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Opas Motorisierung nach dem Krieg

Als mein Opa Peter meine Oma Maria 1926 heiratete, war er schon 35 Jahre alt. Kurz zuvor hatte er in Brenig die erste Metzgerei eröffnet. Diese alleine konnte jedoch seine 5-köpfige Familie bis in die 50er Jahre nicht ernähren, sodass er bei den Bauern des Dorfes regelmäßig Hausschlachtungen hielt und im Nebenerwerb - wie so viele andere auch im Vorgebirge - Gartenbau betrieb.


Peter Franken bei einer Hausschlachtung 1941 in Brenig,
Vinkelgasse bei Fam. Euler. Fürs Auskommen der Familie musste er neben der Metzgerei auch noch Gartenbau betreiben


Peter Franken an seinem 80. Geburtstag 1971
Stets cool und besonnen: „Mit Speck fäng me Müs“ und „Me kennt sing Säu an de Schnüss“


Nie ohne Zigarre oder Pfeife, in der ausschließlich Strangtabak geraucht wurde


Hecker K 125 aus dem Jahre 1949. Die Teleskopgabel kam erst 1950. Die Doppelauspuffanlage des Einzylinder Zweitaktmotors war Zeichen des Luxus.

Bis zur Währungsreform nach dem Krieg löste er sämtliche Transportfahrten für seine Metzgerei zum Bonner Schlachthof oder zu Kunden mit einem Hundegespann. Seine Deutsche Dogge und ggf. die seines Bornheimer Kollegen Strohschnitter zogen einen Leiterwagen mit Kastenaufbau, und zwar schneller, als das meinem Opa manchmal lieb sein konnte und der Griff zur Bremse das Zügeln an der Leine unterstützen musste. Schließlich wurde Opa jedoch auch von der Motorisierungswelle der Nachkriegszeit erfasst, und zwar schon im Jahre 1949 in Gestalt eines Motorrades der Marke Hecker. Der Motor war von Ilo und hatte 125 ccm, einen Nasenkolben, als „Luxusmodell“ zwei Auspuffrohre und leistete 5 PS. Das Hinterrad war ungefedert und vorne steckte eine Pressstahl-Parallelogramm-Gabel die gröbsten Stöße weg. Dieses war fortan das Motorfahrzeug für den Metzgereibetrieb, mit dem Opa nunmehr in Windeseile seine Besorgungen auf dem Schlachthof machte. Zu diesem Zweck wurde ein Korb auf den Gepäckträger gespannt und wenn das nicht reichte, kam auch noch ein zweiter Korb zwischen Beine und Arme auf den Tank; das funktionierte prächtig zu Opas Zufriedenheit.

Zum Papier oder besser zum geschriebenen Wort hatte mein Opa Zeit seines Lebens nie eine besondere Beziehung. Hierzu hatte er ja meine Oma Maria, die bereits vor dem ersten Weltkrieg als Mädchen vom Vorgebirge die Handelsschule erfolgreich besucht hatte. Oma erledigte schon alle Schreib- und Büroarbeiten in der elterlichen Zuckerrübenkrautfabrik in der Rückgasse und so war es klar, dass Opa sich in der Metzgerei um solche Dinge nicht mehr kümmern musste.

Mit dieser geistigen Ferne zum Papier und dem darauf geschriebenen Wort ist es wohl teilweise zu erklären, dass Opa die ersten 18 Monate nach dem Kauf seines Motorrades ohne Besitz eines Führerscheines tollkühn damit regelmäßig unterwegs war. Dieses illegale Treiben musste – es durfte ja auch gar nicht anders kommen - schließlich ein Ende finden: Im Sommer 1950 benötigte er für die Bohnen in seinem Garten noch ein gutes Dutzend langer Bohnenstangen. Damit konnte ihm sein Bruder Scheng (Johannes) aus Alfter leihweise aushelfen. Selbstverständlich sollte der Transport auf seinem Motorrad erfolgen. Als praktikable Möglichkeit, den Transport mit nur einer einzigen Fahrt zu bewältigen, kam schließlich für Opa nur in Frage, das gute Dutzend Stangen zu bündeln und dieses Bündel gut nach rechts und links ausgewogen, quer liegend auf dem Gepäckträger zu befestigen.

Der Transport wäre wohl auch problemlos abgelaufen, wenn ihm auf Bornheims Königstraße nicht das strenge Auge des Gesetzes begegnet wäre.

Vor der Vergabe eines Knöllchens pflegte auch schon damals die Polizei Zulassung und Führerschein des Verkehrssünders zu prüfen. Natürlich hatte Opa auch für diese Situation vorgesorgt und führte auf dem Motorrad ständig einen dicken Packen von „Papieren“ mit sich, die irgend etwas mit seinem Motorrad zu tun hatten und die er nun dem Polizisten darreichte. Der fand dann nach einiger Zeit auch zwischen der Rechnung der Fa. Zörner, Bonn über den Kauf des Motorrades, den Rechnungen der nachfolgenden Inspektionen, der Police und diversen Rechnungen der Versicherung, der Rechnung über die Kfz-Steuer sowie einer Vielzahl von Tankbelegen, die noch für die nächste Steuerklärung gebraucht wurden, den Fahrzeugschein. Den Führerschein konnte er trotz allem Suchen natürlich nicht finden und so musste er meinen Opa nach dem Führerschein nochmals besonders fragen. Der guckte zunächst nur nachdenklich eine Weile vor sich hin und fragte dann mit dem größten Erstaunen zurück: „Ja, ös der dann net do debei (Ja, ist der denn nicht da dabei)?“; es folgte sodann eine kurze Denkpause und schließlich schob er noch hinterher: „Dat wor doch dür jenoch, dat scheiß Dinge (das war ja teuer genug, das ... Motorrad)!“. Der Führerschein war eben nicht dabei und so holte Opa ihn im Spätsommer 1950 nach.




1978 erntete er mit 87 Jahren noch unter schwierigen Umständen Nachbars Pflaumen, um sie anschließend mit Gewinn zu verkaufen. Im Vordergrund zu sehen: Bohnenstangen wurden immer benötigt



Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Archiv MVC-Brenig, Familie Euler, Hans Peter Schneider

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