Hans Peter Schneider – Endurofahren aus Leidenschaft
Frühe Begeisterung für den Moto-Cross Ich bin Jahrgang 1956. Die Zulassung meines ersten Mopeds Anfang 1972 musste ich mir meinen Eltern gegenüber als Erstgeborener noch hart erkämpfen. Dennoch war ich in meinem Streben nach einem motorisierten Zweirad nicht aufzuhalten, nachdem ich am 1. Mai 1971 im Billiger Wald bei Euskirchen das erste Moto-Cross-Rennen meines Lebens gesehen, gehört und den Staub eingefangen hatte, war dieses ein sehr nachhaltiges Erlebnis für mich. Seitdem las ich regelmäßig die alle zwei Wochen erscheinende bedeutendste Fachzeitschrift „Das Motorrad“. Andere deutschsprachige Zeitschriften zu dem Thema gab es damals eigentlich nicht. In den folgenden Jahren sollte es aber auch keine Moto-Cross-Veranstaltung im Umkreis von 100 km mehr geben, bei der ich als Zuschauer nicht dabei war. So kam es 1972, wie es gar nicht anders kommen konnte: Zuerst kaufte ich einem Bekannten aus dem Dorf seine NSU.Quickly N ab, die genau so alt wie ich war. Und im Sommer 1972 ergänzend dazu mein erstes Kleinkraftrad, eine Victoria TS. Diese aus dem Jahre 1966 stammende 50er war im Verhältnis zum damaligen Chor aus Kreidler-, Hercules- und Zündapp-Kleinkrafträder relativ selten. Sie hatte zwar die damals für 50er üblichen 17“ Räder und als Besonderheit einen echten Doppelschleifen-Rohrrahmen. Der Motor leistete als gemeinsame Schöpfung der Herstellerfirmen Victoria, Express und DKW zeitgemäße 5,3 PS und übersetzte diese mittels Fünfgang-Ziehkeilgetriebes aufs Hinterrad, welches die Maschine stets problemlos bis auf Tempo 80 km/h antrieb. Damit konnte ich in der Gruppe meiner Gleichaltrigen gut mithalten. Als auf das Sonntagsgeld meines Vaters angewiesener Schüler, der ich damals war, kam mir der mit 180,00 DM relativ niedrige Kaufpreis sehr entgegen. Die Macken, die der Motor damals hatte, konnte ich selbst beheben, nachdem ich mich schon mit reichlich Fachliteratur zur Motorradtechnik befasst hatte.
Einen besonderen Reiz am Motorradfahren fand ich schon damals im Gelände-Fahren, und zwar mit allem, was dazugehört: Sprünge, Rillen, Matsch und - ganz toll - das Rutschen um die Kurven, was auch Driften oder Power-Slide genannt wird. Meine ersten und schon sehr beherzten bis tollkühnen Geländeversuche machte ich deshalb sowohl mit der Victoria als auch mit der Quickly, von der ich im Sommer 1972 bereits mehrere als Ersatzteilspender im Keller stehen hatte.
Mitgliedschaft im MSC Dom-Esch Im nachfolgenden Winter wurde ich schließlich das damals jüngste Mitglied im MSC Dom Esch, einem der ersten Motorsport-Clubs in Deutschland, die Moto-Cross-Veranstaltungen durchführten. In diesem Club hatte ich nun auf einmal viel mit solchen Leuten zu tun, die aktiv teilweise sehr erfolgreich an Moto-Cross-Rennen teilnahmen oder die in früheren Jahren erfolgreiche Motorsportler waren. Alle gemeinsam arbeiteten wir im Team auf die Hauptveranstaltung des Clubs hin, die jährliche Moto-Cross-veranstaltung, die in den frühen 1970er Jahren regelmäßig den Status eines Laufes zur deutschen Meisterschaft für Moto-Cross-Gespanne hatte.
