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Gerd Geyer –
sportlich durch fünf Jahrzehnte Motorradgeschichte

In den 1960er Jahren ebbte der Motorradboom der 1950er Jahre ab

Die Bedeutung des Motorrads im ersten Nachkriegsjahrzehnt

In den ersten Jahren des „Wirtschaftswunders“ nach dem Zweiten Weltkrieg spielte das Motorrad für die Mobilität der Deutschen eine große Rolle, denn Mobilität musste ja auch bezahlbar sein. Im Verhältnis zu den durchschnittlichen Einkommen der Deutschen lagen damals die Neupreise für Auto höher als heute. Hinzu kam, dass die Finanzierung eines Autokaufes beim Händler damals nicht so einfach war wie heute. Fahrzeuge wurden damals in der Regel mit Bargeld bezahlt, und wenn eine Finanzierung erforderlich war, dann besorgte man sich dieses Bargeld bei vermögenden Verwandten. Außerdem waren Motorräder nicht nur billiger in der Anschaffung, sie waren es auch im Betrieb. So ist es nicht verwunderlich, dass für die individuelle Motorisierung, wie schon vor dem großen Krieg, zunächst das Motorrad in Frage kam. Gegenüber dem Fahrrad oder den eigenen Füßen sorgte so ein Motorrad für ein sehr viel höhere Dimension von Mobilität und damit für ein ganz neues Lebensgefühl und Lebensqualität. Zwar gab es schon immer auch Motorradfahrer, die sich an der Technik oder am Fahren an sich sehr erfreuten. Bei der Mehrzahl der Motorradfahrer stand in jenen Jahren jedoch noch die Transportfunktion im Mittelpunkt, möglichst bequem vom Ort A zum Ort B zu gelangen. Das Gros der Motorräder waren deshalb sogenannte „Bauernmotorräder“ wie damals Ernst Leverkus in der Zeitschrift DAS MOTORRAD schrieb. Das waren robuste einfache Motorräder. Wenn die Transportleistung erhöht werden musste, etwa wegen der größer gewordenen Familie oder auch aus beruflichen Gründen, dann ließ sich ein Motorrad mit mindestens 200 ccm Hubraum mittels eines Beiwagens in seiner Transportleistung ausbauen.

Solche typischen „Bauernmotorräder“ waren damals etwa die DKW RT-Reihe bis zur DKW RT 250, Viktoria KR 25, BMW R 25, NSU Lux. Sportlicheren Ansprüchen in Nebenfunktionen wurden die Zweizylinder BMWs, die Marke Horex, die NSU Max oder die Adler M 250 gerecht. Ständig träumten die Deutschen allerdings vom Auto, in dem man trocken saß, ein Dach über dem Kopf hatte und mit dem man noch mehr transportieren konnte.

Ernst Leverkus schreibt in seinem Buch „Die Motorräder“, Stuttgart 2006, S. 26 bezeichnend: „Die 125er und 250er waren zunächst die Gebrauchsmaschinen, mit denen viele Menschen anfingen, eine neue oder alte Existenz aufzubauen, um damit zur Arbeitsstelle oder zum Kunden zu fahren“. Bis etwa 1950 wurden die letzten Vorkriegsmodelle in der Produktion nochmals aufgelegt. Neue Entwicklungen kamen erst ab 1950 auf den Markt. Die Motorradszene belebte sich damit zusehends. Das war der Fortschritt und das war auch der erste große Motorradboom nach dem Krieg

Der Fortschritt überrannte ab 1955 allerdings auch das Interesse an den Motorrädern. Das Wirtschaftswunder und der daraus erwachsene Wohlstand der Deutschen ab 1955 machten es möglich, dass sich immer mehr Deutsche ein Auto leisten konnten, taten sie das auch und das Interesse an Motorräder ließ rapide nach.

Eine Chance sahen einige Motorradhersteller zunächst darin Autos in ihr Produktions- und Verkaufsprogramm aufzunehmen. Viktoria, Zündapp und Maico scheiterten jedoch damit jäh. Nur NSU hatte einigen Erfolg damit und DKW und BMW bauten außer Motorrädern schon immer auch Autos. NSU und DKW gingen schließlich in die Audi NSU Auto Union AG über und wurden damit Teil des großen VW-Konzerns. Da waren die Motorräder aber schon lange aus dem Verkaufsprogramm verschwunden. BMW stand Ende der 1950er Jahre ebenfalls vor dem Untergang. Erst die Verkaufserfolge des Auto-Typs 1500 sicherte ab 1961 das Überleben des Unternehmens. überhaupt und die Aufträge der Behörden sorgten für den Fortbestand der Zweiradproduktion. In den 1960er Jahren produzierte somit in Deutschland alleine BMW Motorräder mit großen Hubräumen. Die anderen Hersteller hatten entweder ihre Produktion eingestellt oder sich auf kleine Motorräder bis maximal 125 ccm eingestellt.

