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Damenwahl In der lokalen Oldtimerszene sind Agnes Hirschinger und Martina Christen schon seit einigen Jahren ein bekanntes Team. Die Tatsache, dass sich „ausgerechnet zwei Damen“ alte Autos als Hobby auserkoren haben, ist auch in unserem emanzipierten neuen Jahrtausend alles andere als die Regel und sorgt alleine schon für Aufmerksamkeit. Darauf angesprochen, finden die beiden das für sich selbst betrachtet jedoch gar nicht so ungewöhnlich: Schließlich erfahre ich, dass beide heute in der Kranken- und Altenpflege tätig sind und dass „dieser Beruf unter anderem sehr viel technisches Verständnis und Geschick erfordert!“ Agnes Hirschinger – der Name und ihre Sprache lassen es schon erahnen - stammt ursprünglich nicht aus dem Rheinland, sondern aus dem badischen Wertheim bei Würzburg, nahe der bayrischen Grenze. Dort war ihr Vater Drechsler. Zwar hatte sie viele Geschwister, doch der Bruders ließ einfach zu lange auf sich warten und so war sie diejenige, die von ihrem Vater für die vielen im Haus zu erledigenden Heimwerkerarbeiten quasi „in Lehre genommen“ wurde. „Gab es in Haus und Hof etwas zu reparieren, zusammenzubauen oder aufzuhängen, dann war dieses schon recht früh eine Herausforderung für mich“, erzählt sie mir. Nicht zuletzt diese Beziehung zum Handwerk trug mit dazu bei, dass Agnes eine Ausbildung zur Krankenschwester und Hebamme absolvierte. Der Beruf selbst führte sie zunächst durch die ganze Republik und Westafrika, bevor sie im Rheinland als Krankenschwester einen neuen Wirkungskreis und somit auch ein neues Domizil fand. Ausgleich zum anstrengenden Beruf suchte und fand sie schon früh in der reinen Freude am Fahren. „Die Gene dazu muss ich wohl von meinem Vater haben, der es mit 80 Jahren fertig bringt, auf ein Quad zu springen und davonzubrausen,“ erzählt sie mir lachend. Anfang der 1990er Jahre machte sie den Motorradführerschein und hat seitdem auch immer ein Motorrad fahrbereit in der Garage stehen. Dieses ist heute eine MZ 500 R fun mit Velorex-Seitenwagen also mit einem 500 ccm Viertaktmotor von Rotax. Ihre Freundin Martina lernte sie im Rheinland über den gemeinsamen Beruf kennen. Martina Christen stammt aus Köln. „Mit
fünf Jahren ließ ich die Puppen liegen und spielte
viel lieber mit der heute noch vorhandenen Märklin-
Modelleisenbahn meines Opas!“ erzählt sie mir. Der
Werkzeugschrank ihres Opas - „der war LKW-Mechaniker“
- und Autos schlechthin, faszinierten Martina schon als kleines
Kind sehr. Bald merke ich im Gespräch, dass sie im Team wohl
die Fahrzeugtechnikerin ist. Die technischen Daten hat Martina
wie auf Knopfdruck parat. Ihrem Opa hatte sie früher wohl
oft genug über die Schultern geblickt und ist ihm auch zur
Hand gegangen. Diese Freude am Schrauben ist ihr bis heute
geblieben und „man kann sie ihr auch ansehen“, wie
mir Agnes versicherte. |
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Ursprünglich sollte es ein Opel sein Das Prunkstück ihrer Fahrzeugsammlung ist ein DKW F 800/3 Schnelllaster aus dem Jahre 1959. Ende der 1990er Jahre hatten sich die beiden in der einschlägigen Fachpresse nach einem Opel Olympia umgeschaut, der wegen der eher bescheidenen Reparaturmöglichkeiten in der vorhandenen Garage nicht „zu rostig“ sein sollte. Schließlich fand sich auch eine Anzeige, die einen Besuch beim Verkäufer in Köln lohnend erscheinen ließ. Beim Termin vor Ort zeigte sich die Karosserie des Olympia jedoch rostiger als befürchtet. Der Olympia schied damit als Kaufobjekt aus. Allerdings bot der selbe Verkäufer auch noch den besagten DKW Schnelllaster feil, mit kultiviertem Dreizylinder-Zweitaktmotor (3=6), 900 ccm, 32 PS und sieben Sitzplätzen, von denen sich die Rückbank komplett ausbauen lässt und die Mittelbank einklappen. Obwohl der Schnelllaster noch in einem recht guten restaurierten Zustand war, suchte der Verkäufer schon längere Zeit erfolglos nach einem Käufer. Agnes und Martina konnten das nicht so recht verstehen und so kauften sie den Schnelllaster kurzerhand, bevor noch jemand anderes auf den Geschmack kommen konnte. Und wie recht sie doch hatten: Inzwischen ist der damalige Ladenhüter zum gesuchten Objekt geworden. Heute ist der Opel Olympia „abgehakt“ und es hat sich – wie das eben so ist, wenn man sich längere Zeit auf jemanden einlässt - eine regelrechte Beziehung zu DKW entwickelt. Wann immer es der Schichtdienst im Altenheim und Krankenhaus zulässt, nehmen Agnes und Martina mit dem Schnellaster an Oldtimer-Auto-Veranstaltungen teil, so auch an denen des MVC-Brenig.
