motorsport

Mit Fritz Schillings Sohn Herbert saß ich sechs Jahre lang zusammen in der selben Schulklasse. Wir waren schon früh befreundet und so erfuhr ich von ihm, dass sein Vater Autorennen fahre: Rundstecke und Slalom, und dass er dabei schon eine ganze Reihe Meisterschaften gewonnen hatte. Nun war Autoslalom nicht so populär wie die Formel1 und nur Insider wussten, wo wann etwas an Rennveranstaltungen lief.


Damals bekamen wir einen noch relativ jungen Lehrer in den Fächern Biologie und Sport, es war ein gewisser Klaus Kretzschmar und der war offenbar so ein Insider. Vor seinem Lehramtsstudium hatte Kretzschmar Maschinenbau studiert und nahm auf uns Jungens schon deshalb positiv Einfluss, weil er einen sichtlich schneller gemachten Alfa Romeo Giulia Super fuhr. Er erzählte uns von seinen motorsportlichen Aktivitäten und sollte in den späten 1970er Jahren noch eine bekannte Größe in der Motorrad-Oldtimerszene werden.
In der ersten Unterrichtsstunde mit uns notierte er sich alle seine Schüler in sein Lehrernotizbuch und – so war es damals bei allen Lehrern in der ersten Schulstunde üblich - fragte gleichzeitig nach dem Namen und dem Beruf der Eltern. Als Freund Herbert ihm auch diese Fragen beantwortete, fiel Kretzschmar offenbar in seine Muttersprache zurück und fragte berlinernd: „Der olle Fritze mit dem schnellen DKW?“. Als Herbert diese Frage nur knapp bejahte, höre ich noch heute, wie aus Kretschmar ein begeistetes „tooooll“ tönte. Damit war mir klar, dass Herberts Vater im Motorsport wohl etwas Besonderes darstellen musste, wenn ja der Lehrer sich schon so äußerte.

Unvergessen bleiben mir die Szenen, wenn immer Herbert mal nicht mit seinem Fahrrad in der Schule erschien und stattdessen von seinem Vater mit dem Auto gebracht wurde. Ganz gleich, ob es sommerlich heiß und trocken war, ob es gerade regnete oder ob Schnee und Eis lagen: Bei dem noch relativ geringen Straßenverkehr im Bornheim der 1960er Jahre und dem fast leeren Parkplatz vor der alten Realschule legte Fritz Schilling jeweils ein atemberaubendes Wendemanöver mit dem Audi Kombi hin, bevor er anhielt, die Tür sich öffnete, danach zunächst Herberts Schultasche herauslugte und schließlich Herbert selbst dem Auto entstieg. Nach einem „Tschühüs“ schlug Herbert die Tür zu und sein Vater Fritz Schilling verschwand so atemberaubend schnell, wie er auch erschienen war.

Nach meiner Schulzeit in Bornheim wurden meine Begegnungen mit Herbert Schilling weniger. Als Fan und regelmäßiger Besucher der Rallye Köln-Ahrweiler ab 1997sah ich schließlich die Schillings immer wieder bei Novemberwetter durch die Eifelkurven fegen: Fritz Schilling im Zweitakt-DKW als eines der Vorausfahrzeuge und Herbert im Youngtimer Audi 80 im Wettbewerb auf der Jagt nach Punkten, zumeist als Klassensieger und unter den ersten zehn Gesamtplatzierten, noch vor vielen leistungsstärkeren Fahrzeugen der Marken Porsche und BMW liegend. In der Nebenstelle des Straßenverkehrsamtes des Rhein-Sieg-Kreises in Meckenheim fand ich an der Wand Fotos von Fritz Schilling hängen, die ihn mit seinem Rennwagen in voller Aktion zeigen.


Momentaufnahme vom Schulhof 1972, in der Mitte Herbert Schilling. Typische Mode damals: Lange Haare und Parka. In jenem Jahr endete die Schulzeit in Bornheim




Der "Alte Fritz" bei einem Autoslalom-Wettbewerb in den 1960er Jahren auf dem Gelände der Roisdorfer Versteigerung. Damals war es noch der DKW Junior. Oft fanden in nächster Nähe Meisterschaftsläufe statt, ohne dass die Öffentlichkeit großen Anteil daran nahm.