Das Interesse an Motorrädern bestand nachfolgend bis in die 1970er Jahren vornehmlich bei den Jugendlichen ab 16 Jahren, weil es für die damals keine andere Möglichkeit gab, sich zu motorisieren. Ende der 1960er Jahre leisteten die 50er der Marken Kreidler, Hercules und Zündapp durchweg 6,25 PS. Das entsprach einer Literleistung von 125 PS. Ernst Leverkus sprach hier von „aufgeheizten Fingerhüten“. Die „Mopeds“ erreichten damit eine Leistungspotenzial, das bei Motorrädern mit großem Hubraum erst mit dem neuen Jahrtausend zur Regel werden sollte.

Die Talfahrt des Interesses an Motorrädern lässt sich in den Zulassungszahlen neuer Motorräder in Deutschland (nur alte Bundesländer) über 50 ccm Hubraum ablesen:

Jahr

Anzahl der Neuzulassungen

1954

151.000

1955

84.000

1956

48.000

1957

25.000



Diese Entwicklung des schrumpfenden Marktes setzte sich in den 1960er Jahren fort, wenn auch nicht so rasant wie Mitte der 1950er Jahre. 1960 existierten in Deutschland noch 34 Motorradmodelle deutscher Hersteller. Ausländische Hersteller nahmen nur eine unerheblich geringe Marktstellung ein. Wenngleich Honda Mitte der 1960er Jahre die ersten Modelle nach Europa und auch nach Deutschland exportierte. Niemand konnte und wollte damals ahnen, welche Bedeutung die Japanischen Hersteller schon zehn Jahre später erlangen sollten.


Die BMW R 25/2 entstand 1952 noch auf der Höhe des ersten Motorradbooms nach dem Zweiten Weltkrieg und bediente vorrangig Transportfunktionen


Der Motorradindustrie in der gesamten westlichen Welt erging es nicht anders als der in Deutschland. Ab Mitte der 1950er Jahre neigte sich die goldene Zeit für die Zweiradindustrie ihrem Ende. Im Bild eine BMW R 27 von Anfang der 1960er Jahre. Zum Überleben der BMW-Motorräder trug die Produktion von Behörden-Motorrädern entscheidend mit bei. Diese BMW war als Fahrschulmaschine bei der Polizei im Einsatz. Für Gerd Geyer waren diese bis 1966 gebauten Einzylinder-Motorräder von BMW mangels Sportlichkeit nie ein Thema


Hochentwickelte Technik mit obenliegender Nockenwelle bei NSU verhinderte den Untergang nicht . Das Motorrad hatte als Transportmittel ab 1955 mehr und mehr ausgesorgt. Auch die NSU Maxen standen in den 1960er Jahren schon vermehrt in Garagen und Schuppen herum, weil inzwischen ein Auto zur Verfügung stand, und darin hatte man ein Dach über dem Kopf


Nur mit 50-ccm-Maschinen hatten die Motorradhersteller eine Überlebenschance. Der Großteil der Käufer rekrutierte sich aus den 16- bis 18-Jährigen, die noch zu jung waren für den Auto- Führerschein.


Nach der Jahrtausendwende sind die Mopeds der 1950er bis 1970er Jahren insbesondere bei denen wieder beliebt, die sie damals schon als Jungs fuhren. Von ihrem Aussehen her haben die Mopeds im Verhältnis weniger Alterungsspuren als Ihre Eigentümer

Gerd Geyers frühe Motorraderlebnisse

Gerd Geyer ist Jahrgang 1948 und hatte als Junge schon ein ausgeprägtes Interesse an allem Fahrbaren. „Mit 13 Jahren bin ich schon im großen Garten hinter dem elterlichen Haus mit einer Quickly gefahren. Wenig später dann mit einer NSU Fox“, erinnert sich Gerd Geyer. „Dann endlich war ich 16 Jahre und durfte den Führerschein – damals Klasse 4 für Kleinkrafträder – machen. Vom Ersparten kaufte ich mir eine gebrauchte Kreidler mit Dreigang-Handschaltung. Als Kfz-Mechaniker-Lehrling durchschaute ich schnell die Technik. Außerdem sparte ich auf was schnelleres, denn die Kreidler war schon älter und hatte auch nur 3,6 PS. Ein Jahr später war es mir schließlich mit der finanziellen Unterstützung der Eltern möglich, eine flammneue Hercules K50 mit Sachs-Fünfgangmotor, 5,3 PS und Vollschwingenfahrwerk zu erwerben. Mit dieser 50er hatte ich sehr viel Spaß“, so Gerd Geyer.