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Unterwegs mit der Firmengeschichte Am 03.05.2005 unternahmen Agnes und Martina sogar eine Reise zum DKW-Schnelllastertreffen in Ingolstadt. Insgesamt 32 Schnelllaster der unterschiedlichsten Bauarten und Baujahre waren zum Treffen 2005 erschienen. Der lokale Rundfunk berichtete mit einer Fernsehsendung über das Treffen, und unsere Freundinnen mit ihrem Prunkstück waren mehrfach im Bild zu sehen. Nach der Enteignung der Auto Union AG in Chemnitz durch die damalige Sowjetunion 1945 waren die DKW-Leute mit dem, was sie noch mitnehmen durften/konnten, nach Ingolstadt gezogen und richteten dort als „Ingolstädter Zentraldepot für Auto Union Ersatzteile GmbH“ schon im Dezember 1945 in einer ehemaligen Kasernenanlage ein Ersatzteillager für die ca. 60.000 Stück in den westlichen Besatzungszonen noch existierenden DKW-Vorkriegsfahrzeuge ein. Dieses „Ersatzteil-Unternehmen“ begann auch schon 1947 mit der Entwicklung des späteren Schnelllasters, der schließlich von der am 3. September 1949 gegründeten Auto Union GmbH produziert, weiterentwickelt und vertrieben wurde. Auf der lesenswerten Internetseite www.dkw-schnellaster.de schreibt Peter Liebert-Adelt: „Der DKW-Schnelllaster war das erste Fahrzeug, das von der AUTO UNION neben dem Motorrad RT125 nach dem Krieg ab 1949 in Ingolstadt produziert wurde. Weil es nach dem Krieg kaum Transportkapazität gab, wurde als erstes kein PKW, sondern ein Transporter entwickelt und gebaut. Mit 750 Kg Nutzlast schaffte der DKW-Schnelllaster mehr als manch anderer (Vorkriegs-) Kleinlaster, welche zudem auch nicht die "atemberaubende" Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h fahren konnten. Daraus erklärt sich auch der Name Schnelllaster. Der DKW-Schnelllaster war noch vor dem letztendlich erfolgreicheren VW-Bulli auf dem Markt und dazu in sehr vielen Ausführungen lieferbar. Wer den DKW-Schnelllaster mit modernen Transportern vergleicht, wird sehr viele Ähnlichkeiten feststellen. Der über der Vorderachse befindliche Motor mit Frontantrieb, die lang und schräg heruntergezogene Motorhaube und das ungeteilte Frontfenster, ja sogar den Mono-Scheibenwischer haben heute so gut wie alle vorzuweisen, selbst der damals ärgste Konkurrent, der VW-Bulli. Nur die hinten angeschlagene "Selbstmördertür", die den Fahrgast beim Tür-Öffnen während der Fahrt förmlich von der Sitzbank riss, gibt es heute nicht mehr.“ Natürlich waren zum Treffen nicht alle Schnelllaster erschienen, die heute noch in Deutschland existieren. Eine Rückfrage beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg ergab, dass in 2005 noch 16 Exemplare des F800/3 in der Kombi-geschlossen-Version bekannt waren. Der Schnelllaster unserer beiden Freundinnen wird aber nicht zur zu Oldtimerveranstaltungen bewegt. „Seine Ladekante ist immer noch die tiefste an einem serienmäßig hergestellten Transporter“, erklärt mir Martina. „Wir fahren damit auch immer wieder gerne zum ganz alltäglichen Einkaufen nach Waldorf, Brühl und Wesseling. Wenn es mal was Sperriges ist, lassen sich die hinteren Sitzreihen mit wenigen Handgriffen schnell entfernen“. Natürlich genießen es die beiden, wenn sie beim „ganz gewöhnlichen Einkaufen – ganz besonders vor dem Baumarkt“ mit ihrem Oldtimer die Aufmerksamkeit der Passanten erwecken, sie ist ja schließlich auch wohl verdient und immer auch ein Stück Aufmerksamkeit der belebten Geschichte gegenüber.