Freundlicher Unterstützer unseres Clubs

Unmittelbare Begegnungen erfolgten lange nur bei den Veranstaltungen des MVC-Brenig, die das Autohaus der Familie Schilling freundlicherweise mit dem "Besenfahrzeug" unterstützte. Dieses Fahrzeug zum Aufsammeln der Auf-der-Strecke-Gebliebenen wurde entweder von Herbert oder seinem Vater Fritz höchst selbst gesteuert. Wenn ich bei diesen Gelegenheiten als Moderator unserer Rallye die motorsportlichen Leistungen von Fritz Schilling herausstellen wollte, war er dafür nie zu begeistern. Damals erkannte ich schon, dass Fritz Schilling um seine Person nicht viel Aufhebens machen mochte und von sich aus dem Rampenlicht am liebsten aus dem Weg ging.


Fritz Schilling mit typischer Kopfbedeckung im Fachgespäch mit seinem DKW-Rennsportfreund und haupberuflichen Lufthansa-Kapitän Axel Buchholz aus Wiesbaden in den 1990er Jahren am Hockenheimring.
Rechts im Bild der orangefarbene VW-Bus mit Anhänger, mit dem Fritz Schilling mehrmals den MVC-Brenig unterstützten.

Vollblut-Rennfahrer aus Leidenschaft

Nachdem ich Fritz Schilling meine oben dargelegten "Schulzeiterinnerungen" erzählt hatte, reden wir über seinen Motorsport, den eigentlichen Grund meines Besuches. "Ich habe schon immer sehr viel Freude daran gehabt, mit einem Auto schnell zu fahren, und zwar schneller als die anderen" bekomme ich bald zu hören und er fährt fort: "Weil das auf öffentlichen Straßen nicht möglich ist, muss ich diese Freude eben auf der Rennstrecke suchen". Diese Aussage passt ganz in das Bild, das ich bisher von ihm habe. Ganz einfach "die Freude am Fahren ist es", die ihn zum Motorsportler machte und die ihn offenbar auch jung hält. Den Spitznamen der "Alte Fritz" hatte er zwar schon in den 1960er Jahren, als er erst mit dem Motorsport anfing, "da war ich auch schon der älteste und hatte deshalb schnell diesen Beinamen weg" erzählt er mir, aber gestört hatte es ihn nicht und ändern konnte er es ohnehin nicht. Aber auch heute, mehr als 40 Jahre später, habe ich ganz und gar noch nicht den Eindruck, dass mir da am Tisch ein alter Herr gegenüber sitzen würde: Wenn er zum Thema Motorsport loslegt, spielt das Alter mit seinen kleinen und großen Zipperlein keine Rolle mehr. Dann wird seine Sprache knapp, klar und just so präzise, wie man wohl auch ein Auto schnell über einen Rennkurs dirigiert. Seine Augen sind hell wach und leuchten bei diesem Thema und ich muss an den von mir so geschätzten Philosophen Martin Buber denken, der sich mit seinen Werken über das dialogische Prinzip einen großen Namen gemacht hatte. Was Buber als ein Du-Moment bezeichnet, als Zustand, in dem eine Beziehung sozusagen ihre Höchstform erreicht, in dem dann Raum, Zeit, Alter und was unser Dasein sonst noch begrenzen kann, keine Rolle mehr spielen, das scheint auch bei Fritz Schilling und seiner Beziehung zum Motorsport zuzutreffen.