Gerd Geyers erstes Kraftrad, das er auch mit
Führerschein fuhr. Eine Kreidler Florett von
1959 mit Dreigang-Handschaltung


Hercules K50 Sprint aus dem Jahre 1966 war das Pendant zu Kreidler Florett und zur Zündapp KS 50 Super. Mit elterlicher Unterstützung folgte für Gerd Geyer diese abgebildete Hercules auf die Dreigang-Kreidler

Pünktlich mit 18 Jahren machte Gerd Geyer zusammen mit dem Auto-Führerschein auch gleich den fürs Motorrad. Die Kosten hierfür betrugen damals lediglich einen kleinen Bruchteil der heutigen. Die erforderliche Fahrstunden hierfür ließen sich insgesamt an zwei Händen abzählen.
Neben einem Auto der Marke DKW, legte er sich zugleich auch ein Motorrad zu. Honda hatte 1965 in ganz Deutschland gerade einmal 1.354 Exemplare verkaufen können. Dafür gab es noch etwa eine halbe Million Motorräder aus deutscher Produktion der 1950er Jahre, die irgendwo bei Ihren Ersteigentümern abgemeldet herumstanden, weil die sich inzwischen ein fahrbares „Dach über dem Kopf“ angeschafft hatten.

Diese für die meisten uninteressant gewordenen Motorräder konnten für kleines Geld erworben werden. Gerd Geyer nutze diese Marktsituation aus. Nach einer NSU Max war es eine Adler MB 250 und 1969 schließlich eine Horex Regina. Wenn man solche Motorräder nicht gar geschenkt bekam, zahlte man allenfalls 100 DM oder höchstens 200 DM an den Verkäufer. Als Autoschlosser, konnte er alle Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten selbst verrichten. Wichtige Ersatzteile wurden von einem Teilespender-Motorrad genommen. Die Kosten seines Hobbys nahmen sich deshalb sehr bescheiden aus.

Dann kam der Wehrdienst und Gerd Geyer musste für 18 Monate in eine Kaserne in der Oberpfalz, wobei die einfache Wegstrecke 500 km maß. Da das Auto zwischenzeitlich nicht mehr zur Verfügung stand, wurde zu den Wochenenden der Weg von der Kaserne nach Mechenich und zurück mit der Horex-Regina 400 gefahren. Und wer Gerd Geyer kennt, der weiß, dass die Horex dabei nicht geschont wurde: Die Fahrten mit den 22 PS auf der Autobahn ermöglichten Dauergeschwindigkeiten von ca. 130 km/h. Aus heutiger Sicht war das für die meisten Oldtimerfreunde ein Frevel. Aber Gerd Geyer sah das ganz anders. „Probleme gab es dabei nie mit der Horex Regina. Die originale Kurbelwelle hatte ich schon kurz nach dem Erwerb der Maschine vorsorglich durch eine solche von Höckle ausgetauscht. Die Höckle-Qualität hatten sich schon tausendfach im Rennsport bewährt und auch in meiner Horex sorgte sie zuverlässig für Standfestigkeit. Nie gab es irgendwelche Kolbenklemmer. Reparaturen konnten notfalls am Straßenrand vorgenommen werden“, schwärmt Geyer heute noch über die genial simple Technik der Horex. „Spezialwerkzeug war kaum erforderlich: Mit dem Bordwerkzeug konnten Motor und Getriebe weitgehend zerlegt und wieder zusammengebaut werden. Die Schubstangensteuerung der NSU Max war da schon etwas komplizierter und das Motorgehäuse der Adler mit seinen zwei Zylindern war ebenfalls anspruchsvoll bei der Montage“. Und dann lacht Gerd Geyer laut: „Einmal sogar wurde mir auf der Autobahn der Tank durch die starken Vibrationen undicht. An einer gebördelten Schweißnaht lief plötzlich Benzin aus. Obwohl es unterwegs in Strömen regnete, hatte ich mich während der Fahrt schon über den Benzingeruch gewundert. Also hielt ich unter einer Autobahnbrücke an, wo – heute nicht mehr vorstellbar - andere Motorradfahrer vor dem Regen Schutz gesucht hatten. Unter deren erstaunten Blicken nahm ich den Tank ab und bearbeitete mit Zange und Steinen zum Klopfen die Bördelnaht so lange, bis der falsche Spritfluss gestoppt war. Anschließend setzte ich im Regen meine Fahrt fort. Später wurde der Tank von mir gelötet und in Gummi gelagert. Danach machte der keinerlei Probleme mehr“.