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Nachfolgender Steckbrief ist unverändert einer E-Mail von Agnes und Martina entnommen: „Originalzustand.
2 Vorbesitzer. Nun zum DKW. P.S. Der DKW war bei seinem 1.Besitzer 30 Jahre in Betrieb(Radiogeschäft)“ |
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Familienprinzip - Wartburg 353 deluxe Inzwischen haben es den beiden offenbar Autos mit mehrzylindrigen Zweitaktmotoren angetan. Die damalige DDR produzierte im ehemaligen Auto Union Werk in Chemnitz ab 1949 zunächst den IFA F8 und ein Jahr später schon den IFA F9, wobei es sich noch um eine von Auto Union 1940 entwickelte Dreizylinder-Zweitakt-Limousine handelte. Ab 1958 wurden im IFA-Werk Eisenach – den ehemaligen BMW-Werken bzw. EMW-Werken – die Wartburg-Modelle produziert. Der Wartburg 311 entstand als Weiterentwicklung des IFA F9. Wie seine Vorgänger verfügte er über Frontantrieb und einen Dreizylinder-Zweitaktmotor mit Wasserkühlung und Vierganggetriebe. Diese Bauprinzipien, die letztendlich auf DKW-Entwicklungen zurückgehen, wurden bis zur Wende beibehalten. Erst nach der Wende erhielten noch einige wenige Wartburgs Viertaktmotoren aus dem Golf-Baukasten von VW, bis schließlich die Produktion auf den völlig veralteten Produktionsanlagen gänzlich eingestellt wurde. Nach der Wende ging es den Wartburgs nicht anders als den Trabbis. Im Osten wollte man endlich mal richtige „Westautos“ kaufen und im Westen rümpfte man lange noch die Nase über die veraltete Technik, den Zweitaktqualm und die mangelnde Sicherheit. 1990 konnte man mit ein wenig Glück Wartburgs und Trabants sogar geschenkt erhalten. Inzwischen hat sich diese Bewertung jedoch völlig gewendet. Jedenfalls sind Agnes und Martina richtig froh darüber, dass sie noch einen gut erhaltenen Wartburg 353 deluxe aus dem Jahre 1988 erwerben konnten. Das Auto hat einen gepflegten 1.000 ccm Zweitakt-Dreizylinder-Motor. Die drehmomentstarken 50 Zweitakt-PS wirken bei der relativ leichten Karosserie richtig spritzig; viel spritziger als moderne Autos mit 75 PS. „Der zieht ab wie Schmitzens Katz!“, schwärmt Martina und fährt fort: „Die Technik ist total simpel und überschaubar, der Federungskomfort auf schlechten Straßen kaum zu überbieten und er ist heute schon ein Stück deutsches Kulturgut!“. Dem schließt sich Agnes an und betont nochmals das besondere Fahrerlebnis, das dieses Auto mit seinem Zweitaktmotor bereitet, wozu auch der typische Geruch gehört, eben „einfach ein jeckes Auto“. |
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Schon Nostalgie Ein bemerkenswertes Erlebnis hatten Agnes und Martina mit ihrem Wartburg bei der Oldtimerveranstaltung in Rheinbach. Hier wurden sie von freundlichen Passanten gefragt, ob sie sich wohl einmal in den Wartburg hineinsetzen dürften, weil sie ja „früher in der DDR“ auch einmal so ein Auto gehabt hätten. Natürlich durften sie im Youngtimer-Wartburg sitzen und alle freuten sich sehr.
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Swisttal, im Dezember 2006
Text: Hans Peter
Schneider
Fotos: Agnes Hirschinger, Martina Christen und Hans
Peter Schneider