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Josef Bungartz strebt den perfekten Oldtimer an

„Mensch was seid Ihr doch für Raser!“ musste ich mir vor sechs Jahren von Josef Bungartz anhören, nachdem er mit seiner BMW R 100 R an der von mir damals angebotenen 50-PS-Tour in den Westerwald teilgenommen hatte. Damals war geklärt worden, dass Josef genussvolles Motorradfahren nicht über die letzte Rille der Reifen und den letzten Millimeter der Fahrbahn definiert und die übrigen Teilnehmer der Tour mit Ihren teils mehr als doppelt so starken Maschinen meinen Fahrstil wünschten. In der Tat, das hätte ich damals besser machen müssen.

Plausibler Weg zum Oldtimer

Josef Bungartz ist schon sehr vielen Jahren eingetragenes Mitglied unseres Clubs, und das aus gutem Grund: Die Geschichte des immer noch frischen letzten Jahrhunderts überhaupt und Technikgeschichte im Besonderen haben es ihm angetan. Schon als Kind faszinierten ihn Radios und das Funken. Nach einer Lehre als Elektriker bastelte er viel an alten Radios und befasste sich mit Funktechnik und betätigte sich rege als Funker. Das war zu einer Zeit, wo man in den kühnsten Träumen noch nicht an ein Handy oder geschweige ein Smartphone zu denken wagte. Funken war in den 1960er Jahren ein recht exotisches Hobby, das ihm schon früh in gewisser Weise die Weite dieser Welt erschloss. Nicht weniger hatte Josef Bungartz aber auch ein Faible für Motorräder: Mit 18 Jahren, das war 1964, machte er den Motorradführerschein und war die nachfolgenden Lebensjahre auf motorisierten Rollern mobil. Wohlgemerkt lag die Motorradindustrie in jenen Jahren im Sterben, und die in den späten 1950er Jahren über Italien in Mode gekommenen Roller mit Motorisierungen über 50 ccm waren sozusagen die letzten Blüten dieses Industriezweiges. Um 1970 war der Tiefststand bei der Zahl der zugelassenen Motorräder erreicht. Nach einer NSU-Prima, fuhr Bungartz eine Zündapp Bella mit 200 ccm Hubraum und schließlich eine NSU Lambretta.


Josef Bungartz als privater Funker um 1970.Das Funken zählt auch heute noch zu seinen gepflegten Hobbys


Verkaufsprospekt des NSU-Lambretta

Wenn auch Bungartz sich Ende der 1960er Jahre dann doch ein Auto zulegte, so blieb sein Interesse an Motorrädern ungebrochen. In den frühen 1960er Jahren existierte in Bonn in der Nähe der Viktoriabrücke ein Schrotthändler, der sich darauf spezialisiert hatte, alle die Motorräder einzusammeln, die mit dem massenhaften Umstieg der Deutschen auf das Auto – „man sitzt sicher und warm und hat eine Dach über dem Kopf“ - niemand mehr haben wollte. Immer wieder hielt Josef Bungartz in jenen Jahren bei diesem speziellen Schrotthändler an, um sich dort die entstandene Sammlung Motorräder anzuschauen. Oft genug stellte er sich dabei vor, mit dem einen oder anderen tollen Gefährt unterwegs sein zu können, aber sein schmales damaliges Monatseinkommen als frischgebackener Elektromonteur ließ es nicht zu, statt des billigen Motorrollers eine stattliche Horex Regina oder gar eine Zündapp KS 601 zu erwerben. Zudem war die Funkerei ja auch schon zu einem seiner Hobbys geworden. Nur beiläufig sei hier erwähnt, dass in jenen Jahren die Motorräder der 50er Jahre in verhältnismäßig sehr gut erhaltenem Zustand für heute kaum mehr vorstellbar kleines Geld erworben werden konnten. Das Marktgesetz von Angebot und Nachfrage hatte da auch schon Bestand.
Als Mitte der 1970er Jahre die erste Welle des Motorradbooms Europa erreichte, war Josef Bungartz von Beginn an dabei: Den Anfang machte er mit einer Suzuki RV 90, jenem Kult-Bike mit den kleinen dicken Reifen. Diesem folgte 1974 schon eine Suzuki
GT 250, einem für damalige Verhältnisse sehr flotten Zweizylinder-Zweitakter. Ein Jahr später legte der sich mit einer Yamaha XS 400 seinen ersten Viertakter zu, dem schließlich 1984 eine Honda CX 500 folgte, die auch heute noch fahrbereit in seiner Garage mit inzwischen pannenfrei zurückgelegten 70.000 km steht. Seit diesem Jahrtausend befasst Josef Bungartz sich intensiver mit BMW, wobei eine R65 den Anfang machte und 2007 eine BMW R100R das bis heute modernste und flotteste Motorrad in seiner Garage ist.