Der ADAC zitiert 1995 in einem Porträt über Fritz Schilling den Koordinator der historischen Tourenwagenrennen, Andreas Pellens aus Bonn: "Wenn man sieht, wie sein DKW mit zwei Rädern in der Luft durch die Kurven fährt, weiß man, wie jung Fritz Schilling geblieben ist".
Fritz Schilling spricht mir gegenüber selbst von einer "Rennsucht". Mir scheint aber, dass es den "Alten Fritz" außerdem besonders reizt, das Gegenüber mit dem Unscheinbaren gänzlich zu verblüffen: Eben mit einem unscheinbaren Auto, dem auch noch der schlechte Ruf des stinkenden Zweitakters anhaftet, der Schnellste zu sein, oder mit 78 Lebensjahren den jungen Burschen, die noch fünfzig und mehr Jahre jünger sind, auf und davon zu fahren.


Auch andere porträtierten schon den "Alten Fritz".
So 1999 in einem Programmheft zur Youngtimer-Trophy

Mehr zur Youngtimer Trophy >>>hier

Rennerei und Straßenverkehr sind unterschiedliche Welten

Ich frage ihn danach, was ihm die Rennerei denn außer dem Spaß an der Freude sonst noch gebracht habe, denn ganz so billig sei der Motorsport ja nicht. "Natürlich habe ich im normalen Straßenverkehr regelmäßig von der Rennerei profitiert!", bekomme ich zu hören, "Insbesondere in unvorhergesehenen brenzligen Situationen war es wohl meine Rennerfahrung, die mich und die übrigen Verkehrsteilnehmer vor Schaden bewahrte!". Seine eigenen Grenzen habe er durch den Motorsport kennen, respektieren und letztendlich damit umzugehen gelernt, "denn im Rennen macht man hinreichend Grenzerfahrungen. Man weiß, wie sich das Fahrzeug in extremen Situationen verhält, und hat auch die Erfahrung und die Übung solche Situation zu beherrschen, ohne sich zu erschrecken und dann böse Fehler zu machen." Rückblickend meint Schilling, dass er wohl so etwas wie einen 6. Sinn habe. Auch bei der Rennerei. Generell war er immer sehr bestrebt, das Risiko möglichst gering zu halten und schadlos schnell anzukommen. Klar gab es auch einige Rennunfälle, die ihm auch schon Krankenhausaufenthalte bescherten, aber im Verhältnis zu anderen Motorsportlern hielt sich das alles noch in guten Grenzen.

"Wenn man Rennen fährt, dann bedeutet das Kampf! Das hat überhaupt nichts mit dem zu tun, was den Verkehr auf öffentlichen Straßen betrifft!" stellt Schilling klar. Im Straßenverkehr fährt Fritz Schilling deshalb regelkonform. "Was nutzt es mich auch, wenn ich jemanden überhole, der an der nächsten Ampel dann doch wieder neben mir steht?" lautet seine rhetorische Frage hierzu.


Nach dem Gewinn der Meisterschaft der historischen Tourenwagen 1991 wurde der DKW F12 zum Ausstellungsstück auf der nachfolgenden Motorshow in Essen


Dasselbe Auto auf dem Firmenparkplatz in Roisdorf

Zweitaktspezialist

Im Grunde blieb Schilling Zeit seines Motorsportlebens bis auf ein Zusatzengagement mit einem NSU TT in den 1970er Jahren den Zweitaktern der Automarke mit den vier Ringen treu. Das hatte natürlich ganz praktische Gründe: "Beruflich bin ich mit Zweitaktern sozusagen aufgewachsen. Darüber hinaus faszinierte mich die relativ simple Technik, eben eine Motorsteuerung nicht über eine Nockenwelle mit störanfälligem und schweren Ventiltrieb. Schilling widmete sich in besonderer Weise der Motorsteuerung mittels der Kanäle und Schlitze im Zylinder des Zweitakters. Er erforschte regelrecht deren Formen, Größe und Lage, befasste sich mit den Strömungsverhältnissen im Zylinder, um letztendlich die Motorleistung zu optimieren. "Der Zweitakter verkörpert einfach eine effektive und zugleich relativ simple Motortechnik!". Hinzu kommt der Erfahrungsschatz, den Schilling sich in Jahrzehnten aneignen konnte. Trotz der Leistung von 90 drehmomentstarken Zweitakt-PS, die er aus drei Zylindern mit knapp 1.000 ccm herausholte, wusste er, welches Spiel die Kolben brauchen, um nicht "zu fressen", und wie die Motorkühlung ablaufen musste, um den hochdrehenden Motor standfest zu machen. Alles was den Wagen schneller machte, kam hinein, was nicht benötigt wurde, kam raus und was sich erleichtern ließ, wurde erleichtert. Die vorgenannten 90 PS haben deshalb relativ leichtes Spiel.