Kreidler RS-Umbau Trotz meines bescheidenen Taschengeldes und dem, was ich mir mit Nachhilfeunterricht und Aushilfstätigkeiten im elterlichen Metzgereibetrieb noch hinzuverdienen konnte, hatte ich mir neben einem Schweißgerät eine schnelle verunfallte Kreidler RS für relativ kleines Geld gekauft. Letztere diente als Basis für „meine Moto-Cross-Maschine“: Die Umbauten bestanden aus einem kleineren Tank, einem größeren, nämlich 19“ messenden Vorderrad, einem richtigen Moto-Cross-Lenker, einer Kürzung der Doppelsitzbank auf einen Einsitzer, scharfen Motocross-Reifen, einer Kürzung und gleichzeitigen Verstärkung der Fußrastenanlage, leichten Kotflügeln. Der Motor wurde unverändert übernommen, die 6,25 PS waren ohnehin gut im Futter und das Kreidler-Getriebe mit seiner Klauenschaltung bekanntermaßen das stabilste, was sich damals in einer 50er fand. Lediglich aufs Hinterrad kam ein Kettenrad, das 5 Zähne mehr hatte. Mit verschiedenen Auspuffbirnen, die ich selbst zusammenschweißte, machte ich zahlreiche Experimente, stellte dabei auch fest, wie sensibel der Zweitaktmotor auf die Gestalt und Wirkungsweise des Auspuffs reagierte. Zum Einsatz gelangten mit der besten Wirkung zum schnellen Fahren schließlich der Original-Auspuff einschließlich schalldämpfender Pfeife und zum Trialfahren ein etwas längerer Auspuff, der bei niedrigen Drehzahlen für mehr Drehmoment sorgte. Meine Übungsstrecke befand sich damals vornehmlich im großen Garten hinter dem elterlichen Haus, wo ich auf der langen Graden den vierten Gang sogar kurz ausdrehen konnte.
Trial-Übungen
boten sich auf mehreren Treppen und einem großen alten
Bauschutthaufen im oberen Teil des heimischen Gartens an. Zum
Glück gab es damals noch verständnisvolle Nachbarn, die
sich wegen des Motorenlärms nicht beschwerten.
Freundschaft mit Annegret und Willi Schaub In diesen Jahren lernte ich auch Willi Schaub kennen. Es war ja noch die Zeit vor dem ersten großen Motorradboom, der etwa 1976 einsetzte. Die Zahl der Motorradfahrer war in jenen Jahren noch relativ bescheiden und Willi war mir mit seiner Honda CB 250 aufgefallen. Irgendwie waren wir übers Thema Motorrad ins Gespräch gekommen. Bald ich konnte mir bei Willi schon mal mein Taschengeld mit der einen oder anderen Hilfestellung am Bau aufbessern oder ich kümmerte mich um Annegrets Quickly, wenn die nicht mehr so recht fahren wollte. Oft saß ich damals mit der noch jungen und auch kleineren Familie Schaub in deren damaligem Wohnzimmer, wobei wir abends stundenlang über Benzin, Gott und die Welt reden konnten. Damals fiel mir schon auf, dass in dem Wohnzimmer kein einziges modernes Möbelstück zu finden war und trotzdem alles zum Wohlfühlen miteinander harmonierte. Willi bescherte mir 1973 schließlich die Möglichkeit, auf einem modernen schnellen Motorrad - inzwischen hatte er die CB 250 gegen eine feurige Yamaha R5F getauscht - als Sozius mitzufahren, was mich vollends begeisterte.
