Zurück zur Geschichten-Übersicht

BMW R 25/2 seit 1952 im Erstbesitz von Heinz Poll

Breniger Urgestein

„Das ist auch eine Einzylinder-BMW! Sollen wir die tauschen?“ frage ich ihn. Heinz Poll schweigt zunächst und schaut sie sich gründlich meine G 650 XMoto an und meint sodann: „Die ist mir zu hoch und ich werde ja auch in diesem Jahr noch 80 Jahre alt - so Gott will“. Klar war mein Tauschvorschlag nicht ganz ernst gemeint und das wusste Heinz Poll auch. Zu unterschiedlich sind die BMW R 25/2 von 1952 und die G 650 Xmoto des Modells von 2007: Die Jüngere ein reines Freizeitvergnügen zum Entspannen der Sinne und die ältere das typische Brot- und Buttermotorrad der frühen Nachkriegsjahre: Die R 25/2 ist so zweckmäßig, dass man problemlos auch einen Seitenwagen zum Transport einer kompletten jungen Familie anschrauben konnte. Dass ein solches Gespann mit gerade einmal 12 PS nach heutigen Maßstäben gar nicht auf Tempo kam, war vor über 50 Jahren von untergeordneter Bedeutung.


Die Eltern von Heinz Poll betrieben – wie damals noch so viele im Vorgebirge – einen Bauernhof. Ihren Lebensmittelpunkt sahen die Polls immer mehr in Brenig als in Bornheim, auch wenn der im Stationenweg 3 gelegene Hof eigentlich zum Ort Bornheim gehörte. So besuchte Heinz Poll in Brenig die Schule, hatte dort seine Spielfreunde, ging dort mit zur Ersten Heiligen Kommunion, spielte einige Jahre Fußball im SC Alemannia Brenig, war Mitglied im Jungesellenverein, wo er den Fendel schwenkte und die Kirchenglocken im melodischen Takt beierte. Im Kirchenchor Caecilia singt Heinz Poll seit 1947 Tenor. Sein Vater hatte schon zusammen mit dem damaligen Pfarrer Stahl darauf hin gewirkt, dass zumindest die Pfarrgrenze von Brenig noch unterhalb des Hofes der Polls verlief und dieser somit zur Breniger Pfarrei St. Evergislus gehörte. Dieses war den Polls ohnehin wichtiger als die Kommunalgrenze. Unter diesen Umständen war es Heinz Poll zudem möglich, 30 Jahre lang im Breniger Kirchenvorstand engagiert mitzuwirken.

Beruflich übernahm Heinz Poll nach seiner Heirat den Bauernhof seiner Eltern und betrieb ihn gemeinsam mit seiner Frau Johanna bis zum Jahre 1990. Dann beschlossen beide den Übergang in den nächsten Lebensabschnitt: Der landwirtschaftliche Betrieb wurde eingestellt und man widmete sich fortan anderen erbaulichen Dingen des Lebens, für die es außerhalb der Arbeit oft keine Zeit mehr gibt.


Kritische Betrachtung der zum Tausch angebotenen 55 Jahre jüngeren Einzylinder-BMW


Heinz Poll im April 2009 auf seiner R 25/2

In jungen Jahren

Bei meinem Besuch legt mir Heinz Poll die Rechnung mit der Nummer
„F 713“ der Fa. Hans Zörner mit Datum vom 30.09.1952 vor.
Er war also gerade einmal 23 Jahre alt, als es sich die BMW anschaffte. Mit 2.110,00 DM war diese im Durchschnitt zwar etwa 20 % bis 30 % teurer als die zweitaktende Konkurrenz derselbe Hubraumklasse. Der gute Ruf der BMW-Motorräder, der Viertaktmotor und der Kardanantrieb war vielen BMW-Kunden der höhere Preis dennoch wert. So auch Heinz Poll. Ergänzt wurde der Motorradkauf noch um eine lederne Motorradjacke, eine Lederhaube – Schutzhelme waren in jenen Jahren noch alles andere als die Regel - und eine Motorradbrille.

Wie allen jungen Leuten, bedeutete auch ihm die erworbene motorisierte Mobilität ein Stück erfahrbare Freiheit. Die BMW verkürzte den Höhenunterschied von 80 Metern den Berg hoch vom Anfang des Stationenwegs bis ins Ortszentrum von Brenig, man war ggf. schnell in Bonn und Brühl, wo es immer wieder mal was zu besorgen gab, auch für die Eltern. Am Sonntag führte der Weg außer zum Hochamt nach Brenig bei schönem Wetter oft an die Ahr oder gar zum Nürburgring, wenn dort eben ein interessantes Rennen anstand.