Auch die Audi AG, in die seinerzeit die Marken DKW und Auto Union übergegangen sind, wusste sowohl den Zweitaktspezialisten als auch den Rennfahrer Fritz Schilling zu schätzen


Startaufstellung am Nürburgring

Notreparatur erfolgreich


Bei einem Lauf zur historischen Tourenwagenmeisterschaft in Zandoord in den 1990er Jahren: Beim Training am Samstag gab es einen Kolbenfresser. Der "Alte Fritz" zeigte Kampfgeist: Die Fahrbleche des Transportanhängers und der Werkzeugwagen dienten als Arbeitsfläche, nachdem der Motor demontiert war. Um den Kolben wieder in Form zu bringen und die Kolbenringe vom geschmolzenen Aluminium zu befreien, musste Schilling im Fahrerlager unter seinen Fahrer-Kollegen noch nach einer passenden Feile suchen. Zwar fand er schließlich die Feile, erntete aber noch mehr Kommentare mit dem Tenor, dass eine solche Reparatur nicht erfolgreich werden könne. Am nachfolgenden Sonntag war der Motor von Fritz Schilling repariert und die Motorkraft reichte am Ende noch für den Klassensieg.

Bemerkenswert erscheint auf dem Foto die Bekleidung, in der der "Alte Fritz" hier mit Erfolg dem Motor ans Eingemachte geht.


Zwölfzylinder gegen Dreizylinder! Goliath gegen David! Jaguar gegen DKW!
Wer jagt hier wohl wen?


Testfahrten im Ahrtal ca. 1992. Getankt wurde unterwegs Zweitaktgemisch


Das Ende eines 500 km-Rennens auf der Nürburgring-Nordschleife

Viertakter nur ein Zwischenspiel

Den NSU TT, der in den 1970er Jahren nur ein Zwischenspiel war, brachte Fritz Schilling in der Endstufe auf "über 150 standfeste PS", die im zweiten Gang die Vorderräder beim Beschleunigen noch den Bodenkontakt verlieren ließen. Damit war das leichte Auto superschnell. "Auf der Rundstrecke war der mir mit dem starken Motor im Heck jedoch zu gefährlich!" schränkt Schilling die Einsatzmöglichkeiten des NSU ein; dort zog er lieber Fronttriebler vor.

Es ist überhaupt bemerkenswert, dass der "Alte Fritz" sowohl mit Zweitaktern als auch mit Viertaktern schnell war und ihm die Umstellung beim Fahren so unterschiedlicher Antriebskonzeptionen wie Fronttriebler und "Heckschleuder" im Grenzbereich offenbar keine Probleme bereitete. Die vielen mit dem NSU gewonnenen Pokale sind der beste Beweis dafür. Der NSU ist inzwischen verkauft.

Seitdem konzentriert sich Fritz Schilling auf den historischen Motorsport mit frontgetriebenen Zweitaktern. Für Rundstrecke sowie für Slalom und Bergrennen hatte er sich jeweils einen speziellen DKW F 12 hergerichtet. Sein Sohn Herbert - heute Diplomingenieur für Fahrzeugtechnik - half beim Tuning und den Renneinsätzen stets kräftig mit.


