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Nicht
Fleisch nicht Fisch - Im
Anfang war das Dreirad Die
Bedeutung des Dreirades als wirtschaftliches Fahrzeug ist in
Deutschland Geschichte
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Kriegskind Monet
et Goyon entdeckte das Dreirad als Marktlücke Die Motoren wurden zunächst eingekauft: Zweitaktmotoren bis 350 ccm von der englischen Firma Villiers Ltd., größere Viertaktmodelle mit Motoren von M.A.G. aus der Schweiz oder auch von Anzani aus England. Eine bedeutende Änderung stellte sich 1922 ein, indem Monet et Goyon eine Lizenzabkommen mit Villiers schloss und alsdann die Villiers-Motoren selbst fertigen durfte. Eine Marktlücke, die den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens langfristig sicherte, war die Produktion von Versehrtenfahrzeugen. Der vorangegangene Erste Weltkrieg hatte insgesamt 10 Mio. Soldaten das Leben gekostet und ca. 20 Mio. wurden verwundet. Bei Verletzungen an den Extremitäten ließen die Not und die besonderen Umstände in den Lazaretten den Feldärzten oft keine andere Wahl als die der Amputation. Hinzu kamen noch die zivilen Opfer. So war nach dem ersten Weltkrieg die Zahl der Kriegsversehrten mit fehlenden Gliedmaßen beträchtlich.
Praktische und bezahlbare Konstruktion Der Bedarf an Mobilitätshilfen für Versehrte war nach jedem Krieg groß, außer den unterschiedlichsten Rollstühlen, die mit Muskelkraft angetrieben wurden, war auch das Interesse motorbetriebenen Krankenfahrstühlen groß; konnte man doch mit dieser problemlos größere Entfernungen zurücklegen. Da die Versehrten in der Regel nicht sehr vermögend waren, musten die Fahrstühle möglichst finanziell erschwinglich sein. Diese Anforderungen erfüllte Monet et Goyon mit ihrem Dreirad Automouche. „Mouche“ heißt in Frankreich Fliege. Wenn „automobile“ für eine vierrädriges stattliches Fahrzeug stand, dann stand „automouche“ für ein minimalistisches kleines Fahrzeug, das brummend, wendig und flink überall hin gelangt. Die Konstruktion
der Automouche war sehr einfach gehalten: In einem stabilen
Rohrrahmen mit gefederter Parallelogrammgabel für das
einsame Vorderrad steckte ein englischer
Zweitakt-Konfektionsmotor von Villiers. Dieser hatte zunächst
nur 98 ccm und erwies sich doch schon bald als zu schwach damit.
So kam lvornehmlich ein Motor mit 150 ccm zum Einsatz, der mit
seinem Sackzylinder 3 PS entwickelte. Die Kraft wurde im Weiteren
über ein Zweiganggetriebe und Kette auf die beiden Räder
der Hinterachse übertragen. Der anvisierte
geringe Verkaufspreis ließ nur eine einfache Konstruktion
zu. Aus diesem Grund ist die Hinterachse ohne
Differenzialgetriebe. Beide Hinterräder sind starr mit der
Achse verbunden uns sorgen auf der Fahrbahn für den Antrieb.
Klar rümpfen jetzt einige Leser die Nase, weil bei einer
solchen Konstruktion die Lenkarbeit unpräzise wird und
sämtliche Fahrwerkskomponenten zusätzlichen
Seitenkräften ausgesetzt sind. Aber in den 1920er Jahren
bestanden jedoch die meisten Straßenbeläge noch aus
Schotter und Sand, sodass das zu schnell drehende kurveninnere
Rad reichlich Schlupf fand und sich deshalb die unausgelichene
Drehzahl der Hinterräder beim Kurvenfahren weniger
nachhaltig schlecht auf die Manövrierfähigkeit
auswirkte, als das beim Befahren unserer heutigen Asphaltstraßen
der Fall ist. Auch für
die Damenwelt interessant |
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Willi Schaubs Restaurierungsobjekt „Ein
Dreirad wäre auch nicht schlecht“, dachte sich Willi
Schaub, als er 2008 eine Automouche im elsässischen
Goxwiller entdeckte - und kaufte sie kurzerhand. Die Automouche
war Baujahr 1924 und für so ein altes Fahrzeug waren noch
die meisten wichtigen Teile vorhanden bzw. restaurierbar.
Zunächst wollte Willi sie in ihrer Patina erhalten und nur
eine schonende Teilrestaurierung vornehmen, doch als er
schließlich mit der Teilrestaurierung angefangen hatte und
ihm einige Bestandteile doch zu sehr gealter erschienen, änderte
er seinen ursprünglichen Entschluss und leitete eine
Totalrestaurierung ein. Der 150 ccm Villiers-Motor war recht
simpel und lief auch noch beim Kauf, hier kamen nur neue
Dichtungen hinein und die Oberflächen wurden gesäubert
und teils neu lackiert. Die paar wenigen Lager des Motors,
Kolben, Kolbenringe und Zylinder waren auch nach mehr als 85
Jahren noch in einem akzeptablen Zustand. Auch die motorelektrik
war bis auf den Kondensator noch in Ordnung. Um künftig problemlos auf Asphaltstraßen mit dem Dreirad trotz fehlendem Differenzial fahren zu können überlegte Willi zunächst, den Antrieb auf eines der Hinterräder zu begrenzen bzw. eines der Hinterräder auf Freilauf umzubauen. Letztendlich entschied er sich aber es beim originalen Konzept zu belassen, auch wenn das Fahren dann etwas schwieriger und der Verschleiß von Reifen und Radlagern etwas heftiger sein wird. Reifen in der ursprünglichen Größe gab es beim einschlägigen Fachhandel zu kaufen. Die beiden hinteren Schutzbleche ersetzt Willi durch zwei andere, die er noch hatte und die nur leicht in ihrer Form noch angepasst werden mussten. Beim Vorderadschutzblech sah es indessen mit passendem Ersatz schwierig aus. Hier wurde deshalb das Original aufwendig restauriert.
Für
den fehlenden Gashebel fand er in seiner Sammlung noch passenden
Ersatz, sogar einen mit dem eingegossenen Schriftzug „Villiers“.
Dort hatte er auch noch eine zeitgenössische Karbitlampe –
damals kostenpflichtiges Zubehör – die er der
Automouche spendierte. Bis zum Tag der offenen Tür im April 2010 soll die Automouche fertig und fahrbereit sein. Die Schutzbleche, die Motorverkleidung, das Trittbrett und der Tank sollen dann vom vom Lackierer zurück sein und die Felgenbremsen montiert. So einfach die Konstruktion der Automouche war, so einfach war auch ihre Restaurierung. „Von seiner Motorleistung her passt die Fliege genau in unsere nächste 3-PS-Tour“, erklärt mit Willi Schaub und nimmt dabei schon einmal im bequemen Sitz der halbfertigen Automouche Maß, „... ich komme ja jetzt in das Alter!“ Noch mehr Bilder von der Restaurierung gibt es >>> hier |
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Swisttal, im Januar 2010
Text: Hans Peter
Schneider
Fotos: Willi Schaub und Hans Peter Schneider