Josef Bungartz 2007 bei der 50-PS-Tour in den Westerwald mit seiner BMW R 100 R und ...


im Kreise der Mitgliederversammlung unseres Clubs im Januar 2009


Suzuki RV zur Wiedererlangung alter Leidenschaften 1974. Foto: Wikipedia


Prospekt einer Suzuki GT 250


Die Honda CX 500 fährt Josef Bungartz noch heute. Das Foto entstand im Rahmen einer Alpentour in den 1980er Jahren bei einer Rast am Gardasee

Das perfekte Motorrad als Ziel

Als sich Josef Bungartz 2004 erstmals an die Restaurierung eines Motorrad -Oldtimers heranwagte, da sollte es auch eine BMW sein. Die Marke an sich, die Art der Technik, zu der auch ein sauberer und pflegeleichter Kardanantrieb zum Hinterrad gehört und die Qualität der Marke hatten es ihm angetan. Weil er sich insbesondere und sehr intensiv mit der Motorrad-Geschichte der 1930er und 1940er Jahre befasst, musste fast wie selbstverständlich, die Auserwählten in den 1930er Jahren entstanden sein. Zudem war die Motorradtechnik der 1930er Jahre schon so weit entwickelt, dass man mit so einem Oldtimer auch schon größere Touren unternehmen konnte, ohne erheblichen Pflegeaufwand betreiben oder um die Standfestigkeit der Technik fürchten zu müssen.
Josef Bungartz gezielte Suche richtete sich deshalb auf eine BMW R12. Die Technik der R12 war für die 1930er Jahre geradezu schon perfekt: Mit der diesem 1935 erschienenen Modell führte BMW die erste hydraulisch gedämpfte Teleskop-Vorderradgabel im Motorradbau ein. Diese brachte gegenüber der bis dahin üblichen Blattfeder-Schwinge eine erhebliche Verbesserung im Komfort und in den Fahreigenschaften. Im unveränderten Pressstahlrahmen saß indessen der von der R 11 her bekannte und zugleich bewährte Seitenventil-Boxer-Motor, der wahlweise mit einem SUM- oder zwei Amal-Vergasern geliefert wurde. Mit seinen 745 ccm brachte es dieser Motor mit dem SUM-Vergaser auf 18 PS und mit dem größeren Amal-Vergaser auf 20 PS. Neu für die Boxer-Modelle waren damals das Viergang-Getriebe und die Trommelbremse im Hinterrad anstelle der bisherigen Kardanbremse.
Nun ist der Markt an Oldtimer-Motorrädern, seit es ihn gibt, rund um die Marke BMW hierzulande schon immer relativ groß, sodass professionell und hervorragend restaurierte BMW R12 auch immer wieder einmal angeboten werden. Josef Bungartzs sah seine Herausforderung bei der Suche nach der perfekten R 12 aber weniger im weiten Öffnen seines Portemonnaies als vielmehr darin, selbst Hand bei der Restaurierung anzulegen. Schließlich sollte auf diesem Wege auch die Beziehung zwischen Restaurator und Objekt eine besondere werden.