Mit dem NSU TT sammelte der "Alte Fritz" in den 1970er Jahren massenweise Slalom-Pokale ein. Für die Rundstrecke war der NSU aber "zu gefährlich"

Mit der Fahrkunst zum Pokalesammeln

Seinen ersten Pokal gewann Fritz Schilling 1963 auf einem - wie sollte es anders sein - selbst getunten DKW-Junior. Das war beim damaligen Pfingstmeeting der Auto Union. Drei Jahre musste er auf den Rennstrecken zunächst Lehrgeld zahlen und Erfahrungen sammeln, bis er den ersten Klassensieg erreichte. "Bezüglich der Fahrkunst hatte ich keine Vorbilder, erklärt er mir auf meine Frage, "hier war ich Autodidakt und sicher auch von Natur aus schon begabt!" Um im Motorsport erfolgreich zu sein, kommt dieser Begabung laut Schilling die größte Bedeutung zu. Zwar ist auch die Übung und das Gewusst-Wie, wie bei jeder anderen Meisterschaft auch bei der Rennerei von Wichtigkeit, aber ohne Begabung nutzte das alles nichts. "Also man hat die Fahrkunst oder man bekommt sie nie!" lautet seine klare Meinung.

Bis 2003 waren sodann von 1963 an jährlich 20 bis 30 Rennveranstaltungen, die Fritz Schilling als Rennfahrer und nicht selten auf dem Siegertreppchen sahen. "Die vielen Pokale und Meisterschaftssiege kamen dann wie von selbst", erzählt Schilling ganz beiläufig, weil ja die Freude am Fahren Vorrang vor den Meisterschaftspunkten hatte. Was genau er in den Jahrzehnten auf diesem Wege alles gewonnen hat, weiß er selbst offenbar nicht mehr so genau und schon gar nicht auswendig; für genauere Angaben muss er zunächst unter seinen Pokalen, Auszeichnungen usw. die entsprechenden Nachforschungen anstellen. Gemessen an den über 600 Pokalen und Trophäen, die teilweise im Wohnzimmer verteilt stehen, muss es aber allerhand gewesen sein. Ich selbst sehe in seinem Wohnzimmer Pokale und Auszeichnungen, die es für den Gewinn der Meisterschaft für historische Tourenwagen gab.


Dann holt er seinen "Rennkoffer" hervor, der quasi so wie in den Jahrzehnten zuvor für den nächsten Renneinsatz gerüstet auch heute noch bereit steht. Dieser Koffer beinhaltet alle wichtigen Papiere, die dem Rennveranstalter für die Teilnahme als Rennfahrer vorgelegt werden müssen. Er zeigt mir seine Fahrerlizenz aus dem Jahre 2003. Bald habe ich einen Brief der Firma Audi in Händen, mit dem Fritz Schilling zum Gewinn der Meisterschaft für historische Tourenwagen im Jahre 1991 gratuliert wird.

Bemerkenswert erscheint dem alten Fritz jedoch lediglich der Gewinn dieser Meisterschaft im Jahre 1995, als sein härtester Konkurrent kein geringerer als der ehemalige österreichische DTM- und Formel-2-Pilot Dieter Quester war. Der startete damals in einem dem DKW offenbar leistungsmäßig überlegenen BMW. Dennoch machte ihm der "Alte Fritz" das Siegen schwer. Das entscheidende Abschlussrennen fand im Regen auf dem Hockenheimring statt. Dort hatte Schilling das Glück, dass Quester sich mit seinem BMW von der Piste ins Grün verabschiedete und so das Rennen und damit auch die Meisterschaft beendete. Für den "Alten Fritz" und seinen zweitaktenden DKW F12 war damit erneut der Weg frei, um am Ende ganz oben auf dem Treppchen und in der Meisterschaftswertung zu stehen. Da war der "Alte Fritz" bereits/erst 70 Jahre alt!

Fritz Schilling fuhr nicht nur in Hockenheim Rundstreckenrennen, er war auf allen namhaften Rennstrecken Deutschlands und des angrenzenden Auslands auf Kurs Pokalgewinn, so unter anderem in Assen, dem Salzburgring, in Zandfoord, in Spa Francorchamps, auch auf den Flugplatzstrecken in Kassel-Calden und Mainz-Finthen. In den 1960er Jahren rannte er auch noch auf der legendären Avus in Berlin. Auf dem Nürburgring war er fast zu Hause. Rundstrecke alleine reichte ihm jedoch nicht, so sah man ihn auch regelmäßig bei den Bergrennen der weiteren Region und beim Auto-Slalom-Sport.