Endlich 18
Die neue Dimension Motorrad zu fahren – meine erste Enduro In jenen Jahren begannen die japanischen Hersteller erstmals sogenannte Enduros auf dem deutschen Markt anzubieten. Dieses waren Motorräder, mit denen man sich im Gelände sehr gut bewegen konnte, wenn auch die hohen Anforderungen an Motorkraft und Fahrwerk damit nicht erfüllt wurden, um in serienmäßigem Zustand erfolgreich an Geländesport-Veranstaltungen mit Meisterschaftscharakter teilnehmen zu können. |
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In der ehemaligen Kiesgrube, die heute die Umladestation der RSAG beherbergt, boten sich - vom Eigentümer geduldet - bis 1984 die vielfältigsten Geländeformen um sowohl Moto-Cross- als auch Trial-Übungen zu veranstalten. Danach war ich abends schon um 20:00 Uhr so müde, dass ich bald schlafen gehen musste. Als ich die Suzuki TS 250 im Jahre 1979 verkaufte, zeigte der Kilometerzähler 22.000 km an. Davon dürfte ich ca. 18.000 km nur im Gelände unterwegs gewesen sein, und zwar in der Regel so schnell wie möglich. |
Mehrere Freunde, die ich damals regelmäßig am Clubgelände in Dom Esch oder in der Kiesgrube bei Miel traf, hatten solche Enduros von Yamaha.
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Damit begann für mich eine herrliche Motorradzeit Weil die Maschine ja auch zum Straßenverkehr zugelassen war, konnte ich mal eben einen Ausflug ins Gelände machen, ohne dass dieses große Umstände bereitete. Dieses entwickelte sich schließlich dahin, dass ich kaum zwei Tage ohne Geländeausflug mehr sein konnte, mich andernfalls - wie bei einem Süchtigen - eine seltsame Unruhe ergriff und ich spätestens am dritten Tag (so z.B. auch am 2. Weihnachtstag) Gelände unter meine Räder nehmen musste, ganz gleich wie dann das Wetter und die anschließende Säuberungsaktion waren. Auf diesem Wege erlangte ich sehr viel Übung und Geschick beim Fahren im Gelände.
Mit der „lahmen“ Enduro konnte ich schließlich auf den Moto-Cross Strecken der Umgebung beim Training den Kollegen mit den richtigen Cross-Rennern so sehr einheizen, dass viele lieber ihre Pause machten, während ich fuhr, um nicht von einer „lahmen“ Enduro mit nur 19 PS und Beleuchtung überholt oder gar überrundet zu werden. Sehr entgegen kam mir bei diesen Aktivitäten die Tatsache, dass es im beim Fahren mit dem Motorrad im Gelände weniger auf die Motorleistung ankommt, als vielmehr auf die Fahrwerks- und die fahrerischen Qualitäten, die schon recht hoch sein mussten, wenn mehr als 15 PS wirksam in den Vortrieb umgesetzt werden sollten. Die fahrerischen Qualitäten hatte ich mir durch das reichliche Training, das mit einer zugelassenen Enduro leicht zu praktizieren war, im Laufe der Zeit erwerben können. |
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Diesen Spielchen ging ich recht intensiv bis 1985 nach, und zwar von 1975 bis 1979 mit der vorgenannten Suzuki, in 1979 für ca. 6 Monate mit einer Yamaha DT 400 MX, danach einer superhandlichen Yamaha DT 175 MX. 1981 folgte eine Yamaha XT 500, die 1983 wieder einer superhandlichen Yamaha DT 175 MX weichen musste, Als zusätzliche Straßenvehikel bewegte ich zwischendurch noch eine MZ TS 250 und eine Honda CX 500.
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Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich immer lieber auf ein Auto verzichten wollen als auf ein Motorrad. Tatsächlich gab es mehrmals längere Zeiten, in denen ich ohne Auto war. Ohne Motorrad war ich immer nur sehr kurze Zeit.
Nach meiner Heirat musste es wegen der besseren Soziustauglichkeit 1986 wieder eine Yamaha DT 400MX sein, die hinwiederum 1989 von einer BMW R80G/S abgelöst wurde. 2002 meinte ich jedoch, mir mal wieder was „Japanisches“ zulegen zu müssen: Neben der Yamaha XT 350 (Enduro) begeistern mich seitdem die Suzuki SV-Modelle (Straße) insbesondere mit ihrem Motorcharakter aber auch mit ihrem Handling. |
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Text und Fotos: Hans Peter Schneider