Schon bald stellte sich als regelmäßiges Fahrtziel die Heimerzheimer Straße zwischen Brenig und Heimerzheim ein, wo seine Liebste Johanna Esser zu Hause war. Weiter als die beiden, konnten Breniger nicht voneinander entfernt wohnen: Heinz, mehr in Bornheim als in Brenig wohnend und Johanna jenseits von Brenig auf halben Wege nach Heimerzheim. Zu Fuß war das eine Entfernung von einer Stunde. Mit der BMW waren es gerade einmal fünf Minuten. Dabei war Johanna ebenfalls alles andere als immobil: Mit 16 Jahren hatte sie schon auf dem elterlichen Anwesen das Motorradfahren erlernt und war selbst mit einer 250er Triumph – auch die gab es bei Zörner, aber „schon für 1.700,00 DM“ - recht gut gerüstet.
1954 stellten die beiden das Breniger Maipaar und zwei Jahre später heirateten sie.


Auch Johanna Poll hatte hatte keine Probleme im Umgang mit Motorrädern. Hier dreht sie eine Runde mit dem Motorrad ihres Mannes und ihrer Mutter als Sozia „ums Haus“


Der „Transportesel“

Nach der Heirat nahmen die beiden im elterlichen Betrieb von Heinz Poll das Heft in die Hand. Die Mobilität und die Kraftaktionen zum und auf dem Acker besorgte bis 1957 ausschließlich Muskelkraft, zu der auch ein Pferd beitrug. Dann wurde der erste Traktor angeschafft. Mit der Geburt der Tochter im Jahre 1958 kam schließlich das erste Auto ins Haus.

Bis dahin war die BMW das Transportmittel für die größeren Distanzen. Heinz und Johanna Poll erinnern sich noch gut daran, wie sie kurz nach dem Kauf des ersten Traktors mit der BMW in Rodenkirchen 3 Stangen Eisenprofile mit den Abmessungen 30 mm X 50 mm X 1.600 mm abgeholt hatten. Die Profile wurden für den Bau eines „Exepaters“ (Exstirpator, Kultivator, Egge) benötigt.
„Mein Mann musste dazu als der kräftigere von uns beiden auf dem Sozius sitzen, um dort die schweren Eisenstangen auf seiner Schulter zu tragen,“ erzählt Johanna Poll und fährt fort: „Mit einer Hand hielt Heinz sich am Soziusgriff fest und mit der anderen Hand die Stangen in der Balance.“ Es war eine sehr abenteuerlich Aktion. Johanna Poll saß vorne und fuhr die BMW. „Beim Anfahren hatte ich immer mit einem aufsteigenden Vorderrad zu kämpfen,“ erinnert sie sich noch heute detailgenau. Natürlich fuhr sie vorsichtig und vorausschauend. Auch ein plötzliches Bremsmanöver hätte auf diesem Wege dramatisch enden können. Aber in jenen Jahren, als das Motorrad noch mehr (einziges) Transportmittel denn Freizeitvergnügen war, gab es solche Aktionen oft, etwa so oft wie heute noch in den Entwicklungs- und Schwellenländern dieser Welt. Auch musste ich hier an meinen Großvater denken, der seine Transportprobleme für die kleine Metzgerei und Nebenerwerbslandwirtschaft ebenfalls mit dem Motorrad löste. Sehr funktional wie auch beliebt waren deshalb damals Tankschutzkissen, die beim Ablegen von Transportgut auf dem Tank diesen vor Beschädigungen schützten sollten.

Eine weitere Transportaktion ist den beiden ebenfalls in guter Erinnerung: Johanna und Heinz hatten von Rondorf aus zwei Ferkel nach Brenig zu transportieren. Diese wurden kurzerhand in einen Jutesack gesteckt. Heinz Poll hängte sich diesen Sack auf den Rücken und nahm wieder auf dem Sozius Platz, während seine Frau Johanna die BMW führte. Auf dem langen Weg bis nach Brenig wurde es dann „auch schon einmal im Rücken feucht und warm“, erinnern sich beide lachend.


Rechnung der Fa. Zörner aus dem Jahre 1952


Heinz Poll mit seiner BMW im Jahre 1954. Mit dem Motorrad wurden eine Lederjacke, eine lederne Kopfhaube und eine Motorradbrille angeschafft. Motorradhelme zählten noch zum Luxus. Wichtiges Utensil ist das „Kissen“ auf dem Tank zum Schutz des Tanks beim Transport sperriger Gegenstände


Das Maipaar Johanna Esser und Heinz Poll im Jahre 1952. hier ist die BMW noch mit dem Originaltank zu sehen. Wenig später wurde dieser bei einem im Übrigen glimpflich abgelaufenen Unfall beschädigt. Ganz Kind seiner Zeit montierte Heinz Poll als Ersatz den moderneren Tank des Nachfolgemodells R 25/3


Heinz Poll vor dem Haus der Schwiegereltern mit der Liebsten auf dem Sozius. Die beiden hatten keinerlei Probleme zur Bewältigung schwieriger Transporte die Sitzpositionen und die damit verbundenen Funktionen zu tauschen. Ein in den 50er Jahren nicht selbstverständliches Rollenverständnis von Mann und Frau


Wiedererweckung

Mit dem ersten Auto 1958 wurde die BMW erst einmal für einige Jahre in einem der Wirtschaftsgebäude des Hofes abgestellt. Es gab damals noch nicht den Werbeslogan „aus Freude am Fahren“, weil der Zeitgeist noch nicht so war. Aber ans Verkaufen des Motorrades wollte Heinz Poll dennoch nie denken.