Ebenfalls im Jahre 1995 verlieh ihm der ADAC als besonders hohe motorsportliche Auszeichnung das "ADAC Sportabzeichen in Gold mit Brillanten". Die Verleihungsurkunde hängt heute neben einem großen Foto seines Renn-F 12 im Durchgang vom Büro des Autohauses zu seiner Privatwohnung.


Fritz Schilling bei der Hobbypflege in seiner Werkstatt


Spitzenposition in historischem Rennwagen vor historischer Kulisse


Sieg bei der Eifel-Klassik 1988


Nur eine kleine Auswahl von ca. 600 Polkalen


Oben Fritz Schilling mit der besonderen Auszeichnung
des ADAC. Links die Urkunde zur Auszeichnung


Bergrennen in Insul 1995. Im Bild der zweite DKW F12, der vornehmlich für Bergrennen und Autoslalom eingesetzt wurde.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Jens Etienne, Nastätten,
siehe dazu unter:
http://www.etienne-fotografie.com

Da gibt es doch noch einen Fritz

Ja, "es gibt da auch noch einen Klaus" aus Roisdorf, dessen Geschichte andere auf Glanzpapier schreiben oder einen Fernsehbericht daraus machen.
Fritz Schilling ist hingegen mehr den Insidern der Motorsportszene bekannt. Die große Öffentlichkeit hat er noch nie gemocht; er ging ihr nach Möglichkeit immer aus dem Weg. "Mir ging es ja auch nie darum, berühmt zu werden!" erzählte er mir. "Wichtig war mir vielmehr meine Freude am schnellen Fahren. Ich kam zum Rennen, fuhr meine Sache und anschließend wieder heim. Wenn ich dann meiner Frau auch noch einen Pokal zeigen konnte, sah die, dass es gut gelaufen war, und freute sich mit mir".

Im Jahr 2004 feierten Käthe und Fritz Schilling die Goldhochzeit.

"Von all den Rennveranstaltungen in den über 40 Jahren Motorsport möchte ich keine einzige vermissen!", erzählt mir Fritz Schilling am Ende unseres Gespräches. Gut getan haben ihm dabei nicht nur die vielen Pokale, sehr gerne erinnert er sich an die vielen geselligen Momente und Begegnungen mit anderen Rennsportfreunden.

Für mich war die Begegnung mit Fritz Schilling ein besonderes Erlebnis!

Danke

An dieser Stelle bedanke ich mich bei ihm für seine Offenheit und die große Geduld mir mir. Vielleicht kann ja der eine oder andere Leser dieses Beitrages meine Erlebnisse in Verbundenheit mit dem "Alten Fritz" nachvollziehen.
Den Eheleuten Schilling wünsche ich Gesundheit und insbesondere dem Fritz Schilling noch viel Freude am Motorsport, der ihn bis heute so jung gehalten hat.


Fritz Schilling neben seinem Sportsfreund Egon Meurer in den 1990er Jahren. Egon Meurer hatte seinerzeit entscheidend dazu beigetragen, dass ab 1994 wieder regelmäßig die Rallye Köln-Ahrweiler stattfand.

Fritz Schilling nahm bis 2003 regelmäßig außer Konkurrenz an dieser Rallye teil. Mit seinem DKW F 12 gehörte er zu den historischen Bolliden bestehenden Vorausfahrzeugen, die für die ersten Begeisterungsstürme unter den Zuschauern sorgten.

Mehr zu Egon Meurer und zur Rallye >>> hier


Am 1. März 2014 starb Fritz Schilling
im Alter von 88 Jahren.
Unsere Region verlor damit einen außerordentlichen Motorsportler

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Swisttal, im Juni 2007

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Archiv Fritz Schilling und Hans Peter Schneider

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