Im Oktober 2004 kaufte Bungartz bei einem Schrotthändler in Osnabrück eine BMW R12. Sie sah beim Termin ziemlich komplett aus, wenngleich für ihn klar war, dass er sich mit jedem einzelnen Teil des Motorrades intensiv befassen musste.
Erst zu Hause in seiner Garage stellte er mehr und mehr fest, wie heruntergekommen dieses Motorrad doch im Grunde war: Viele der vorhandenen Teile waren mit improvisatorischen Kunststücken befestigt und stammten ursprünglich nicht von der R12 sonder von der russischen Ural M72. Der Vergaser stammte gar von einem französischen Gnom et Rhone Boxer. Tatsächlich war das Restaurationsobjekt offenbar in Osteuropa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges liegen geblieben und diente anschließend mehrere Jahre lang friedlichen täglichen Einsatz-Zwecken. Sehr ernüchternd war die Feststellung, dass der Rahmen wohl erheblich verbogen und mehr schlecht als recht gerichtet worden war. Weil zudem auch der Rost stellenweise schon tiefgründige Spuren gelegt hatte, kam Bungartz zum Schluss: ein besserer Rahmen muss her. Dank Internet war ihm dieses für angemessenes Geld möglich.


Zum Lackieren vorbereiteter Rahmen. Hierbei handelt es sich um den zusätzlich erworbenen Rahmen. Der zu verzogene ursprüngliche Originalrahmen steht dahinter


Gabelteile. Es war die erste serienmäßige Telegabel
mit hydraulischer Dämpfung


Altes Papier für ein altes Motorrad

Das was Josef Bungartz selbst in seiner Garage und der kleinen Kellerwerkstatt machen konnte, das erledigte er auch selbst. Wo er seine eigenen Grenzen sah, da respektierte er diese ganz im Sinne seines hoch gesteckten Zieles und überließ solche Arbeiten kompetenteren und erfahreneren Leuten.
Er selbst bereitete den Rahmen zum Neulackieren vor, richtete und beulte die Bleche aus und nahm auch am Motor die wesentlichsten Montagearbeiten vor. Die Lackierungen selbst und die Linierarbeiten übergab er anschließend an Fachleute. Die Überholung des Motors überließ er Gerhard Weller, der in Steinebach das „Westerwald-Museum“ betreibt und als ausgesprochener Kenner und restaurator historischer BMW-Motorräder gilt. Das war in der Rückschau und in Anbetracht des Ergebnisses eine kluge Entscheidung. Relativ viel Zeit verbrauchte Bungartz für die Beschaffung geeigneter Ersatzteile, was bei einem so alten Motorrad, auch wenn es eine BMW ist, nicht unbedingt verwundern sollte. Zusätzlich zu den Besuchen des Internets fielen auch regelmäßige Fahrten zu Oldtimermärkten bis nach Mannheim und Ludwigshafen an. So zog sich die Restaurierung bis zum Oktober 2008 hin, als diese mit der TÜV-Prüfung einen wesentlichen Abschluss fand. Vermutlich weil das Ergebnis der Restaurierung so überzeugend war, konnte diese obligatorische Prüfung sozusagen „im Schnellgang“ absolviert werden. Im Classic-Data-Gutachten wurde die Maschine anschließend sogar mit der hervorragenden Note 1- bewertet. Das freute Josef Bungartz sehr.


Fertig


Erste größere Runde am 01.05.2009 anlässlich der Rallye in Dom Esch

Seit dem Frühjahr 2009 ist Josef Bungartz mit der BMW R12 bei schönem Wetter immer wieder einmal unterwegs. Seine erste größere Ausfahrt damit erfolgte am 1. Mai 2009 im Zusammenhang mit der Rallye in Dom-Esch. Seit der Restaurierung hat er bis heute ca. 6.000 km mit der R12 zurückgelegt.


Der Hinterradantrib der BMW R12 bei der ersten genauen Inspektion


Blick ins Getriebehaus


die wichtigsten Getriebeteile waren noch in Ordnung


Auch den Motorinnereien war die hohe Laufleistung anzusehen


Kurbelwelle im horizontal geteilten Gehäuse


Nockenwellenantrieb


Kurbelwelle mit Kupplungskorb


Die Kurbelwelle war laut dieser Markierung bereits 1956 schon überholt worden. Sie war immer noch gut


Kleinteile vernickelte Josef Bungartz mit eigener Technik


Pause am Ahrtal


Irgendwann im Sommer ...


am Beginn einer Genusstour

Neue Herausforderungen

Die Restaurierung der R12 und das nachfolgende Fahren damit hatten Josef Bungartz viele glückliche Momente beschert. Deshalb wollte er sich 2011 auf einen weiteren Oldtimer einlassen. Es sollte dann jedoch ein gegenüber der BMW R12 charaktermäßig ganz anders geartetes Motorrad sein und der Restaurationsaufwand sollte geringer ausfallen als bei der R12.