Mitte der 1970er Jahre stellte sich der erste große Motorradboom ein. Weil ich selbst damals im Breniger Kirchenchor sang und fast allabendlich die Pfade der Breniger Ackerflur mit meiner Enduro im „Renntempo“ abfuhr, war das Gesprächsthema zwischen Heinz Poll und mir „Motorräder“. Zu jener Zeit hatte er schon Hand an die BMW gelegt, um sie bald wieder zuzulassen. Als „Transportesel“ benötigte er die BMW da freilich schon nicht mehr. Mein Freund Peter Koepp aus Dersdorf, der eine BMW R 25/3 besaß bzw. auch heute noch besitzt, konnte mir viele gute Tipps und Adressen für das Herrichten alter BMWs geben, die ich an Heinz Poll gerne weitergab. Bald war die R 25/2 wieder fahrbereit.

Wenige Jahre später ergänzt Heinz Poll seinen Motorradfuhrpark noch mit der damals eben neu erschienenen BMW R 45. Oft sah ich Heinz und Johanna Poll, wie sie darauf in Richtung Eifel tourten.


Motorrad-Veteranen-Rallye des MVC-Brenig im Jahre 1984. Links Heinz Poll am Start mit seiner damals erst 32 Jahre alten R 25/2. Die Breniger erkennen in ihm den Lokalmatador. Rechts im Bild Peter Koepp aus Dersdorf

Seit dem Bestehen des MVC-Brenig nahm Heinz Poll an allen Motorrad-Veteranen-Rallyes unseres Clubs als „Lokalmatador“ teil. Die Breniger, die das Treiben unseres Clubs beobachteten, wussten alle, dass Heinz Poll bei den Rallyes schon ein fester Bestandteil unter den Teilnehmern, und zwar – was das ganz Besondere war - mit seiner BMW, die er sich als junger Bursche 1952 selbst gekauft hatte.

Von der BMW R 45 hat sich Heinz Poll inzwischen wieder getrennt, auch von dem Schutzanzug, den er sich seinerzeit zusammen mit der R 45 zugelegt hatte.

Aber die R 25/2 bewegt er immer noch regelmäßig: Mal um nach Brenig und um Brenig herum zu fahren, an seinen verpachteten „Ländereien“ vorbei und auch immer wieder mal zur Ahr, wie schon vor über 50 Jahren. Heute benutzt er allerdings nur noch wenig befahrene Straßen, denn mehr als 80 km/h will er dem alten Motorrad nicht mehr zumuten. Aber was heißt schon alt? Zwar hat die Zeit sowohl an Heinz Poll als auch an seiner R 25/2 Spuren hinterlassen, deutlich zu sehen ist aber auch, dass bei beiden zwischendurch immer mal wieder Pflegemaßnahmen ergriffen wurden und dass beide für ihr eigentliches Alter doch noch fit und agil erscheinen.

Auf meine eingangs gestellte Frage nach einem Tausch meiner Einzylinder BMW mit der seinen kam dann am Ende meines Besuches die Antwort, die gar nicht anders hätte lauten können.
So Heinz Poll:
„Ich weiß nicht, ob es zwischen Bonn und Köln überhaupt jemanden gibt, der sein erstes Motorrad nach 57 Jahren immer noch hat und auch immer noch damit fährt. So ein Motorrad gibt man nicht mehr her!“

Wie recht er doch hat.


BMW R 25/2 nach 57 Jahren im Erstbesitz


Start MVC-Brenig Rallye 1984. Lederjacke, Lederhaube und Brille sind so alt wie das Motorrad


Siegerehrung MVC-Brenig Rallye 1984. Von links: Rückenansicht des stellvertretenden Bürgermeisters Peter Fußwinkel, Heinz Poll, Heinz Simons (Euskirchen) und Willi Weißweiler (Euskirchen)


Die Antwort auf das „Tauschangebot“ kam am Ende des Besuches

Swisttal, im April 2009

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Heinrich Poll, Josef Schmitz (Bornheim, Stationenweg) und Hans Peter Schneider

Zurück zur Geschichten-Übersicht