Nach absolvierter Lehre reichte das Geld auch noch für ein Auto. Die Auswahl fiel dabei - wie sollte es auch anders sein – auf Modelle mit sportlichen Genen. Als Autoschlosser konnte Geyer mit Selbermachen die Kosten für Reparaturen und Wartung gering halten. Ein beliebtes Ausflugsziel an Wochenenden war die damals noch existierende alte Nürburgring-Südschleife




Der Film Easy Rider war 1969 soeben im Kino erschienen und nahm Einfluss auf die Form des Lenkers an Gerd Geyers Adler MB 250. Es kam nur höchst selten vor, das Gerd Geyer sich von modischen Aspekten leiten ließ


An der nachfolgenden Horex Regina war schon ein praktischer Motocross-Lenker montiert und die originalen schweren Blechkotflügel fanden Ersatz durch leichte Alubleche. Gerd Geyer wusste damals schon geringes Gewicht zu schätzen. Das Foto lässt auch schon Geyers Motocross-Ambitionen erahnen. Im Januar 1970 besuchte er damit das Elefantentreffen auf dem Nürburgring. Dabei entstand dieses Foto


Während der Wehrdienstzeit diente die Regina 400 auch zur regelmäßigen Fahrt in die ca. 500 km entfernte Kaserne: „… auf der Autobahn fuhr ich die dann mit 120 km/h und schneller.“
Die im Bild zu sehende Horex-Telegabel war bekannt für ihre hervorragenden Qualitäten und deshalb bis Anfang der 1970er Jahre bei Sportfahrern beliebt, auch als Einbau in Motorräder anderer Marken

In den Anfangsjahren immer ohne Helm
In den ersten Jahren wurde doch nie mit Helm gefahren, erinnert sich Gerd Geyer, „weder die 50er noch die ersten großen Motorräder aus deutscher Produktion. Als ich mir dann schließlich doch einen Halbschalenhelm von Römer kaufte, lachten mich meine Kumpels aus: Wie fährst du denn hier rum, worauf ich entgegnete: Ich fahre jetzt mit Helm. Aber der Halbschalenhelm gefiel mir nicht so richtig und ich bestellte mir ein halbes Jahr später schon bei der Fa. Auto Bergs in Euskirchen einen Jethelm. Als der kam, war der rot und hatte an der Stelle wo die Ohren sind, so seltsame Löcher mit Lederbezug. Daraufhin schaute der Verkäufer nochmals genau nach und stellte mit Entsetzen fest: Die haben ja einen Rennboothelm geschickt. Ich schaute ihn mir dann nochmals genau an und stellte fest, dass der sehr leicht war und sonst keiner mit so einem Helm Motorrad fuhr: Also nahm ich ihn“.

Eigenbau-Motorrad fürs Gelände

1969 hatten sich Gerd Geyers Geländesport-Ambitionen mit dem Motorrad schon so weit entwickelt, dass er sich aus anderen Motorradteilen seine Moto-Cross-Maschine zusammenbaute, um damit hobbymäßig auf den Moto-Cross-Bahnen im nahen Satzfey, in Dom Esch oder auch in der Kiesgrube in Miel zu fahren. Dazu hatte er das Fahrwerk einer Herkules K100 genommen, in das er den Motor einer Zündapp 200 S einpasste, Die Räder mit Moto-Cross-Bereifung maßen hinten 18´´ und vorne 19´´, ein breiter Moto-Cross-Lenker wurde montiert, ferner ein kleinerer Tank, eine kurze Sitzbank für eine Person, knappe und leichte Moto-Cross-Kotflügel ersetzten die originalen. Alles, was für den Moto-Cross-Einsatz nicht erforderlich war, wurde entfernt. Der Motor erhielt mehr Verdichtung und bot hinreichend Leistung für das Gefährt, was auch erfahrene Crosspiloten bestätigten, die den Eigenbau interessehalber einmal fuhren. Allgemein wurde die Leistung auf 15 PS geschätzt, die mit dem kräftigen Drehmoment des Zweitaktmotors einher kamen. Gerd Geyer selbst war auch ganz zufrieden mit seinem gelungenen Werk.

Leider existiert von diesem Eigenbau kein Foto mehr. So muss man sich aus den nebenstehenden Fotos mit Fantasie die einzelnen Komponenten in ihrem geyerschen Arrangement vorstellen.


In das Fahrwerk einer solchen Hercules K 100 baute Gerd Geyer den leicht getunten Motor einer unten abgebildeten Zündapp 200 S ein


Zündapp 200 S

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