Zur Person des FotografenMein Großvater Johann war Jahrgang 1899 und kam als zweiter Sohn des Lengsdorfer Bauunternehmers Andreas Schneider und seiner Frau Elisabeth zur Welt. Den ersten Platz in dem von seinem Großvater Andreas schon mitgegründeten Bauunternehmen Gemüngt & Schneider übernahm sein älterer Bruder Andreas. Johann wurde indessen Kommunalbeamter in Bonn. Viel Sinn für die Dinge um sich herum und eine Neigung, diese Dinge zu dokumentieren zeigte sich schon, als er mit 18 Jahren als Soldat in den ersten Weltkrieg eingezogen wurde und an der Westfront in den Einsatz kam. Er führte dort Tagebuch über seine Erlebnisse, nicht nüchtern sondern mit Gefühl und eigener Meinung. Nach dem Krieg und englischer Gefangenschaft tat er sich die Mühe an, seine Aufzeichnungen ins Saubere zu schreiben, und das machte er mit der Schreibmaschine und mehreren Durchschlägen. Feinsinn spielte in seinem ganzen Leben eine wichtige Rolle. Aus diesem Grunde war er auch schon in jungen Jahren in den Lengsdorfer Männergesangsverein „Liederkranz“ eingetreten, war später jahrelang dessen Vorsitzender und bis zum Schluss dessen Ehrenvorsitzender. Auch im Zweiten Weltkrieg war er erneut als Soldat im Einsatz, wenn auch nicht weit von zu Hause weg. Er gehörte zum sogenannten Brückenkommando, das für die damals einzige Bonner Rheinbrücke – die Beueler Brücke – und die berühmte Brücke von Remagen zuständig war. Zwar musste er während seiner Soldatenzeit ständig bei seiner Einheit präsent sein, jedoch durfte er zwischendurch immer mal wieder für einige wenige Stunden nach Hause ins nahe Lengsdorf, um dort nach dem Rechten zu schauen. Das tat er auch nach dem schweren Bombenangriff auf Bonn am 04.02.1945. Am Tag danach fand er dort sein Geburtshaus zerstört und ein Loch in dem Schutthaufen, aus dem in der vorhergehenden Nacht zwei seiner Brüder, sein Sohn Karl und sein Neffe Christian Olzem seine verschüttete Mutter aus dem Keller gerettet hatten. In seiner Kleinbildkamera fand er noch einen Film, den er vor dem Krieg angefangen hatte, der aber noch nicht ganz voll war und machte drei Fotos von der zerstörten Bachstraße 5 bis 13 (heute: Im Mühlenbach) und das vorgenannte Rettungsloch für seine Mutter. An der Brücke von Remagen kam er nach deren spektakulärer Einnahme durch die Amerikaner in deren Kriegesgefangenschaft. Nach einigen elenden Monaten in dem berüchtigten Gefangenenlager „Goldene Meile“ auf den Rheinwiesen zwischen Remagen und Sinzig, brachte man ihn anschließend noch nach Frankreich, dabei hatte er Glück, dass er nicht, wie zeitweise vorgesehen, noch als Gefangener in die USA musste. Andere Soldaten hatten sicher eine schwerere Gefangenschaft. Er durfte jedenfalls im März 1946 zu seiner Familie nach Lengsdorf zurückkehren. Nur kurze Zeit später – vermutlich am ersten Märztag mit Sonnenschein - muss er schon durch Lengsdorf gezogen sein und machte den Film in seiner Kleinbildkamera, auf dem auch schon das Bild seines zerstörten Elternhauses war, noch voll mit allem, was an Gebäuden in Lengsdorf darnieder lag. So wie ich ihn kannte, müssen ihn diese sichtbaren Spuren der Zerstörung bewegt haben. Vielleicht halfen ihm seine Fotodokumentationen ja auch, mit diesem seinem Unbehagen fertig zu werden. Sein eigenes 1930 erbautes Haus hatte mit viel Glück und dem besonnenen Rettungseinsatz seines Sohnes Karl nur Schäden am Dach und den Fenstern davon getragen, die durchweg reparabel waren. Das Haus steht auch heute noch in der Kreuzbergstraße. Johann Schneider starb 1977. Nach dem Tod seiner Frau Maria 1979 fanden seine Kinder bei der Haushaltsauflösung seinen vorgenannten Bericht aus dem Ersten Weltkrieg aus dickerem Papier selbst angefertigte Karteikarten mit eben diesen vorgenannten Fotos von kriegszerstörten Häusern aus Lengsdorf. Auf diesen Karteikarten hatte er teils mit der Schreibmaschine, teils in Handschrift vermerkt, was diese Fotos darstellen. In zwei speziellen DIN A4 Bögen fanden sich dazu noch entsprechenden Schwarz-Weiß-Negative, die ich für diesen Aufsatz digital erfasste.
Heute bin ich zusammen mit meinen Onkeln froh, dass mein „Opa Johann“ in jener schwierigen Zeit noch Kamera, Film und Sinn für diese Fotos hatte. Den Fotos der Zerstörungen sind noch einige Fotos derselben Objekte vorangestellt, die diese in einer noch relativ heilen Welt zeigen und über die nur wenige Jahre später der Krieg kam. Die Fotos, die mein Großvater am 5. Februar 1945 von der zerstörten Bachstraße machte, sind in der Erzählung meines Onkels Karl abgebildet. |
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Als noch keiner glaubte, dass der Krieg so nahe warDie Straße Im Mühlenbach hieß damals noch Bachstraße und der Mühlenbach floss zwar in einem Betonbett, jedoch offen und mitten durch die Bachstraße. An sehr heißen Sommertagen wurde dieser Bach von beherzten Eltern mitunter kurzerhand gestaut.
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Der Mühlenbach in der Bachstraße
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Die Möbelfabrik etwa 1938
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Dort wo heute in Lengsdorf das Mühlenbach-Center steht, fand sich bis zu ihrer Zerstörung am 28.12.1944 die Möbelfabik Mand & Mendel. Das Maschinenhaus der Fabrik mit einem eigenen Stromgenerator und einem Tank für die Holzspäne über dessen Dach angebracht, stand unmittelbar am offenen Mühlenbach. In den Jahren bis zur vorgenannten Zerstörung der Fabrik geriet das Maschinenhaus mehrmals in Brand und die Lengsdorfer Feuerwehr musste löschen. Eines dieser Ereignisse hielt mein Großvater mit der Kamera fest.
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Johann Schneiders Rundgang durch Lengsdorf im März 1946Schäden im Bereich der Hauptstraße
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Lengsdorf am Fuß des Kreuzbergs
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Wer sich ein aktuelles Bild der hier dargestellten Orte machen will, kann dieses entweder über Street-Google tun oder - noch besser - macht einfach einen Spaziergang durch den Ort |
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Swisttal, im März 2011
Text: Hans Peter Schneider Fotos: Johann Schneider