In Holland kaufte er schließlich eine BSA S 29 - 4,93 hp mit 500 ccm sv Motor. Die Maschine hatte vom Vorbesitzer bereits eine gute optische Restaurierung erfahren. Sie hatte ca. 20 Jahre lang in einem Schaufenster gestanden, ohne in der Zeit jemals gefahren worden zu sein. Indessen musste an der Technik noch Vieles gemacht werden: Die Magnetzündung brauchte eine neu Wickelung, der Vergaser war gründlichen Verschlissen, sodass es bei dem mit einer bloßen Reinigung alleine nicht getan war. Die Kupplung trennte nicht und auch die Lichtanlage zeigte keine Funktion. Letzteres war für Josef Bungartz als Elektromeister aber noch das kleinste Problem. Dennoch waren die erforderlichen Arbeiten im Verhältnis zu dem zuvor für die BMW R12 erbrachten Kraftakt recht überschaubar. Die Zulassung der BSA war letztendlich gelungen und alternativ zur BMW R12 sollte die BSA für ausgedehnte Ausfahrten in die Eifel dienen.
Bedingt durch die Verlustschmierung der BSA, war der Fahrbetrieb insgesamt aber pflegeaufwändiger als der mit der BMW. Und tropfendes Öl war ein ständiger Begleiter. Deshalb hielt sich Bungartzs Begeisterung für die BSA in Grenzen. Als er diese 2013 an seinen Verkäufer zurückverkaufen konnte, tat er dieses.

Stattdessen legte sich Josef Bungartz wenig später ein Motorrad zu, mit dem er schon seit Jahren geliebäugelt hatte. Es war eine belgische FN M 90 aus dem Jahre 1931 mit 500 ccm. Wie die BMW R12 hat auch dieser FN-Einzylindermotor eine simple und robuste Steuerung über Seitenventile (sv). Die FN war ebenfalls einige Jahre zuvor schon einmal restauriert worden. Damit sie jedoch Josef Bungartzs Vorstellungen entspricht, sind derzeit noch einige Feinarbeiten an Rahmen und Blechen im. Auch der Motor wird noch einer kompletten Revision unterzogen, wobei der Zylinder neu gebohrt und gehohnt, der Kolben erneuert wird und die Ventile und die Ventilführungen überarbeitet werden. An die Nockenwelle muss ebenfalls noch Hand angelegt werden. Die originalen Stahlscheiben der Kupplung werden noch durch besser funktionierende Reibscheiben ersetzt. Bis zum nahen Frühling will Bungartz die Arbeiten abgeschlossen haben.


In der Garage steht die halbfertige FN



Lediglich ein Intermezzo war die BSA S 29


Die BSA kurz vor der Fertigstellung. Einige Baugruppen funktionieren noch nicht so richtig


Der FN-Motors in der Revision


Nächster Ausflug

Wenn Josef Bungartz mit der FN oder mit der BMW R12 in diesem Jahr zur ersten Eifelrunde aufbricht, will ich ihn mal fragen, ob ich ihn trotz seines Eindruckes von vor sechs Jahren mit meiner alten XT 350 begleiten darf. Um den Blick auf das alte „perfekte Motorrad“ in Aktion erleben und möglichst viel genießen zu können, werde ich dann keineswegs die Kurven auf der letzten Rille vermessen, denn Motorradfahren kann ja beschaulich auch so schön sein.
Jedenfalls würde ich mich über dieses Erlebnis sehr freuen.


Die nächsten Touren gehen ab Frühjahr wieder los

Swisttal, im März 2014

Text: Hans Peter Schneider
Fotos: Josef Bungartz und Hans Peter Schneider

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